Baupraxis | Westausfahrt Wien : Eine Linienbaustelle auf engstem Raum

Aktuell werden die Tragwerke der Wiener Westausfahrt umfassend saniert. 
Bildcredit: Leyrer + Graf

Aktuell werden die Tragwerke der Wiener Westausfahrt umfassend saniert.

- © Leyrer + Graf / ZIMAK - Ziegelwanger Markus

Bis zu 26.000 Fahrzeuge nutzen sie täglich – die Wiener Westausfahrt bildet eine der Hauptverkehrsadern im Westen von Wien. Fertiggestellt wurde die heute parallel zum Wienfluss auslaufende, über die sogenannte Nikolaibrücke diesen in Richtung Westautobahn (A1) querende Westausfahrt 1957. Die letzte große Instandsetzung liegt bereits 40 Jahre zurück und weil es speziell in den vergangenen Jahren zu eklatanten Abnützungserscheinungen – auch im Tragwerksbereich der Brückenkonstruktion – gekommen ist, werden aktuell die Tragwerke der Westausfahrt umfassend saniert. Ziel soll es dabei sein, eine sichere Nutzung der Brückenkonstruktion für die kommenden 20 Jahre zu gewährleisten.

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Für die Sanierungsarbeiten wurde vom Auftraggeber, der Stadt Wien, Leyrer + Graf als Generalunternehmer herangezogen. Welche Herausforderungen sich dabei im Bauprozess stellen und wie man diesen begegnet, hat sich die SOLID Redaktion vor Ort angesehen. Dazu ergänzend gab Florian Wigisser, zuständiger Projektleiter bei Leyrer + Graf, spannende Einblicke in den Projektalltag.

Die Linienbaustelle grenzt stadtauswärts auf der rechten Seite direkt an die ÖBB-Bahnstrecke – im linken Bereich liegt der Wienfluss mit einem Fuß- und Radfahrerweg.
Die Linienbaustelle grenzt stadtauswärts auf der rechten Seite direkt an die ÖBB-Bahnstrecke – im linken Bereich liegt der Wienfluss mit einem Fuß- und Radfahrerweg. - © Leyrer + Graf

Projekt-Eckdaten

  • Auftraggeber: Magistratsabteilung 29 - Brückenbau und Grundbau der Stadt Wien
  • Auftragnehmer/Generalunternehmer: Leyrer + Graf Baugesellschaft m.b.H.
  • Baustellenumfang: Linienbaustelle zwischen Hütteldorfer Brücke und Stützmauer Grünauerbach mit einer Gesamtinstandsetzungsfläche von 12.400 m², auf einer Länge von rund 1.370 m.
  • Sanierung: Erneuert werden Fahrbahnbelag, Abdichtung, Randbalken, Fahrbahnübergänge und sonstige Brückenausrüstung. Außerdem werden Betoninstandsetzungen an den Tragwerken durchgeführt, teilweise müssen diese mit Aufbeton und Kohlefaser-Lamellen verstärkt werden.
  • Projektdauer: April 2023 bis Dezember 2024 (Verkehrsfreigabe Ende Juni 2024)
  • Kosten: Die Gesamtkosten der Sanierung belaufen sich laut Stadt Wien auf 42,3 Mio. Euro.

Projektherausforderungen

Zwischen der Hütteldorfer Brücke und der Stützmauer Grünauerbach erstreckt sich die Linienbaustelle mit einer Gesamtinstandsetzungsfläche von 12.400 m² auf eine Länge von rund 1.370 m. Stadtauswärts grenzt auf der rechten Seite die ÖBB-Bahnstrecke direkt an die Baustelle an – im linken Bereich liegt der Wienfluss mit einem Fuß- und Radfahrerweg. Projektleiter Wigisser erklärt:

  • Florian Wigisser, zuständiger Projektleiter bei Leyrer + Graf.
    Florian Wigisser

