Konjunktur Wohnbau : Strauss schlägt Alarm

Karl-Heinz Strauss, Porr AG

"Das ist kein Sturm im Wasserglas", beschwört Karl-Heinz Strauss die Dringlichkeit der Lage. "Was jetzt passiert, ist wirklich ein Notstand, der entsteht - und das betrifft dann jeden Einzelnen von uns."

- © Astrid Knie

Absage an undifferenzierte Geldgeschenke

Wenn es so wie jetzt mit dem Wohnbau weiter ginge, würden die Mieten "brutal steigen", sagt der Chef des zweitgrößten österreichischen Baukonzerns Porr, Karl-Heinz Strauss.

"Ich glaube, es braucht einen nationalen Schulterschluss über Parteigrenzen hinweg", appellierte er an die Politik. "Wahlkampfgeschenke sollte man im Interesse Österreichs zu Hause lassen."

Derzeit ist die Regierung mit den Sozialpartnern am Arbeiten an einem Baupaket. Bis Ende Februar, also noch diese Woche, soll das Ergebnis präsentiert werden, hieß es. "Ich höre, dass alle Stakeholder Vorschläge gemacht haben, die werden diskutiert", berichtete Strauss. "Ich glaube, es braucht den Willen, parteiübergreifend etwas Sinnvolles zu machen - sonst werden alle - ich wiederhole: alle - politisch abgestraft", erwartet der Porr-Chef. "Das ist kein Sturm im Wasserglas", machte er die Dringlichkeit der Situation deutlich.

Eine klare Absage erteilte Strauss dem Vorschlag einer nicht rückzahlbaren Eigenheimzulage von bis zu 100.000 Euro. "Ich hoffe, dass es bei sinnvollen Vorschlägen bleibt und nicht so etwas mit der Gießkanne", vermisst er hier die soziale Treffsicherheit. "Also ich halte nichts von dieser Prämie." Hier werde völlig undifferenziert eine Summe genannt. "Das kriegen auch die, die es nicht nötig haben", kritisiert der Chef des Baukonzerns. Das höre sich nur gut an. "Viel gescheiter wäre es, den Kauf von Grundstücken oder den Bau oder Kauf von Wohnungen sozial gestaffelt zu fördern", meinte er. "Ab einer bestimmten Einkommenshöhe sollte man die Förderung herunterfahren."

Wahlkampfgeschenke sollte man im Interesse Österreichs zu Hause lassen.
Karl-Heinz Strauss, CEO Porr AG

WEITERE STIMMEN ZUM SOZIALPARTNER-PAKET - Brunner: "Gibt sicher bessere Möglichkeiten"

So sagte etwa Finanzminister Magnus Brunner zu dem Vorschlag, bis zu 20 Prozent der Kosten oder maximal 100.000 Euro Eigenheim-Zuschauss aufzulegen, um die Bauwirtschaft zu stützen: "Ob das zu Ende gedacht ist, ob das budgetär möglich ist, ob das sinnvoll ist und ob das zielführend ist, das weiß ich nicht. Da gibt es sicher sinnvollere Maßnahmen."

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Der Regierungspolitiker erinnert gegenüber der "Kleinen Zeitung" (Mittwochausgabe) zudem an 300 Millionen Euro, die im sogenannten Zukunftsfonds des Finanzausgleichs "für den Wohnbau reserviert" seien. Einmal mehr drängt Brunner auch auf eine Flexibilisierung der KIM-Verordnung, die die Regeln für die Kreditvergabe festlegt.

Magnus Brunner im Interview
Finanzminister Magnus Brunner - © Andy Wenzel/BKA

VZI und IG Lebenszyklus Bau: „Netto-Neuversiegelung gleich Null“

Nun melden sich auch die Verbände VZI und IG-Lebenszyklus Bau zu Wort. Der Grundtenor: Angesichts des bereits hohen Bodenverbrauchs in Österreich muss der Fokus klar auf Sanierung und Verdichtung liegen. Um dies zu forcieren, sei etwa eine finanzielle oder steuerliche Förderung des Ankaufs von Bestandswohnungen sinnvoll. Ebenso wichtig sei es, jene Untersuchungen zu fördern, die eine fachgerechte Entsorgung von Schad- und Störstoffen ermöglichen, um anschließend richtig und vor allem gefahrlos „weiterbauen“ zu können.

„Das Einfamilienhaus ist ein stark emotional besetztes Thema. Die Frage nach der Wohnform wird daher weniger mit einer Gebäudeform beantwortet werden können. Die Antwort liegt vielmehr in der richtigen Programmierung und Reaktivierung unserer Ortskerne“, ist Dominik Philipp, IG LebenszyklusBau, überzeugt. Verhaltensänderungen müssten durch staatliche Vorgaben und gezielte Anreize - etwa Förderungen für neue Wohnformen - forciert werden.

Thomas Hoppe, Präsident des VZI: „Die Umnutzung von Einfamilienhäusern in Zwei- und Mehrfamilienhäuser ist nicht nur eine Chance zur Wiedernutzung und Vermeidung von Bodenversiegelung, sondern ermöglicht auch generationenübergreifendes Wohnen und die Revitalisierung des suburbanen Raumes. Dies ist eine in mehrfacher Hinsicht lohnende Planungsaufgabe für die Zukunft“.

„Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir uns von der Vorstellung lösen, das Einfamilienhaus sei die einzige Möglichkeit, unsere emotionalen (Wohn-)Bedürfnisse wie Geborgenheit, Zugehörigkeit, Freiraum, Grün etc. zu befriedigen. Vielmehr müssen wir alternative Wohnlösungen in den Vordergrund stellen und fördern, die diese Bedürfnisse in umweltverträglicher Form befriedigen“, ergänzt Wolfgang Kradischnig, IG Lebenszyklus Bau und VZI.

Muchitsch präzisiert: Fokus auf sozialen Wohnbau - Babler stimmt zu

Auch GBH-Chef Josef Muchitsch, bei dessen gemeinsamen Auftritt mit Mahrer die Idee das Licht der Öffentlichkeit erblickt hatte, ist angesichts der Kritik an der sozialen Treffsicherheit um Präzisierung bemüht.

Um den Wohnbau anzukurbeln, müsse ein Schwerpunkt auf den sozialen Wohnbau gelegt werden, betonte er am Dienstag.

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Die Eigenheimzulage sei ein Vorschlag der Arbeitgeber, der in das Sozialpartnerschaftspapier eingeflossen sei, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) im Ö1-"Morgenjournal".

Die Eigenheimförderung brauche "nicht das größte Volumen", um die Baukonjunktur anzukurbeln. "Die Wohnbauförderung ist hier sicher der größte und beste Hebel."

Wenig von einem derartigen Eigenheimbonus hält auch SPÖ-Chef Andreas Babler. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Muchitsch am Dienstag erklärte er: "Das ist kein sozialdemokratisches Modell." Trotzdem brauche es die Diskussion, so Babler.

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Josef Muchitsch im WEKA Industrie Medien-Podcast-Studio
GBH-Chef Josef Muchitsch (hier im Solid-Podcast-Studio) - © WIM/Pöll
WIFO-Experte Michael Klien im Gespräch mit Solid-Chefredakteur Thomas Pöll

Klien: "Stunde der Wohnbauförderung"

Michael Klien, Ökonom des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), sieht das Baupaket in dieser Form ebenfalls skeptisch: Ein Zuschuss bis 100.000 Euro sei "nicht das erste Mittel", so Klien.

Diese Förderung wäre sehr teuer, besser wären Darlehen oder andere Förderungen mit finanziellen Rückflüssen, so Klien im Ö1-Mittagsjournal.

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Die KIM-Verordnung, die die Vergabe von Hypothekarkrediten regelt, könnte überarbeitet werden.

"Die Stunde der Wohnbauförderung wäre wieder gekommen", meint Klien. Hier könnten die Darlehenssummen erhöht und der Zugang zur Förderung erleichtert werden, schlug Klien weiters vor.

Architektenpräsident Fügenschuh: "Förderung des Einfamilienhauses zu kurz gedacht"

Auch Architekt Daniel Fügenschuh,Präsident der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen, zeigt sich besorgt über die ökologische und Nachhaltigkeitsdimension des Themas:

"Architekt:innen und Zivilingenieur:innen sehen aber eine Förderungdes Einfamilienhauses als zu kurz gedacht. Wir müssen Verantwortung für die Zukunft tragen und daher Nachhaltigkeit in den Fokus der Bauwirtschaft stellen", sagt Fügenschuh.

Die Infrastrukturkosten, die durch die Zersiedelung entstehen, seien darüber hinaus volkswirtschaftlich gesehen nicht leistbar. Dieses Geld fehle am Ende bei wichtigen Projekten wie Bildungsbauten, Kinderbetreuung oder sozialem Wohnbau.

Wienerberger-Chef will bei Renovierung Steuersatz auf Produkte und Arbeit auf 5 Prozent senken

Mit Einzelvorschlägen wie dem Eigenheim-Bonus kann sich Heimo Scheuch, Chef des weltgrößten Ziegelherstellers Wienerberger nicht so recht anfreunden. Vielmehr schlug er am Mittwoch im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF vor, die Mehrwertsteuer auf Produkte und Arbeit im Sanierungsbereich auf 5 Prozent zu senken.

Bei der Ankurbelung der Baukonjunktur gehe es einerseits um die Renovierung, also die Sanierung, und andererseits um den Neubau. "Wenn wir kurz über die Sanierung sprechen, dann wäre und ist der beste und der kostengünstigste Weg für alle Beteiligten, wenn ich die Mehrwertsteuer senke - auf die Produkte und auf die Arbeit", ist der Konzernchef überzeugt. Wenn man hier zum Beispiel auf 5 Prozent gehen würde, dann hätte das zwei wesentliche Effekte: Zum einen würde dann sehr viel privates Geld in diesen Bereich fließen, zum anderen würde die graue Wirtschaft, auf österreichisch "Pfusch", etwas zurückgedrängt und der Staat hätte letztlich auch mehr Einnahmen. "Die Mehrwertsteuer ist natürlich geringer, aber in Summe der Aktivitäten sind die Einnahmen des Staates noch höher, also eine Win-Win-Win-Situation", so Scheuch.

Für grundsätzlich wichtiger als eine Lockerung der Kreditvergabe hält es Scheuch, darüber nachzudenken, "wie ich das Bauen an sich und die Immobilienpreise wieder leistbarer mache". "Und das hat sehr viel mit den Themen Widmung zu tun, in Österreich, und Verfügbarkeit von Grund und Boden für eben mehrgeschossigen Wohnbau, aber auch für Einfamilienhäuser."

Heimo Scheuch, CEO Wienerberger