Wohnbau : Wohnungen und Einfamilienhäuser dringend gebraucht

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Das Planen und Umsetzen von Wohnraum, vor allem von leitbaren Wohnungen und Häusern, wird zunehmend schwieriger. Die Baubewilligungen gehen weiter zurück.

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„Man kann nicht nicht wohnen. Auf Reisen, Theater oder aufs Auto kann man verzichten, aufs Wohnen nicht“, sagt Porr-CEO Karl-Heinz Strauss frei nach Paul Watzlawick beim SOLID-Frühlingsempfang. Und weiter: „Wohnungen, die wir heute nicht bauen, fehlen uns in zwei Jahren.“
Dabei war vor zwei Jahren alles anders: Wohnungsfertigstellungen erreichten mit 77 346 Wohneinheiten just in dem Jahr 2022 einen Höchststand, als die Bau-Bedingungen schwieriger wurden. Ukrainekrieg, KIM-Verordnung, gesteigerte Kreditzinsen, höhere Baupreise, Verfügbarkeit von Baustoffen und nach wie vor Corona-Pandemie nagen am Baufundament.

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Wer schon einmal mit der Hochschaubahn gefahren ist, weiß: Nach dem höchsten Punkt folgt ein Jauchzen, bevor es mit lautem Schreien, einem flauen Gefühl im Magen und vielleicht ein bisschen Angst, zumindest jedoch Vorsicht, fast in freiem Fall nach unten geht. Dieses Bild könnte auch für den Wohnungsneubau in Österreich (und auch in anderen Ländern, auch in Deutschland ist die Situation nicht rosig) stehen. Denn waren es laut Statistik Austria 2019 noch 84 822 baubewilligte Wohnungen, sank die Zahl 2022 auf 58 924 (ein Minus von 29 Prozent zu 2021), lag im 3. Quartal mit 11 463 um 17 Prozent unter dem Vorjahreswert und fällt weiter nach unten.

2023 brach die Wohnbautätigkeit im Vergleich zu 2022 laut Statistik Austria um ein Viertel oder 17.600 Wohnungen ein: Mit 46.600 zum Bau genehmigten Wohnungen sind diese auf den tiefsten Punkt seit Beginn der Aufzeichnung im Jahr 2010 gefallen. "In den Spitzenjahren 2017 oder 2019 gab es fast doppelt so viele Baubewilligungen wie im Jahr 2023", sagte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas. 2017 wurden 86.300 Wohnungen zum Bau genehmigt.

Bei der Agenda Austria rechnet man bei den Baubewilligungen in Quadratmetern: 2023 gab es Baubewilligungen für rund 2,5 Millionen Quadratmeter neuen Wohnraum. Zwischen 2010 und 2021 waren es in der Regel doppelt so viel, in einzelnen Jahren schraubte sich die Zahl auch schon auf 6 Millionen Quadratmeter nach oben. Agenda-Austria-Ökonom Jan Kluge nannte Mitte April gegenüber der APA Gründe: „Die Zinswende, die zu einer Steigerung der Kreditzinsen geführt hat, wie auch die sogenannte KIM-Verordnung, die strengere Kriterien für die Vergabe von Krediten vorschreibt, sind beide Mitte 2022 wirksam geworden und haben gemeinsam zu dem massiven Rückgang bei Baubewilligungen geführt.“

24 Prozent Ein- und Zweifamilienhäuser

Die meisten Baubewilligungen für Wohnungen wurden im Vorjahr in Wien erteilt. Ohne An-, Auf- oder Umbauten wurden in der Bundeshauptstadt 10.500 Wohnungen genehmigt. In Oberösterreich waren es laut Statistik Austria 8.300 Wohnungen, in Niederösterreich 7.600. Am unteren Ende befand sich das Burgenland mit 1.400 Wohnungen.

Von den 46.600 im Jahr 2023 zum Bau zugelassenen Wohnungen in Österreich betrug der Anteil der Einheiten in neuen Ein- und Zweifamilienwohnhäusern 24 Prozent, bei Wohngebäuden mit drei oder mehr Wohnungen 51 Prozent. Die in bereits bestehenden Gebäuden durch An-, Auf- oder Umbautätigkeit bewilligten Wohnungen machten abgesehen von Wien ein Viertel aller Baugenehmigungen aus. Der geringste Teil mit weniger als 0,4 Prozent entfiel auf baubewilligte Wohnungen in neuen Nicht-Wohngebäuden.