    „Durch die Eingliederung der Baustelle zwischen diese beiden, während den Sanierungsarbeiten weiter genutzten Bereiche, sind einerseits die Zufahrten und die Zugänglichkeit der Baustelle begrenzt. Andererseits gilt es, aus Sicherheitsgründen bahnseitig bestimmte Hub- und Schwenkbegrenzungen einzuhalten. Und weil der Wientalradweg auch während der Bauarbeiten für Fußgänger zugänglich bleibt, muss speziell in diesem Bereich auf diverse Sicherheitsaspekte geachtet werden, wie z.B., dass keine herabfallenden Baustellenteile mögliche Passanten gefährden könnten."

    Florian Wigisser ist zuständiger Projektleiter bei Leyrer + Graf.

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Den Projektprozess ins Auge gefasst, ergänzt Wigisser:

Durch die Art einer Linienbaustelle bedingt, und weil die Zufahrten im vorliegenden Fall besonders begrenzt sind, müssen wir den Arbeitsprozess insoweit gestalten, als mittig mit einem Arbeitsbereich gestartet wird und schließlich beide Enden der Baustelle sukzessiv erschlossen werden.
Florian Wigisser

Neben Sicherheitsaspekten und der logistischen Herausforderung der nur begrenzt zugänglichen Linienbaustelle, gibt der Denkmalschutz Erfordernisse vor, die es auch einzuhalten gilt. So muss das äußere Erscheinungsbild weitgehend unverändert bleiben. Ein Auflösen und Wiederversetzen der denkmalgeschützten Stützmauern soll behutsam nach Vorbild des historischen Bestandes durchgeführt werden. Auch die Wahl des Fugenmörtels (Farbe) bedarf der Festlegung des Bundesdenkmalamtes.

Bei Bestandssanierungen im Infrastrukturbereich eine ingenieurtechnisch spannende Thematik, die hier manifest wird, ist die Tatsache, dass sämtliche Instandsetzungsmaßnahmen mit der statischen Dimensionierung der Tragwerke in Einklang gebracht werden müssen. Im vorliegenden Fall heißt das konkret, „dass der Aufbeton nicht mehr als 8 cm betragen darf, der Asphalt nicht mehr als 2 x 4 cm; normalerweise werden hier 3 + 5 + 3cm realisiert. – Wir bewegen uns hier also am Limit.“, erklärt Wigisser und ergänzt, trotzdem sei es aktuell „die beste Lösung, da ein Neubau aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist.“ Ein Thema, dessen Dynamik sich momentan in Österreich bei einigen weiteren größeren Infrastrukturprojekten widerspiegelt.

Last, but not least setzen die aktuellen Temperaturschwankungen betontechnologisch die Anforderungen einer adäquaten Nachbehandlung des Betons. Hierzu weiß Wigisser: „Bei so einer geringen Aufbetonstärke von 8 cm wären Risse fatal – hier müssen also besondere Maßnahme der Nachbehandlung des jungen Betons ergriffen werden.

Um die im Fahrbahnbetrieb aufkommenden Schubkräfte im Auflagerbereich adäquat aufnehmen und ableiten zu können, werden zwischen Aufboten und Bestand dementsprechende Verdübelungen eingebracht.
Um die im Fahrbahnbetrieb aufkommenden Schubkräfte im Auflagerbereich adäquat aufnehmen und ableiten zu können, werden zwischen Aufboten und Bestand dementsprechende Verdübelungen eingebracht. - © K. Lutz

Was saniert wird

Dass der Zahn der Zeit auch vor Brückentragwerken und Co. keinen Halt macht, scheint klar. Beim vorliegenden Projekt zeigt sich aber insbesondere, welche Folgen eine zu geringe Betondeckung haben kann, wie diese noch in den 60er Jahren gängig war. Durch zu geringe Betondeckungen ist es im Tragwerksbereich über die Jahre zu massiven Betonabplatzungen gekommen, die nun die Sicherheit der Gesamtkonstruktion bedrohen.

