Stahlbau : Forschungsprojekt Sandwichplatte für Eisenbahnbrücken

Sandwichbrücken im Querschnitt

Die sogenannte Steel-Concrete-Steel-Composite (SCS)-Sandwichplatte misst 200 mm, wobei jeweils oben und unten 15 mm dicke Bleche sitzen, zwischen welchen 170 mm Stahlbeton und sogenannte Schubleisten liegen, welche die beiden Bleche verbinden.

- © TU Wien

Brückentragewerke im Eisenbahnbau

„SCSC“ steht für „Steel-Concrete-Steel-Composite“, also eine Stahl-Beton-Stahl-Zusammensetzung, die in Form einer Sandwichplatte eine äußerst spannende Anwendung von Stahl bei Brückentragwerken verspricht.
Wie sich die Verbindung von Stahl mit Beton in einer derartigen Sandwichplatte gefunden hat, ist kein Zufall. Eher kann man hier davon sprechen, dass dieser Lösungsansatz als Ergebnis für einen speziellen Anwendungsfall im konstruktiven Ingenieurbau gilt. Neben praktischen Vorteilen gegenüber der bislang konventionellen Lösung verspricht die SCSC-Sandwichplatte auch statisch einiges.

Im Eisenbahnbau bilden Brückentragwerke eine Schlüsselposition, sind sie doch aus nationalen und internationalen Schienennetzen nicht wegzudenken. Alleine in Österreich sind solche überreichlich vorhanden.
Wurde die Konstruktion solcher Brückentragwerke früher in der sogenannten offenen Bauweise ausgeführt, erfüllen Eisenbahnbrücken dieser Bauweise heute nicht mehr aktuelle Anforderungen – insbesondere, wenn es um das Thema Schallschutz und Schallemission geht.

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AKTUELLE AUSGABE

SOLID Bau - Fachmagazin

Offene Bauweise und Schallemission

Diese sogenannte offene Bauweise kennzeichnet sich dadurch, dass im Fahrbahnbereich solcher Brücken das Tagwerk lediglich aus Längs- und Querträgerkonstruktionen besteht und auf den Längsträgern die Schiene über die Schwelle direkt befestigt ist. Durch die direkte Schienen- und Schwellenlagerung sind einer Lärmemission, wenn Züge die Brücke passieren, keine Schranken gesetzt.
Ein Problem, das es generell – sowie die Vermeidung von Schallemission aus diversen Gründen immer mehr an Bedeutung gewinnt –, zu verhindern gilt. Hier ergibt sich die Notwendigkeit, Bestandstragwerke von Eisenbahnbrücken im sogenannten Ersatzneubau generalzuüberholen.

Ersatzneubau, technische Richtlinien im Eisenbahnbau und Problematik

Beim genannten Ersatzneubau werden solch alte, in offener Bauweise gestaltete Brücken durch neue, den aktuellen Anforderungen entsprechende Brücken ersetzt, ohne die Art der Nutzung grundlegend zu ändern.

Neben einigen normativen Vorgaben, welche das Thema Schallemission im Eisenbahnbau adressieren, haben die ÖBB technische Richtlinien konstituiert, die beim Ersatzneubau von Eisenbahnbrücken Folgendes vorschreiben: Neue Brückenkonstruktionen bedürfen eines Schotteroberbaues, bei dem der Gleisrost in einen Schotterkörper, sozusagen in einen Schottertrog eingebettet ist – ein lärmdämmendes Element also, das der erwähnten Schallemission entgegenwirken soll. Dies gilt für sämtliche Brückenneukonstruktionen – sei es nun bei Trogbrücken oder bei Deckbrücken.

Um an die technische Herausforderung bei der Umsetzung ebendieser Vorgabe im Ersatzteilneubau heranzuführen, mag man sich folgende praxisnahen Umstände denken: Die alte bestehende Eisenbahnbrücke weist eine Konstruktionsunterkante (Tragwerksunterkante) und eine Konstruktionsoberkante der Fahrbahnkonstruktion auf, wobei für erstere durch eine bestimmte Verkehrssituation unterhalb der Brücke wenig Spielraum zur Senkung und damit zur Änderung des Lichtraumes gegeben sein wird. Die Konstruktionsoberkante der Fahrbahnkonstruktion hingegen bestimmt sich näher durch die Schienenoberkante. Für diese gilt es ebenfalls, ein Anheben durch einen im Ersatzneubau notwendigen Schotterkörper zu vermeiden. Würde nämlich die Gleis-Nivellette angehoben, so führte dies zu baulichen Maßnahmen vor und nach der Brücke, die u.a. durch entstehende Mehrkosten vermieden werden wollen.

