Ein zweites Thema, das wir beim Wohnbau zunehmend haben, ist die Sanierung. Da gibt es ja einen ähnlichen Mythos, der vielleicht nicht ganz so brutal ist und aber besagt: es wird viel zu wenig saniert und es wird sogar immer weniger. Sie schreiben: das stimmt eigentlich nicht, es wird genau gleich viel saniert, aber es wird halt umso viel mehr neu gebaut. Aber die Frage ist tatsächlich auch: Wie kommt man mit der Sanierung weiter? Denn wenn alles so passiert, wie sich die Europäische Kommission das vorstellt, kommen am Ende noch 10 % Neubau heraus, wenn überhaupt. Der Rest muss Richtung Sanierung gehen. Wie kann sich das ausgehen?
Kreutzer: Auch da gibt es recht interessante Dinge. Es gibt ja von der Kommission das Sanierungsziel von jährlich drei Prozent vom Bestand - bei dem übrigens kein Mensch weiß, wie die zustande gekommen sind und ich habe da wirklich lange recherchiert! Drei Prozent klingt nicht viel. Es bedeutet aber, dass man jedes Haus alle 33 Jahre komplett durchsaniert. Wenn ich ein Anbieter von Baumaterial wäre und meine Dinge über Qualität und Haltbarkeit verkaufe, würde ich das schon in Frage stellen. Also die drei Prozent kann keiner wirklich nachvollziehen. In Österreich haben wir übrigens bei manchen Bauteilen diese drei Prozent. Bei Fenstern liegen wir konstant dort oder sogar drüber.
Die Fensterbranche macht aber auch gutes Marketing, nicht?
Kreutzer: Die Fensterbranche gibt im Jahr mehr als 12 Millionen Euro nur für Media Werbung aus. Das macht sonst überhaupt keiner. Da gibt es wirklich starke Marken und die tun mit ihrer Werbung was für den Sanierungsmarkt. Für den Neubau brauchen sie ja nichts zu tun, das geht von selber. Das machen zum Beispiel die Dämmstoffhersteller bei weitem nicht in diesem Ausmaß, die rufen sehr viel nach Förderungen. Und die Dachhersteller liegen so dazwischen. Da gibt es zwei Marken, vielleicht drei, die ab und an ein bisschen Werbung machen. Aber wir haben bei der Fassade eine Sanierungsquote von wahrscheinlich circa eineinhalb und beim Dach von circa einem Prozent. Dächer werden eigentlich alle 100 Jahre saniert, nur jetzt in den letzten zwei Jahren war es mehr, weil wir so viele Hagelunwetter gehabt haben.
Und was kann man tun, um die Sanierungsrate zu erhören?
Kreutzer: Wenn wir wollen, dass wir deutlich mehr sanieren, dann müssen wir den Hebel vor allem bei Haushalten ansetzen, die sich eine Sanierung nicht leisten können. Wir reden ja hier vor allem von Einfamilienhäusern. Im mehrgeschossigen Wohnbau gibt es ein anderes Problem - da ist es eher der Entscheidungsprozess, der sehr kompliziert ist und dem man vereinfachen sollte.
Im Einfamilienhaus haben wir - und das sind Zahlen von der Österreichischen Nationalbank, die zwar schon ein paar Jahre alt sind, aber nicht so falsch sein werden - circa 440.000 Einfamilienhäusern, in denen Menschen mit einem Haushaltseinkommen von weniger als 1.500 Euro leben. Man kann davon ausgehen, dass die sich damit ihr Haus nicht sanieren lassen können. Und deswegen denken wir, dass man einen Hebel benötigt, der angelehnt ist an die sehr spannende „Ölkessel raus“-Kampagne. Dort wird ja bis zu 50 % der der Investition gefördert und in Teilbereichen sogar die komplette Investition. So was brauchen wir im thermischen Bereich auch. Wir müssen vor allem die Förderung auf jene Haushalte ausrichten, die sich das nicht leisten können und die auch nicht einmal mehr eine Fremdfinanzierung kriegen, wobei Sanierungen sehr, sehr selten fremdfinanziert werden und der Sanierungsscheck ja auch nur einen kleinen Teil abdecken kann.
Das heißt wir müssen das ganze Förderpaket dahin ausrichten, dass wir eine gewisse Anzahl von Komplettsanierungen bei Einfamilienhäusern finanzieren und dafür mit dieser Investition ins Grundbuch hineingehen. Wenn wir das machen würden, könnten wir jedes Jahr 20- bis 30.000 Einfamilienhäuser, die sonst in keinem Fall saniert werden, zusätzlich in den Markt bringen, Das wäre ein Hebel, der mir gefallen und der funktionieren würde – im Gegensatz zu einer Gießkannenförderung bei jemandem, der eh genug Geld hat und der die 5.000 Euro Förderung dann nimmt, um sich die Ledersitze in seinem BMW finanzieren zu können. Also dafür brauchen wir es wirklich nicht.
Was bedeutet das für die Bauwirtschaft? Die hat ja den Ruf, eher ungern zu sanieren und lieber neu zu bauen, weil das einfacher geht.
Kreutzer: Wir werden sicher - so wichtig die Sanierung und die Dekarbonisierung der Gebäude und das Herrichten der Gebäude ist - vielleicht auch einen genaueren Blick darauf werfen müssen, wo macht Sanierung noch Sinn macht und wo keinen? Und eines ist auch klar und das ist schon mit ein Grund, warum Renovierungen eigentlich unattraktiv sind: Die Wertschöpfung pro Arbeitnehmer ist bei einer Sanierung deutlich geringer als im Neubau. Für eine fachgerechte Sanierung brauche ich wesentlich mehr Manpower, ich brauche auch bessere Facharbeiter, weil im Bestand bauen immer schwieriger ist, als ein neues Gebäude hochzuziehen.
Die großen Baukonzerne haben daher zwar auch Sanierungen, aber eher im großvolumigen Wohnbau und ansonsten sind sie auf Neubau ausgerichtet. Aber gerade für die kleine und mittelständische Bauwirtschaft - und zwar Bauhaupt- und Baunebengewerbe - ist natürlich die Sanierung, die Renovierung von Einfamilienhäuser das eigentliche Betätigungsfeld.