Konjunktur : Wohnbau-Dauerkrise in Deutschland - und in Österreich?

Ohne eine grundlegende Verbesserung der Rahmenbedingungen droht dem Wohnungsbau in Deutschland nach Einschätzung von Ökonomen, Fachleuten und der Bauwirtschaft eine jahrelange Misere. Denn die rasant gestiegenen Baukosten machen auch den frei finanzierten Wohnungsbau für viele Bauherren unrentabel.

Um die Kosten wieder einzuspielen, müsste die Quadratmetermiete für eine Neubauwohnung derzeit bei rund 18 Euro liegen, schätzt die Kieler Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen.

Der bundesweite Medianwert für den Bau eines Quadratmeters Wohnfläche - inklusive Grundstückskosten - lag nach Berechnungen der Arge im ersten Quartal bei 5.148 Euro, aktuell schätzt eine der führenden Bauforschungsinstitutionen Deutschlands, die Arge, den Wert auf rund 5.200 Euro.

Grundlage der deutschen Wohnungspolitik ist eine Zweiteilung: Der soziale Wohnungsbau wird staatlich subventioniert, weil sich der Bau preiswerter Wohnungen noch nie gerechnet hat. Der frei finanzierte Wohnungsbau soll sich dagegen marktwirtschaftlich selbst tragen, auch wenn dieses Prinzip durch eine Vielzahl von Förderprogrammen verwässert wird.

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Inzwischen rechnen sich aber auch viele frei finanzierte Wohnungsbauprojekte nicht mehr. Der Bundesverband der Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) rechnet für 2024 nur noch mit 214.000 neuen Wohnungen, das Ziel der Bundesregierung liegt bei 400.000.

"Ohne ausreichende Förderbudgets und bessere Baukonditionen wie eine höhere Zinsförderung, einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz oder eine niedrige Grunderwerbsteuer werden wir einen gravierenden Einbruch im Wohnungsbau erleben", prognostiziert Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB). "Mit unabsehbaren Folgen für die Beschäftigten in der Branche, die uns morgen für die anstehenden Bauaufgaben fehlen werden."

"Die aktuelle Lage im Neubau", sagt der Präsident der VIBÖ (Vereinigung der Österreichischen Bauindustrie) und CEO von Swietelsky, Peter Krammer, "ist geprägt von einem starkem Anstieg der Zinsen und dem damit verbundenen Anstieg der Kapitalkosten, strengeren Kreditvergaberichtlinien, steigenden Baukosten, hohen Grundstückspreisen und hohen energetischen Anforderungen an den Neubau - Stichwort Taxonomie. Daraus resultiert natürlich eine gedämpfte Wohnbauaktivität sowohl im gewerblichen als auch im gemeinnützigen Wohnbau."

Viele Projekte würden verschoben. Rückläufige Baugenehmigungen zu rückläufigen Fertigstellungszahlen führen.

Krammer weiter: "Diese Lücke wird bis 2025 noch größer, wenn von der Politik keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, wie zB das Senken der Restriktionen bei der Kreditvergabe an private Haushalte und die Rahmenbedingungen für die sozialen Wohnbauträger."

Der österreichische Bauinnungsmeister Robert Jägersberger sieht die SItuation ähnlich und rechnet auch mit Konsequenzen für nachgelagerte Betriebe.

„Speziell der private Wohnungs- und Hausbau ist bereits stark eingebrochen: wurden 2019 noch Baugenehmigungen für fast 70.000 Wohneinheiten im Bereich Ein- oder Mehrfamilienhäuser erteilt, so ist diese Zahl im abgelaufenen Jahr 2022 bereits auf knapp 47.000 Einheiten gesunken. Für 2023 und 2024 werden überhaupt nur noch rund 41.000 Genehmigungen erwartet. Aufgrund der schwierigen Umstände ist damit zu rechnen, dass vielleicht nicht einmal die Hälfte der bewilligten Objekte tatsächlich umgesetzt wird. Das wird sich massiv auf die Auftragssituation am Bau und nachgelagerte Branchen im Handwerk und Gewerbe, aber auch auf Zulieferer wie die Ziegel-, Beton- oder Holzindustrie auswirken. Ich gehe von mindestens zwei schwierigen Jahren aus“, so Jägersberger.

Jägersberger fordert ein rasches und wirksames Gegensteuern in folgenden Bereichen:

1. Aufwertung der Wohnbauförderung: "Die Wohnbauförderung sollte wieder für die Schaffung oder Sanierung von Wohnraum zweckgewidmet und der Beitrag des Bundes wesentlich erhöht werden. Angesichts der stark gestiegenen Kosten müssen die Baukostenobergrenzen dringend inflationsangepasst werden, damit die Förderung überhaupt in Anspruch genommen werden kann."
2. Förderung der Energiewende: "Die Bauwirtschaft unterstützt das Ziel im Regierungsprogramm, die Sanierungsrate in Richtung 3 Prozent zu steigern. Die Sanierung der Gebäudehülle ist der wichtigste Hebel zur Energieeffizienz im Wohnbereich. Mit einem transparenten und einheitlichen Förderregime ließe sich die Energiewende wirtschaftlich sinnvoll vorantreiben – so könnten etwa die Dekarbonisierungs-Instrumente von Bund und EU für die Sanierung als auch den Neubau in einer eigenen Förderschiene gebündelt und unbürokratischer gestaltet werden."
3. Erleichterte Finanzierung: "Die Bauwirtschaft fordert die Aufhebung der KIM-Verordnung, die den Banken restriktive Hürden für die Kreditvergabe auferlegt und somit Baufinanzierungen verhindert. Das Instrument war in Zeiten von Nullzinsen von der Finanzmarktaufsicht (FMA) dazu gedacht, eine befürchtete Überhitzung des Immobilienmarktes zu verhindern – davon kann jetzt keine Rede mehr sein. Damit Wohnraum wieder leistbar und finanzierbar wird, sollte darüber hinaus die Grunderwerbssteuer gesenkt werden. Zudem wäre eine Eigenheim-Investitionsprämie für die erstmalige Wohnsitzgründung genauso denkbar wie eine Reduzierung der Umsatzsteuer bei Wohnraumschaffung und Sanierung."

In dasselbe Horn stößt der Chef der Bau- und Holzgewerkschaft Josef Muchitsch: „Auch wir als Gewerkschaft sehen kurz- und mittelfristig leider überhaupt keine Entspannung für die Baubranche in Österreich. Vor allem der private Hausbau, aber auch der geförderte Wohnungsbau brechen völlig weg. Deshalb haben wir gemeinsam mit unseren Bausozialpartnern bereits im Juni ein 9-Punkte-Programm zur Stabilisierung der Baunachfrage ausgearbeitet. Unsere Maßnahmen liegen auf dem Tisch, jetzt ist die Politik ist gefordert endlich zu handeln."

>> Hören Sie hier Josef Muchitsch im Solid-Podcast-Gespräch: "Bauen muss gestützt werden"

Die Punkte des Programms sind:

1) Erhöhung und Zweckwidmung der Wohnbauförderung
2) Anpassung der Wohnbauförderrichtlinien
3) Nachvollziehbare und realisierbare Linie bei der Energiewende
4) Zinszuschuss bei Wohndarlehen
5) Investitionsprämie Eigenheim
6) Bundesförderschiene Dekarbonisierung
7) Spielraum bei Kreditvergaben nützen
8) Valorisierung der Schwellenwerteverordnung
9) „Kurzarbeit Neu“