Insoweit ein Schotteroberbau mit einer gewissen Höhe (Regelmaß 550 mm) notwendig ist, die Unterkante der Tragwerkskonstruktion und die Schienenoberkante aber nicht geändert werden sollen, fordert dies eine sehr schlanke Fahrbahnplatte. Klassische Konstruktionen wie beispielsweise Orthotrope- oder Verbund-Platten schließen sich als Lösung demnach aus. Für die Realisierung solch schlanker Fahrbahnplatten bieten sich folglich zwei Lösungsansätze an.

Zwei Lösungsansätze

Im Konstruktiven Ingenieurbau bietet sich eine konventionelle Herangehensweise für solch geforderte schlanke Fahrbahnplatten mit sogenannten Grobblechplatten-Konstruktionen bei Trogbrücken an. Diese messen beispielsweise eine Höhe von 120 mm (Vgl. hierzu: Abb.1). Obwohl damit eine extrem niedrige Bauhöhe zwischen Schienenoberkante und Tragwerksunterkante erzielt werden kann, gibt es für Grobblechplatten zwei wesentliche Nachteile. Erst einmal ist die Marktverfügbarkeit solch dicker Grobbleche begrenzt. Gerade wenn es sich um geringe Tonnagen handelt, zieht dies sehr lange Lieferzeiten nach sich. Überdies ist zweitens die Herstellung der Schweißstöße resp. von äußerst dicken Schweißnähten, die durch eine Plattendicke von 120 mm notwendig werden, technisch herausfordernd.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände gab es seitens der ÖBB eine Anfrage für etwaige mögliche Alternativlösungen, welcher sich die TU Wien, das Institut für Tragkonstruktionen/Forschungsbereich Stahlbau unter der Leitung von Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Josef Fink, annahm. „Das Anforderungsprofil lautete dazumal recht abstrakt formuliert ungefähr: Möglichst schlank, nicht viel dicker als diese 120 mm soll die Fahrbahnplatte sein – oben und unten aus Stahl.“, erinnert sich Fink heute.

Der Lösungsansatz fand sich schließlich in einer Sandwichplattenkonstruktion wieder – näher in einer sogenannten Steel-Concrete-Steel-Composite (SCSC)-Sandwichplatte. Die gesamte Konstruktion misst dabei 200 mm, wobei jeweils oben und unten 15 mm dicke Bleche angeordnet werden, zwischen welchen 170 mm Stahlbeton und sogenannte Schubleisten liegen, welche die beiden Bleche miteinander verbinden.

Obwohl die Konstruktion mit 200 mm dicker ist als bei Grobblechplatten-Konstruktionen, überwiegen in der Gesamtdarstellung ihre Vorteile. Einerseits ist die Marktverfügbarkeit solch dünner 15 mm Bleche deutlich besser, andererseits kann damit die technische Herausforderung für die Herstellung der Schweißstöße bei 120 mm Grobblechplatten umgangen werden und trotz ihrer 200 mm liegt die Umsetzbarkeit ohne Gleis-Nivellette-Anhebung im Rahmen des Machbaren.

Forschungsprojekt Sandwichbrücken

SCSC-Sandwichplatte: Anwendung, Herstellung, Tragmechanismus

Die möglichen Anwendungsbereiche solcher SCSC-Sandwichplatten reichen von Ersatzneubauten bei alten Eisenbahnbrücken in Trogbrückenbauweise mit offener Fahrbahn und Spannweiten von 10-25 m bis hin zum Einsatz als Plattenbrücke mit Spannweiten um 5 m.