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Im Einzelnen werden im Großteil der Brücke nun die Kragarme zusammen mit den Randbalken entfernt und mit einer adäquaten Aufbetonschicht neu betoniert. Zudem bringt man eine neue Abdichung auf, realisiert neue Randbalken und einen neuen Fahrbahnbelag. Außerdem gilt es, eine normgerechte, am Stand der Technik liegende Entwässerung mit entsprechenden Ölabscheidern, Verkehrsflächensicherungsschächte genannt, zu realisieren und die weitere Brückenausrüstung zu erneuern. Die witterungsbedingten Abplatzungen im Tragwerksbereich werden überdies mit Aufbeton und Verstärkungen mit Kohlefaser-Lamellen instandgesetzt.

Da die Westausfahrt als Hauptverkehrsader im Westen von Wien gilt, drängt die Frequenz des Verkehrs, der aktuell über die Westeinfahrt umgeleitet wird, zu einer Verkehrsfreigabe. Sohin sieht der Bauzeitplan die Fertigstellung des Fahrbahnbereichs – i.e. Fahrbahnbelag, Geländer, Fahrzeugrückhaltesystem und Beleuchtung – mit Ende Juni 2024 vor. Alle weiteren Arbeiten im unteren Bereich der Fahrbahn, beispielsweise die Errichtung der Entwässerung, sollen schließlich parallel zum Verkehr bis Jahresende (2024) fertiggestellt werden.

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Die Kragarme wurden im Großteil der Brücke entfernt und werden nun mit adäquater Aufbetonschicht neu betoniert.
Die Kragarme wurden im Großteil der Brücke entfernt und werden nun mit adäquater Aufbetonschicht neu betoniert. - © K. Lutz

Sanierung als Hauptthematik

Sowie dieses Projekt – eben durch seine wirtschaftlichen Umstände – einmal mehr die Aktualität von Sanierungsprojekten aufzeigt, wollte das SOLID Fachmagazin wissen, wie man bei Leyrer + Graf diesbezüglich in die Zukunft blickt, und ob seitens des Bauunternehmens neben diesem noch weitere größere infrastrukturelle Sanierungsprojekte in Aussicht stehen. Dazu wusste Wigisser:

In jüngerer Zeit waren wir erst beim Großprojekt A4 zum Großteil mit Sanierungs- und Instandsetzungmaßnahmen beschäftigt. Für den Knoten Schwechat – ebenfalls eine größere Sanierungsbaustelle – haben wir nun den Auftrag gewonnen. Und generell lässt sich vorsichtig formulieren, dass die Instandsetzung und Sanierung für uns als Firma in den kommenden Jahren sicher ein Hauptfeld bilden werden – gerade im Raum Wien wird hier die Sanierungsthematik überwiegen.
Florian Wigisser

Jahrhundertprojekt und Brückeninstandsetzungsprogramm

Parallel zur Sanierung der Westausfahrt startet die Stadt Wien mit den Bezirken 13 und 14 sowie Bürgerinitiativen das zukunftsweisende Projekt "Klimafittes Wiental". Für diesen Prozess werden aktuell die Grundlagen vorbereitet. Damit soll langfristig die Jahrhundertchance genützt werden, das Wiental neu zu gestalten und die beiden Erholungsräume Wienfluss und Lainzer Tiergarten zu verbinden. Die Sanierung der Westausfahrt im Bestand ist ein notwendiger Zwischenschritt, um die Sicherheit der Brücken zu gewährleisten.

Die Instandsetzung der Nikolaitragwerke ist auch Teil des Wiener Brückeninstandsetzungsprogramms, das seit Anfang 2018 läuft. Alle Brücken, die in den 1960er- und 1970er-Jahren errichtet wurden, müssen nach und nach instandgesetzt werden. In den nächsten 10 Jahren werden rund 50 Brücken bereit für die kommenden Anforderungen gemacht - für die Sicherheit der Anrainer*innen sowie aller Benutzer*innen.