Gesamte Baubranche betroffen

Zahlen, die nicht nur Wohnbauexperten Wolfgang Amann von Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen GmbH (IIBW) hellhörig machen, wie er bei einer Pressekonferenz der Initiative „Mehr leistbaren Wohnraum schaffen“ bereits im Juli 2023 meinte: „Unsere Studien haben ergeben, dass sich der Trend der stark abnehmenden Baubewilligungen fortsetzen wird. Dem nicht genug, gehen wir für die kommenden Jahre ebenfalls von einer sehr schwachen Baukonjunktur aus.“

Das wirkt sich nicht nur auf die Lage der Wohnungssuchenden, sondern auch der gesamten Baubranche samt Nebengewerken aus.

Baubewilligungen für Wohnungen gehen zurück, betroffen ist vor allem der geförderte Wohnbau mit Genossenschaftswohnungen.

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Baubewilligungen gehen zurück

Der Fertigstellungsboom von 2022 ist auf den Bauboom von 2019 zurückzuführen, wie Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas erklärt: „Damals wurde der Bau von rund 84 800 Wohnungen bewilligt und von der Bewilligung bis zur Fertigstellung kann man je nach Gebäude mit etwa zwei bis drei Jahren rechnen. In den kommenden Jahren werden deutlich weniger neue Wohnungen auf den Markt kommen, da die Baubewilligungen seit 2020 zurückgegangen sind. 2022 lag die Zahl der Baubewilligungen unter jener der Baufertigstellungen. Das war zuletzt 2007 der Fall.“

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Im Schnitt dauert es 1,8 Jahre bis ein Bau fertig gestellt ist. Am Meisten würde in Wien, gefolgt von Niederösterreich und Oberösterreich gebaut. Während durchschnittlich 8,5 Wohnungen je 1000 Einwohner in Österreich gebaut werden, lag die Quote in Wien sogar bei 10,8 Wohnungen.

Die durchschnittliche Wohnungsgröße liegt übrigens bei 101,8 m2 Wohnnutzfläche. Die Mieterquote immerhin bei 43,7 % wie Zahlen der Statistik Austria für 2023 zeigen. Die Mietkosten inklusive Betriebskosten lagen durschnittlich bei 634,2 Euro pro Wohnung oder 9,5 Euro pro m2.

Wohnraum leistbar machen

Um Wohnungen weiter erschwinglich zu halten, habe sich die Bauträger Arwag, Altmannsdorf-Hetzendorf, EBG, Neues Leben, ÖSW und Wien-Süd im Sommer 2023 zur Initiative „Mehr leistbaren Wohnraum schaffen“ zusammengeschlossen: „Als Bauträger sind wir mit Auflagen konfrontiert, die es uns schwer machen, unserem Ziel, leistbaren Wohnraum zu schaffen, entsprechen zu können. Wir glauben, dass wir uns diese Ineffizienz schlichtweg nicht mehr leisten können. Naturschutz und leistbarer Wohnraum sind miteinander vereinbar. Der Gesetzgeber ist hier gefordert, die Rahmenbedingungen zu schaffen und die Verfahrensdauer wieder zu beschleunigen, damit auch die Zahl der Baubewilligungen für leistbaren Wohnraum wieder steigen“, so der Sprecher der Initiative und Obmann der Wien-Süd, Andreas Weikhart.

Demgegenüber steht ein deutlich höherer Bedarf, insbesondere in Ballungszentren wie etwa in Wien, als prognostiziert war. Einer der Gründe dafür ist die zunehmende Migration, allen voran durch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Wenn wir dann noch mitdenken, dass der Markt – und hier allen voran der freifinanzierte Sektor – de facto die falschen Wohnungen produziert, nämlich zu kleine und zu teure Wohnungen, dann folgt daraus: Es braucht dringend mehr geförderten Wohnbau in Österreich“, warnt Wohnbauexperte Wolfgang Amann.

Es braucht wieder mehr Geld in Form von Wohnbauförderung, steuerliche Erleichterungen und mehr für die Schaffung von Wohnungen und Häusern.

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Wohnbauförderung am Prüfstand

Ein entscheidender Turbo für den Neubau von Wohnraum, egal ob Wohnung, Einfamilienhaus oder Reihenhaus, ist die Wohnbauförderung. Ihre Geschichte geht bis ins Jahr 1954 zurück, sie feiert heuer somit ihren 70. Geburtstag. Allerdings wollen ihr nicht alle Geschenke zu Füßen legen, denn die Wohnbauförderung braucht zweierlei laut Experten und Betroffenen: die Wiedereinführung der Zweckbindung und eine Aufstockung auf 3 Milliarden Euro pro Jahr. 2008 wurde die Zweckbindung abgeschafft, im Bedarfsfall kann das Geld somit auch für andere Projekte oder zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet werden.
Ein Umstand, den man auch seitens des GBV ändern möchte, doch: "Die Wiedereinführung der Zweckbindung ist Bundesländersache. Genauso wie die Umsetzung des Wohnbaupaketes", weiß Obmann Klaus Baringer.

