Konjunktur | Politik : Der Wendekreis des Wohnbaus
Das ominöse 100.000,- Euro-Ding
Schon vor knapp einem halben Jahr, im September und Oktober 2023, hatten sowohl Vertreter der Baubranche als auch Fiskalrats-Chef Christoph Badelt darauf hingewiesen, dass es in der Bauwirtschaft bald größere Troubles geben werde und die Politik gut daran täte, da aktiv etwas zu unternehmen.
Dann gingen Wochen und Monate ins Land, ohne dass sich dort – zumindest erkennbar - irgend etwas tat.
>> Hier finden Sie detaillierte Informationen zum Wohnbaupaket der österreichischen Bundesregierung
Und plötzlich war es wie beim ersten Schnee in der Bundeshauptstadt (und mittlerweile auch auf Autobahnen in Tirol): da kam etwas vom Himmel herab und Panik und Hektik brachen aus. Dass der Wohnbau in jeder seiner Formen (gemeinnützig, frei finanziert, auf Einfamilienhaus- oder verdichteter Ebene) krachte, legte sich wie eine rutschige, das Weiterkommen behindernde Schicht über das Land und sorgte auch für den einen oder anderen Unfall.
>> Lesen Sie dazu auch: Österreichs Sozialpartnerschaft und Deutsche Bauministerin machen Druck
Genug der opulenten Bilder und zurück zur sachlichen Sprache: warum nicht lange vor dem vor allem durch die Idee für ein 100.000,--Euro-Geldgeschenk für den Bau des jeweils ersten Einfamilienhauses mittlerweile legendären Auftritt der Bausozialpartner Harald Mahrer (WKO) und Josef Muchitsch (GBH) etwas passiert ist, weiß vermutlich niemand so ganz genau.
Aber sei’s drum und vielleicht hat ja genau diese (dann schnell und von vielen unterschiedlichen Stakeholdern mit den unterschiedlichsten Argumenten abvollierte) Idee im Sinn einer sonst aus der Psychotherapie bekannten paradoxen Intervention die Dinge dann letztlich schnell ins Rollen gebracht.
Das hätte man vor einem halben Jahr schon machen können oder müssen.Peter Krammer, Präsident VIBÖ, CEO Swietelsky
Speed stops killing – und das Problem mit der Wohnbauförderung
Und Schnelligkeit war und ist essenziell: generell, weil eben viel zu lange nichts passiert ist und auch kein Signal gesetzt wurde, dass etwas passieren würde – und speziell, weil Forderungen und Ankündigungen wie eben zB die 100.000 Euro-Unterstützung genau das Gegenteil der Absicht erreichen, wenn danach nicht gleich etwas geschieht.
Oder was würden SIE machen, wenn sie bauen wollen und hören, dass ein veritables Geldgeschenk irgendwann kommen könnte? Richtig: warten und zuerst einmal NICHT bauen.
Als Präsident des Verbands der Bauindustrie (VIBÖ) war Swietelsky-CEO Peter Krammer einer unserer ersten Ansprechpartner für eine Einschätzung aus der Branche zum Baupaket. „Super, aber das muss jetzt auch zeitnah in ein Gesetz gegossen werden“, sagte er in einer ersten Stellungnahme. „Das hätte man vor einem halben Jahr schon machen können oder müssen. Aber alles, was diese Handbremse sofort und unmittelbar löst, ist gut. Ich bin recht zufrieden. Es ist der richtige Schritt in die richtige Richtung. Es geht um temporär gestützte Kreditmöglichkeiten und die gibt es jetzt.“
Nachsatz: was nachhaltig zu tun wäre, so Krammer, wäre die Erhöhung der Sanierungsquote, doch dazu brauche man nicht nur Geld, sondern Struktur. „Man muss echte Anreize schaffen.“
Der erste erreichbare Gesprächspartner aus dem Bereich der KMU
war der Tiroler Innungsmeister und mit seinem eigenen Familienbetrieb und im Rahmen der Zukunftsagentur Bau ZAB digitale Vordenker Anton Rieder. „Mir fällt gleich auf“, sagte er, „dass die Wiedereinführung, Zweckbindung und Valorisierung der Wohnbauförderung fehlt.“ Damit, so Rieder, könnte man das gesamte Problem lösen können. „Das Schlimmste für den Bau ist das Auf und Ab und Hin und Her. Kontinuität ist das Allerwichtigste.“ Wenn es punktuelle Geldspritzen fürs Bauen gegeben hätte, hätte man immer das Problem gehabt, die Kapazitäten hochfahren zu müssen und oft mit mehr Umsatz weniger Gewinn zu machen.
Wiedereinführung, Zweckbindung und Valorisierung der Wohnbauförderung fehlt.Anton Rieder, Innungsmeister Tirol, GF Riederbau
Ja, warum eigentlich nicht die Wohnbauförderung? Zur Erinnerung: Die Zweckbindung der Wohnbauförderung war seit 2001 gelockert und 2009 endgültig abgeschafft worden. Immer wieder hatte es Anläufe und Ankündigungen gegeben, die Zweckbindung wieder einzuführen, passiert ist bekanntlich: nichts. (Anmerkung und vorsichtig positiver Ausblick: auch die Abschaffung der kalten Progression und des Amtsgeheimnisses fielen ewig lang in diese Kategorie, wurden und werden aber jetzt doch umgesetzt).