Die Herstellung der neuartigen SCSC-Sandwichplatte gliedert sich grob in drei aufeinanderfolgende Arbeitsschritte:

1. Anschweißen der Schubverbinder (Lochdübelleiste) jeweils am Deck-bzw. Bodenblech,
2. Zusammenbau Oberteil mit Unterteil,
3. Einbau der Bewehrung
4. Betonieren

Statisch gestaltet sich die Schubübertragung im Inneren der SCSC-Platte durch die Ausbildung von Druckdiagonalen.

  • Univ.-Prof. DI. Dr. Josef Fink, Leiter des Forschungsprojektes und Institutsvorstand des Instituts für Tragkonstruktionen an der TU Wien

    "Bemessungsrelevant wird hingegen die Tragfähigkeitsbeurteilung für Ermüdungslasten. Dies gilt besonders für die Längsbewehrung, weil es dafür bis dato für diese spezielle konstruktive Situation der Sandwichplatte noch keine Bemessungsmodelle gibt. Nun werden über Versuche diese Bemessungsmodelle für die Längsbewehrung hergeleitet. Das ist eine der Herausforderungen, die uns aktuell beschäftigt.“

Forschungsprojekt SCSC-Sandwichplatte

Die von der TU Wien, vom Institut für Tragkonstruktionen/Forschungsbereich Stahlbau, konzeptuelle Entwicklung des Lösungsansatzes für Ersatzneubauten bei alten Eisenbahnbrücken mit SCSC-Sandwichplatten führte zu einem großen branchenfinanzierten Forschungsprojekt, welches aktuell läuft und sich in Summe über drei Jahre erstecken soll. Dabei erfolgte die Abwicklung des FFG-Forschungsprojektes über die Österreichische Bautechnik Vereinigung (ÖBV).

Bereits vor dem Start des Forschungsprojektes konnten diverse Vorversuche zeigen, dass SCSC-Sandwichplatten eine weitaus höhere Tragfähigkeit liefern, als diese im Ersatzneubau gefordert wird. Im Zuge des Forschungsprojektes wurden die Versuchsreihen schließlich konkretisiert. Experimentelle Traglastuntersuchungen an großmaßstäblichen Plattenelementen und Labortests zur Ermittlung der Schubtragfähigkeit der Verbundmittel der neuartigen SCSC-Platte sowie begleitende numerische Simulationen unter Anwendung der Finite-Elemente-Methode konnten zeigen, dass die Sandwichkonstruktion eine ausgesprochen hohe Tragfähigkeit unter statischen Lasten bei gleichzeitig hoher Duktilität aufweist. Die SCSC-Platte besitzt demgemäß ein hohes Potenzial in Hinsicht auf einen zukünftigen Einsatz in der Praxis.

Als weiterführende Forschungsaufgaben stellen sich aktuell die Entwicklung eines ingenieurmäßigen Nachweismodells sowie die Ermittlung der Ermüdungsfestigkeit der SCSC-Platte dar.

Univ.-Prof. DI. Dr. Josef Fink, Leiter des Forschungsprojektes und Institutsvorstand des Instituts für Tragkonstruktionen an der TU Wien, meint dazu: „Wie wir mittlerweile in Erfahrung bringen konnten, stellt die Tragfähigkeit ohne Ermüdungseinwirkung kein Problem dar. Bemessungsrelevant wird hingegen die Tragfähigkeitsbeurteilung für Ermüdungslasten. Dies gilt besonders für die Längsbewehrung, weil es dafür bis dato für diese spezielle konstruktive Situation der Sandwichplatte noch keine Bemessungsmodelle gibt. Nun werden über Versuche diese Bemessungsmodelle für die Längsbewehrung hergeleitet. Das ist eine der Herausforderungen, die uns aktuell beschäftigt.“

Informationen zum Forschungsprojekt

Das Forschungsprojekt SCSC-Sandwichplatte erstreckt sich insgesamt über drei Jahre, wurde über FFG Forschung eingereicht und konnte im Zuge der Abwicklung über die Österreichische Bautechnik Vereinigung (ÖBV) von insgesamt 20 Sponsoren branchenfinanziert werden.

Im Rahmen der TU Wien, Institut für Tragkonstruktionen, Forschungsbereich Stahlbau, sind Univ.-Prof. DI. Dr. Josef Fink und sein Team unter der Leitung von DI. Dr. Patrik Takács maßgeblich an den Forschungsarbeiten beteiligt.