Dabei war das Wohnbauförderungsgesetz von 1954 ein wichtiger Motor in der Finanzierung von Wohnbauten in der Nachkriegszeit. Die Förderung umfasste sowohl Einfamilienhäuser als auch Mehrgeschoßbauten. Insgesamt wurden daraus rund 123.000 Wohnungen und Häuser errichtet, die überwiegende Mehrheit der Mehrgeschoßbauten wurde von gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBVs) errichtet. Die Förderdarlehen deckten bis zu 90 Prozent der Baukosten ab und liefen über einen Zeitraum von 40 bis 70 Jahren. (Quelle: www.wohnbau.steiermark.at)

Im Land Salzburg laufen intensive Gesprächsrunden zwischen der Wirtschaftskammer und dem Land über die Neuaufstellung der Wohnbauförderung. „Um die Herstellungskosten von Wohnraum sowohl bei Miet- als auch Eigentumswohnungen zu senken, müssen speziell die überbordenden Vorgaben und bautechnischen Standards auf ein kostenmäßig vernünftiges Maß reduziert werden. Zum anderen braucht es für die Wohnungskäufer eine finanzielle Absicherung bei Einkommensschwankungen in Form eines Annuitätenzuschusses, um die strengen Vorgaben aus der KIM-Verordnung erfüllen zu können“, fordert WKS-Präsident Peter Buchmüller. Zu beiden Themen hat die WKS bereits konkrete Umsetzungsvorschläge für die weiteren Gespräche ausgearbeitet.

In einem offenen Brief von November 2023 mit dem Betreff "Wohnbau in Not" wenden sich die Obmänner der gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) an die Regierung. Ein wesentlicher Punkt dabei auch die Wohnbauförderung:
"Während die Wohnbauförderungsausgaben der öffentlichen Hand noch nach der Jahrtausendwende bei jährlich bis zu 3 Milliarden Euro (und somit rd. 1,4 % des Bruttoinlandsprodukts) lagen, ist die Wohnbauförderung 2022 bereits auf unter 1,9 Milliarden Euro und somit auf rund 0,4 % des Bruttoinlandsproduktes gefallen. 2022 machten die Rückflüsse aus früheren Wohnbauförderdarlehen 1,42 Milliarden Euro aus, die Einnahmen aus den Wohnbauförderungsbeiträgen weitere 1,30 Milliarden, in Summe sohin 2,72 Milliarden. Dies steht in einem Ungleichverhältnis zu den 2022 von den Ländern in Summe verausgabten Wohnbauförderungsmitteln in der Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Weder die Wohnbauförderungsbeiträge noch die Rückflüsse aus den Wohnbauförderungsdarlehen sind jedoch zweckgebunden. Die Zeiten günstiger Kapitalmarktzinsen sind vorbei, nunmehr muss die öffentliche Hand die gemeinnützigen Wohnbauträger wieder in die Lage versetzen, zinsgünstige Wohnbaufördermittel vermehrt an Stelle hochverzinster Kapitalmarktdarlehen in Anspruch nehmen zu können. Es bedarf daher der
* Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderungsbeiträge und der Darlehensrückflüsse und als Sofortmaßnahme eine
* zweckgebundene Wohnbaumilliarde aus dem Bundesbudget für Neubau von leistbarem Wohnraum."

Wohnbau-Zahlen von 2022

Es wurden 22 546 Gebäude mit insgesamt 77 346 Wohnungen errichtet. Von den baufertiggestellten neuen Gebäuden sind 85,7 % bzw.19 326 Wohngebäude. Die meisten davon sind Ein- und Zweifamilienhäuser (16 370 Gebäude), 2 956 sind Mehrparteienhäuser. In diesen 2 956 Mehrparteienhäusern wurden rund 47 500 Wohnungen fertiggestellt, das entspricht 61,4 % der fertiggestellten Wohnungen 2022. Die restlichen 14,3 % der baufertiggestellten Gebäude sind Nicht-Wohngebäude wie zum Beispiel landwirtschaftliche Nutzgebäude, Industrie und Lagergebäude oder Bürogebäude.

Neben Neuerrichtungen von Gebäuden wurden auch rund 12 100 Wohnungen durch An-, Auf- Umbautätigkeiten an bestehenden Gebäuden 2022 geschaffen – wobei für Wien die auf diese Weise errichteten Wohnungen nicht in den Daten enthalten sind.