Strabag vs. Deripaska : Strabag-Klage in Russland: Gericht bestätigt Milliarden-Schadenersatz

Download von www.picturedesk.com am 10.04.2018 (09:26). MOSCOW, RUSSIA - SEPTEMBER 21, 2017: Rusal President and Management Board Member Oleg Deripaska ahead of a meeting of Russian President Vladimr Putin with Russian businessmen at the Moscow Kremlin. Sergei Savostyanov/TASS - 20170921_PD4610

Zentral und nach wie vor ungeklärt bleibt die Frage, ob Oleg Deripaska weiterhin als wirtschaftlicher Eigentümer von Rasperia zu betrachten ist.

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In einem weiteren Schritt der juristischen Auseinandersetzungen rund um die Beteiligungsverhältnisse am österreichischen Baukonzern Strabag SE hat das 13. Handelsberufungsgericht in St. Petersburg am Donnerstag die Berufung mehrerer Parteien abgewiesen. Betroffen sind neben der Strabag SE selbst auch österreichische Aktionäre des Konzerns sowie die Raiffeisenbank Russland, eine Tochter der Raiffeisen Bank International (RBI). Damit wird ein Urteil des erstinstanzlichen Gerichts in Kaliningrad vom 20. Jänner 2025 rechtskräftig, das die russische Raiffeisenbank zur Zahlung von über zwei Milliarden Euro Schadenersatz an die Rasperia Trading Limited verpflichtet.

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Diese Entscheidung ist nicht nur juristisch, sondern auch politisch und wirtschaftlich brisant. Rasperia war über viele Jahre ein gewichtiger Aktionär der Strabag SE – und wird mit dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska in Verbindung gebracht, der seit dem Jahr 2018 auf EU-Sanktionslisten steht.

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Hintergrund: Die langjährige Rasperia-Beteiligung

Rasperia Trading Limited, eine in Zypern registrierte Gesellschaft, hielt bis ins Jahr 2022 rund 27,8 Prozent der Anteile an der Strabag SE. Eigentümer der Gesellschaft war laut Recherchen und Unternehmensangaben über Jahre hinweg der russische Unternehmer Oleg Deripaska, einer der bekanntesten Vertreter der russischen Oligarchenelite. Deripaska gilt als langjähriger Vertrauter des Kremls und war bereits 2018 von den USA mit Sanktionen belegt worden. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 folgte auch die Europäische Union mit Maßnahmen gegen ihn.

Im Zuge dieser Sanktionen wurde Deripaska auch in Österreich mit Konsequenzen konfrontiert. Die Rasperia-Beteiligung an der Strabag wurde eingefroren, Dividendenzahlungen gestoppt. Die Strabag SE setzte auf eine klare Abgrenzung und kündigte im Sommer 2022 an, die Rasperia-Stimmrechte ruhend zu stellen, um mögliche Reputationsschäden und operative Risiken zu vermeiden.

Rückzug durch Rückkauf: Strabag übernimmt Rasperia-Anteile

Im Dezember 2023 vollzog die Strabag schließlich einen weitreichenden Schritt: Über eine von ihr kontrollierte Gesellschaft erwarb sie die Rasperia-Anteile zurück und zog diese ein – eine Maßnahme, die als Reaktion auf die geopolitische Lage und die Sanktionen zu verstehen war. Die Aktien wurden zu einem reduzierten Preis übernommen, was unter anderem mit dem faktischen Wertverlust durch das Sanktionsregime begründet wurde. Der Rückkauf wurde in Österreich als strategisch klug bewertet, rief in Russland jedoch rechtliche Gegenmaßnahmen hervor.

Russische Klage: Raiffeisenbank Russland ins Visier

Die nun gerichtlich entschiedene Klage in Russland ist Teil dieser juristischen Auseinandersetzung. Klägerin war Rasperia Trading Limited, vertreten durch eine neue Eigentümerstruktur, deren Verbindungen zu Deripaska unklar bleiben. Die Raiffeisenbank Russland wurde beklagt, obwohl sie formell nicht am Strabag-Deal beteiligt war. Begründet wurde die Klage damit, dass sie mit der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien – einem der Strabag-Großaktionäre – verbunden sei. Diese „Verwandtschaft“ reichte den russischen Klägern offenbar, um Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe geltend zu machen.

Die erstinstanzliche Entscheidung aus Kaliningrad sah die Raiffeisenbank Russland in der Pflicht, die entstandenen „Verluste“ von Rasperia zu ersetzen – konkret durch Zahlung von über zwei Milliarden Euro und die Übernahme von Strabag-Aktien. Mit der Bestätigung des Urteils durch das Berufungsgericht wird diese Entscheidung nun endgültig.

Offene Fragen zur Rolle Deripaskas

Zentral bleibt die Frage, ob Oleg Deripaska weiterhin als wirtschaftlicher Eigentümer von Rasperia zu betrachten ist. Die Juristen der Raiffeisenbank Russland argumentierten in ihrer Berufung, dass Deripaska nach wie vor der eigentliche wirtschaftliche Endbegünstigte sei und somit eine Zahlung unter Sanktionsrecht problematisch wäre. Aus Sicht des russischen Rechts hingegen wurde diese Argumentation offenbar nicht anerkannt.

Eine Sprecherin Deripaskas erklärte gegenüber der APA mehrfach, dass der Oligarch „nicht länger mit Rasperia verbunden“ sei. Unabhängige Nachweise für eine tatsächliche Entflechtung der Besitzverhältnisse liegen bisher jedoch nicht vor.

Politisch-ökonomischer Kontext

Die Entscheidung des russischen Gerichts ist auch als Signal im Spannungsfeld zwischen westlichen Sanktionen und russischer Wirtschaftspolitik zu sehen. Österreichische Banken und Konzerne mit Russland-Geschäft – allen voran die RBI – stehen seit Beginn des Ukraine-Krieges unter zunehmendem Druck. Die RBI ist einer der letzten westlichen Finanzakteure, die nach wie vor operativ in Russland tätig sind. Internationale Beobachter werten den Ausgang des Prozesses daher auch als indirekten Hebel, um Druck auf europäische Unternehmen auszuüben.

Für die Strabag selbst hat das Urteil derzeit keine unmittelbaren Auswirkungen – der Konzern ist nicht zur Zahlung verpflichtet. Dennoch bleibt die Causa ein Risiko auf der politischen und reputativen Ebene. Angesichts der weiterhin ungeklärten Eigentumsverhältnisse an Rasperia und der offenen Frage, in wessen Hände ein allfälliger Schadenersatz tatsächlich fließen würde, bleibt der Fall brisant.

Mit dem Urteil des Berufungsgerichts in St. Petersburg ist eine weitere Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung zwischen Rasperia, russischen Justizbehörden und westlichen Akteuren erreicht. Für die österreichische Bauwirtschaft und ihre internationalen Verflechtungen zeigt der Fall exemplarisch, wie geopolitische Spannungen und wirtschaftliche Interessen in der Praxis aufeinandertreffen – mit potenziell weitreichenden Konsequenzen für Unternehmen, Finanzinstitute und deren Stakeholder.