OIB, EU, Baunormen und andere Vorschriften : Licht in den Bürokratiedschungel - Pareto-Prinzip ist gefragt

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Die Bürokratie gilt zu Recht als große Zeitvernichtungsmaschine. Doch wie kann man sie Stück für Stück auseinandernehmen und unnötige Teile entfernen?

- © Elnur - Fotolia

Die zunehmend unüberschaubare Menge an Richtlinien, Verordnungen, nationalen und internationalen normativen Umsetzungsdokumenten, deren laufende Änderungen und Verschärfungen und inhärenten Widersprüche stellen nicht nur einen immensen Kostentreiber, sondern auch eines der problematischsten Hindernisse in der Umsetzung genau jener wichtigen ökologischen Ziele dar, für welche die Regeln oft geschaffen werden.

Drei Beispiele und ihre Auswirkungen

  • Gebäuderichtlinie und Sanierung des Altbestandes
    Die kürzlich erschienene Richtlinie und deren nationale Rechtsumsetzung in der OIB 7 steigern ab 2030 die Anforderungen für umfassende Sanierungen auf Nullemissions-Standard. Dadurch wird die Finanzierbarkeit erheblich erschwert, die nötige Beschlussfassung in Wohnungseigentumsgemeinschaften fast unmöglich gemacht. Folge – eine weitere Belastung der ohnehin viel zu geringen Sanierungsquote mit allen negativen ökologischen Folgen. Es wäre denn die Sanierungspflicht kommt doch noch - die sozialen Folgen kann man sich ausrechnen.

    Ein Positivbeispiel ist die Tiroler Bauordnung, welche in der letzten Novelle die Möglichkeit geschaffen hat, thermische Sanierungen bis zu gewissem Umfang ohne kostspielige und langwierige Bauverfahren umzusetzen.
  • Europäische Bauproduktenverordnung
    Die EU-BPVO von 2011 wird seit 2022 umfassend überarbeitet und wächst mit jedem Verhandlungsschritt weiter an. Von 47 Seiten 2011 sind wir inzwischen bei 313 Seiten wobei es sich, wie bei der Ökodesignverordnung, um eine Rahmenverordnung handelt welche nicht nur durch harmonisierte europäische Verordnungen, sondern auch von diversen künftigen delegierten Rechtsakten ergänzt wird.

    Neben klärungsbedürftigen inhaltlichen Widersprüchen beispielsweise mit der Datenschutzgrundverordnung erschweren auch die hunderten Änderungen von jeder Version zur nächsten die Nutzung und erhöhen den bürokratischen Aufwand enorm. Immerhin gezählte 17 verschiedene Arten europäischer und nationaler Dienststellen beschäftigen sich mit der Frage ob der Ziegel tatsächlich verkauft werden darf – hoffentlich in laufender Abstimmung.

    Nicht nur im KMU-Bereich problematisch ist die neue verpflichtende Fremdzertifizierung und Fremdüberwachung von Bauprodukten durch notrifizierte Stellen deren Personalstand derzeit und perspektivisch viel zu gering bleiben wird um die gleichzeitig stark wachsende Zahl betroffener Bauprodukte zu behandeln. Trotz extrem langer Übergangsfristen ist dadurch von erheblicher – mit den Zielen der EU nicht vereinbarer – Marktbeschränkung auszugehen.
  • Verordnung zum erleichterten Ausbau von Solaranlagen
    Ein Positivbeispiel stellt die Verordnung EU 2022-2577 dar. Sie legt einen Rechtsrahmen für den erleichterten und beschleunigten Ausbau von Anlagen zur Nutzung von erneuerbaren Energien fest.

    Sie ist als "Notverordnung" aufgrund des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges mit begrenzter aber verlängerbarer Gültigkeitsdauer von 30.12.2022 bis 30. Juni 2024 in Kraft und in den Mitgliedsstaaten der Union unmittelbar anwendbar.

    Kern der Verordnung ist eine drastische Reduktion bürokratischer Hürden für die Installation von Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien.
    Die Verordnung trifft Bestimmungen zur Beschleunigung des Verfahrens zur Genehmigungserteilung für die Installation von Solarenergieanlagen und reduziert z.b. die zulässige Entscheidungsfrist der Behörden auf ein Monat. In vielen Fällen gilt eine nicht fristkonform übermittelte Behördenentscheidung als Genehmigungsersatz.

Diese drei Produktivitätshebel brächten eine Menge an Einsparungen, ohne dass Qualität verloren geht.

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Pareto-Prinzip gefragt - sonst droht Vielzahl an gestrandeten Immobilien

Das allseits bekannte „Pareto-Prinzip“ geht davon aus, dass für 80% des Erfolges 20% des Aufwandes erforderlich sind, und 80% des Aufwandes für den kleinen Rest. Gängige Regulierungen versuchen aber oft, Themen zu 100% zu umfassen und sind deshalb zwangsläufig ineffizient und schwer administrierbar.

