Allianz Wohnraum für Österreich : Bauträger und Sozialpartner nehmen Politik in die Pflicht
2025: Nur mehr bis zu 11.000 Wohnungen
Stark gestiegene Grundstückspreise, hohe Baupreise und gestiegene Kapitalmarktzinsen bremsen derzeit die Immobilien- und Bauwirtschaft. Wurden 2019 vor Corona noch rund 85.000 Baubewilligungen erteilt, so ist für 2023 ein Rückgang auf nur mehr rund 47.000 Bewilligungen zu beobachten (Quelle: Statistik Austria, Baumaßnahmen). Hinzu kommt, dass viele genehmigte Bauvorhaben derzeit „on hold“ sind und nicht begonnen werden.
Auch die Zahlen der gemeinnützigen Bauträger sprechen eine deutliche Sprache: Wurden 2023 noch 14.900 Wohnungen fertiggestellt (diese Bauleistung lag bereits um 10% unter dem 10-Jahres-Durchschnitt), so werden 2024 14.100 Fertigstellungen erwartet. Im Jahr 2025 ist dann nur noch mit einer Bauleistung von 10.000 bis 11.000 Wohnungen zu rechnen.
Bautenminister gewünscht
Mit Stichtag 25. Juni 2024 wird ein Angebot der Praktiker an die Politik gemacht wird, im Sinne der Gesellschaft mitzuarbeiten. Denn man ist sich einig: Nur ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen, eine starke Allianz aus Politik und Wirtschaft gewährleiste es, die Bau- und Immobilienbranche zu stärken, und so bezahlbaren Wohnraum in Österreich zu schaffen. GBV-Obmann Klaus Baringer dazu: „Wir schlagen eine Allianz vor, in der Bund, Länder und Kommunen vertreten sind und auf Augenhöhe mit allen Branchenverbänden, Vorschläge und Maßnahmen erarbeiten. In Deutschland ist etwas Vergleichbares bereits eingerichtet und nennt sich ‚Bündnis für bezahlbaren Wohnraum‘."
Gefordert wird auch ein Bautenminister: Der letzte Minister, der das Portfolio „Bauten“ im Titel trug, war Heinrich Übleis in der Bundesregierung Vranitzky I bis 1987. VÖPE-Präsident Andreas Köttl: „Seither wird der Wohnbau im Bund stiefmütterlich behandelt und niemand fühlt sich letztverantwortlich. Aus unserer Sicht fehlt es an zwei wesentlichen Elementen: Der Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Wohnbau und Stadtentwicklung sowie der Vermittlung und Koordination zwischen der europäischen und nationalen Ebene. Wir stehen mit unserer Expertise gerne bereit, bei der Umsetzung mitzuwirken.“
Zweckbindung der Wohnbauförderung
VÖPE-Präsident Andreas Köttl weiter:. „Jede Wohnung, die heute nicht geplant wird, wird uns in drei bis fünf Jahren fehlen. Wesentlich für unser Arbeiten sind die Beschleunigung von Verfahren, eine Reduktion von Bürokratie und die Attraktivierung von klimagerechtem Bauen und Sanieren. Dabei ist es unerheblich, welche Rechtsform ein Bauträger aufweist. Denn zeitgemäße Entwicklungsprojekte, wie nachhaltige Quartiere, entstehen aus der Kooperation zwischen gemeinnützigen und gewerblichen Entwicklern und der öffentlichen Hand.“
GBV-Verbandsobmann Klaus Baringer betonte, dass die gemeinnützigen Bauvereinigungen ein wesentlicher Hebel bei der Problembewältigung sein können. „Wir brauchen aber dringend nachhaltige Maßnahmen, beispielsweise in Sachen Wohnbauförderung. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt lagen wir Anfang der 1990er Jahre bei 1,4 % des Bruttoinlandsproduktes, aktuell stehen wir nur mehr bei 0,4 % des Bruttoinlandsproduktes. Eine Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung ist daher das Gebot der Stunde.“
Ausgewogene Wohnraum-Versorgung
Peter Krammer, Obmann Fachverband der Bauindustrie, weiß: „Der Wohnbausektor erlebt derzeit den stärksten Einbruch seit mehreren Jahrzehnten. Die aktuelle Prognose des WIFO für 2024 geht von einem realen Rückgang der Wohnbauinvestitionen um 5,8% aus. Sie sind auf dem niedrigsten Stand der letzten fünf Jahre. Diese Entwicklung spiegelt sich in rückläufigen Baugenehmigungen, Fertigstellungen und insgesamt reduziertem Bauvolumen wider.
Es bedarf einer koordinierten Anstrengung von Politik, Behörden und der Bauwirtschaft, um diese Herausforderungen zu bewältigen und langfristig eine ausgewogene Wohnraumversorgung sicherzustellen.“
Mehrere 1.000 Arbeitsplätze am Bau gefährdet
Mit dabei bei dem Gespräch war auch Bundesvorsitzender Gewerkschaft Bau-Holz und Nationalrats-Abgeordneter Josef Muchitsch. Er forderte Perspektiven ein: „Der stagnierende Wohnbau und seine rückläufige Prognose gefährden nicht nur leistbares Wohnen in Österreich, sondern auch Tausende direkte Arbeitsplätze am Bau sowie in nachgelagerten Branchen. Die aktuelle Entwicklung im Wohnbau führt damit zu einer existenziellen Krise der Bauwirtschaft und ist darüber hinaus ein ernstes Problem in Hinblick auf den Wohnungsbedarf."
Mit über 300.000 Beschäftigten insgesamt in der Bauwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen ist diese Situation für einen der wichtigsten Konjunkturbereiche mehr als nur alarmierend.
Bis Ende Mai 2024 stieg die Zahl der arbeitslos Gemeldeten im Vergleich zum Vorjahresmonat um 9,5 Prozent. In der Baubranche mit einem Plus von 19 Prozent. Mittlerweile haben wir allein am Bau knapp 10.000 gemeldete Arbeitnehmer bei der BUAK (Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse) weniger als im Vorjahr (142.031 zu 132.349) und die Tendenz der Beschäftigtenzahlen zeigt weiter deutlich nach unten.
"Wir brauchen eine neue Perspektive für neue Strukturen. Das zugesagte Geld muss vom ‚Papier in Wien‘ so schnell wie möglich auf den Baustellen in ganz Österreich ankommen – sowohl in der Sanierung als auch im bedarfsorientierten Wohnungsneubau. Nur durch gemeinsames Handeln können wir diese Krise bewältigen und einen positiven Wohnungsmarkt sichern!“, so Muchitsch.