Rieder: „Eigentlich ist die Wohnbauförderung derzeit eine Mogelpackung. Im besten Fall bleibt das Geld aus diesem Topf in der Baubranche und wird für Brücken oder ähnliches verwendet.“ In Tirol mache die WBF zehn Prozent des Landesbudgets und ein Drittel des Landesvermögens aus, da wolle sich die lokale Politik nicht die Möglichkeit nehmen lassen, das Geld nach ihrem Dafürhalten einzusetzen.
Peter Krammer sieht das Fehlen der Wohnbauförderung im aktuell vorliegenden Paket pragmatisch. „Für Änderungen bei der Wohnbauförderung bräuchte man die Zusatimmung der Länder und die bekommt man nicht so schnell, schon gar nicht in Vorwahlzeiten.“ Hier mache die Regierung ein Gesetz, das über die 1,5 %-Zinsen-Kredite quasi unter einem anderen Namen eine Art Wohnbauförderung bedeute.
Wohlstand und das Überleben der Branche
Und was sagt Branchenprimus und Strabag-CEO Klemens Haselsteiner? „Wir begrüßen selbstverständlich die Fördermaßnahmen der Regierung für den Wohnbau.“ Die Strabag selber sei in einer wirtschaftlich sehr stabilen Lage und erziele gute Ergebnisse, auch weil der Wohnbau weniger als zehn Prozent der Konzernleistung ausmache.
Beim Thema Wohnbau gehe es aber auch „nicht um uns als Konzern, sondern um den Wohlstand der Gesellschaft und um das Überleben vieler Branchenpartnerinnen und -partner. Damit Wohnen leistbar bleibt bzw. wieder leistbarer werden kann, braucht es diese Maßnahme dringend, denn ohne finanzielle Förderungen für ein erweitertes Wohnangebot gehen Nachfrage und Angebot weiterhin weit auseinander. Das treibt nicht nur Kaufpreise, sondern unweigerlich auch Mieten in die Höhe.“
Wichtig sei – und das sagt nicht nur Haselsteiner, sondern etwa auch GBH-Chef Muchitsch oder IHS-Leiter Holger Bonin -, dass die Fördermittel treffsicher beim Wohnbau ankämen. Haselsteiner: „Insbesondere der gemeinnützige Wohnbau, für den Österreich europaweit bekannt ist, braucht die Fördergelder dringend. Doppelt positiven Effekt haben solche Förderpakete aus unserer Sicht dann, wenn vor allem nachhaltig geplante, gebaute und betriebene Projekte Förderungen zugesprochen bekommen.“
Doppelt positiver Effekt, wenn nachhaltig geplante, gebaute und betriebene Projekte Förderungen bekommen.Klemens Haselsteiner, CEO Strabag SE
Den Ländern auf die Finger schauen
Nachsätze zum Thema Länder: Bonin und Muchitsch wurden am Morgen des 28.2. auch im ORF-Radio zum Baupaket befragt. Muchitsch kündigte dort an: „Die große Frage ist - und da werden wir als Bausozialpartner insgesamt sehr genau schauen -, ob die Länder auch tatsächlich diese zusätzlichen Mittel abholen und diese auch tatsächlich zweckgebunden bauwirksam einsetzen.“ Und Bonin auf die Frage, ob die Länder genug in die Pflicht genommen werden würden: „Ich denke, dass man mit den Ländern dahingehend schon gesprochen hat.“
Genau schauen, ob Länder auch tatsächlich die Mittel zweckgebunden bauwirksam einsetzen.Josef Muchitsch, Obmann GBH
Rahmenbedingungen, Rahmenbedingungen, Rahmenbedingungen
Heißt es in der Immobilienbranche bei der Frage nach Erfolgskriterien für ein Projekt immer „Lage, Lage und noch einmal Lage“, so geht es in der Baubranche zugespitzt formuliert immer und besonders jetzt um Rahmenbedingungen.
Hier legt stellvertretend der bekannte Vorarlberger Branchenvordenker Hubert Rhomberg seinen Finger in eine Wunde, die uns zweifellos noch länger beschäftigen wird. „Das Programm ist unterm Strich gut und dringend notwendig. Übersehen wird aber aus meiner Sicht: es ist der Politik und vielen Entscheidungsträgern und Ideengebern nicht bewusst, dass wir den Nachholbedarf allein schon wegen der fehlenden Ressourcen in den Bauämtern etc.. nicht stemmen können. Wir schaffen heute schon viele Verfahren nicht schnell genug. Hier ist ganz klar das Thema, zur Verfahrensvereinfachung Effizienz, Ressourcen und das Potenzial der Digitalisierung zu nutzen.“
Und das ist leider kein ganz anderes Thema.