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Bereits in den frühen 1980er Jahren konnte man Einfamilienhäuser mit geringem Kostenaufwand und den damals verfügbaren Mitteln auf ein Sechstel des Heizenergieverbrauches drücken, von 3000 Liter auf 500 Liter Ölverbrauch pro Jahr (auch heute noch akzeptable ca. 40 kWh/m²a).

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Der ökologische Mehrwert eines Nullemissionsgebäudes ist sicher gegeben, steht aber in keinem Verhältnis zur Vielzahl von Gebäuden welche aufgrund der dramatisch höheren Kosten hochoptimierter und hochregulierter Sanierungsmaßnahmen noch lange Zeit unsaniert im Urzustand der 1970er Jahre verbleiben und die Umwelt massiv belasten werden.

Leicht umsetzbar und sehr wirkungsvoll: drei Beispiele

Hier deshalb noch drei Beispiele für leicht umsetzbare und sehr wirkungsvolle Maßnahmen zur ökonomischen und ökologischen Entlastung:

  • Rückkehr zur Eigendeklaration und verantwortlichen Eigenüberwachung der Leistungen von Bauprodukten in der neuen europäischen Bauproduktenverordnung.
  • Entfall der Baubewilligungspflicht bei thermischen Sanierungen nach dem Tiroler Modell.
  • Generelles Bekenntnis zu effizienten Lösungen anstelle unerreichbarer 100% Ziele.
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Forschungsprojekt „Bauen außerhalb der Norm“ & Co. - Praxisansätze aus, aber nicht nur für Tirol

Durch Entfrachtung Innovationsraum Bau schaffen

Die Gründe für die gestiegenen Kosten sind mannigfaltig und nicht nur in der Baubranche zu suchen. Ein Aspekt jedoch lässt sich in der zum Teil überbordenden Normierung bzw. Gesetzgebung hinsichtlich baurelevanter Themen finden. Ein Abweichen davon, auch bei einem Nachweis einer tauglichen und kostengünstigeren Alternative, hat sowohl für Planer als Ausführende oftmals äußerst negative Folgen. Darüber hinaus ist das Risiko, in einem Schadensfall Haftungsansprüchen ausgeliefert zu sein vielen Unternehmen zu groß. In Summe verhindert diese Situation auch ökonomisch nachhaltige Immobilien.

Um dieser Kostenspirale entgegen zu wirken und zukunftsorientiert nachhaltig zu bauen, wird in einem Forschungsvorhaben der LI Tirol untersucht werden, inwieweit kostenrelevante Vorschriften derzeit gültiger Baustandards und Normen außer Acht gelassen werden können, ohne Einbußen bei der nutzungsrelevanten Qualität von Bauteilen hinnehmen zu müssen.

Weiters soll analysiert werden, ob und in welchem Umfang dies im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung abgewickelt werden kann und welche Aspekte einer adaptierten Gesetzgebung bedürfen würden. Ein wesentlicher Teil in dieser Untersuchung wird die Klärung der rechtlichen Belange sein. Dort kann der in das bayrische Baugesetz eingeführte Gebäude E (vertraglich vereinbarte einfachere Bauausführung) einen rechtlichen Anhaltspunkt bieten.

Über juristische Aspekte hinaus soll in diesem Forschungsvorhaben vor allem auch auf Seiten der Unternehmer und Forschungspartner innovative ökonomische und technische Lösungen entstehen.

Vorschläge zur Kostenoptimierung für leistbaren Wohnraum

1. Verzicht auf unterirdische Bauteile (geschätzte Einsparung 10-20%): Unterirdische Bauteile zur Aufbewahrung von PKW und Fahrräder bzw. für Lager- und Nebenräume verursachen bis zu 30% der Baukosten. Man könnte z.B. einem Teil der Wohnungen keine Tiefgaragenplätze zuordnen und den Kostenvorteil weitergeben.

2. Systematisiertes Planen und Bauen (Einsparung 5-10%):
Die Planung und Errichtung von Gebäuden wird derzeit stark von außen hergedacht. Alternativ sollten Bauweisen, welche die „inneren“ Werte eines Gebäudes wie effiziente Grundrisse, schlanke statische Konstruktionen, übereinanderliegende Modulbäder, standardisierte Details etc. forciert werden.

3. Baudichte (Einsparung 5-10%):
Eine höhere Baudichte führt i.d.R. zu einer kosteneffizienteren Umsetzung von Wohngebäuden. Der Baukostensatz in der WBF für die kleinste Gebäudekategorie ist um 16% höher als jener für die größte Kategorie.

4. Digitale Baueinreichung (1-5%):
Die Vorlaufzeiten für Wohnbauten sind zu lange (in Tirol drei und mehr Jahre). Dies verursacht Projektentwicklungs- und Zinskosten, welche die Käufer bzw. Mieter zu tragen haben. Die Einführung einer „Digitalen Baueinreichung“ für sämtliche baurelevanten Verfahren (z.B. Bau- und Gewerberechtsverfahren) kann die Vorlaufdauern verringern, daher benötigt es eine Beschleunigung der Verfahren mit klar definierten Maximalfristen (Beispiel Südtirol).