Energiekrise : "Zentrale Kompetenz bei Energiesituation fehlt" - was Top-Baupersönlichkeiten zur Strom- und Gaskrise sagen

Energiekrise

Die Energiekrise wird in der Bauwirtschaft sehr ernst-, aber durchaus unterschiedlich wahrgenommen.

- © Miha Creative - stock.adobe.com

Strabag-Birtel: "Niemand kann sagen, wie es weiter geht"

Die Steigerungen bei den Energie- wie auch vielen anderen baurelevanten Preisen haben zwar bereits im Sommer 2021 begonnen, der Ukrainekrieg und seine Dauer lassen allerdings die Bezeichnung "Energiekrise" als durchaus berechtigt für die gegenwärtige Situation erscheinen. Wir haben fast ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn einige der selben, aber auch ein paar neue Führungsfiguren aus der österreichischen Baubranche nach ihrer Einschätzung und den Zukunftsperspektiven gefragt.

Lesen Sie hier: aktuelle PwC-Studie "Wie die Baubranche den Krisen begegnet"

Thomas Birtel, als Strabag-CEO nicht nur Chef des größten österreichischen, sondern auch des sechstgrößten europäischen Baukonzerns, versucht in gewohnter und bewährter Weise, sich nicht kopfscheu machen zu lassen: "Nach ein paar sehr dynamischen Monaten stellen wir eine gewisse Stabilisierung – wenn auch auf äußerst hohem Niveau – fest. Das bringt zumindest ein Stück weit Planbarkeit zurück, was auch der ungebrochene Auftragseingang belegt. Allerdings kann natürlich niemand von uns vorhersehen, wie es weitergeht. Da geht es unserer Branche wie allen anderen."

Strauss sieht Versorgung gewährleistet, prangert aber "Kopflosigkeit" der Regierung an

"Wir als Unternehmen und die gesamte Baubranche befinden uns in einer sehr herausfordernden Lage", attestiert Porr-CEO Karl-Heinz Strauss und setzt fort: "Wir müssen die Situation bei Strom, Diesel und Gas differenziert betrachten. Die Anhebung der Strompreise hat für uns beispielsweise geringere Auswirkungen, da auch unser Strombedarf im Vergleich zu Diesel und Gas geringer ist. Den größten Impact sehen wir bei Gas. Die Gaspreise sind um 200 % gestiegen und das hat auch für uns enorme Auswirkungen."

Video: Diskussion der WEKA-Industriemedien-Chefredakteure über die Auswirkungen des Ukrainekriegs (24.3.2022)

Mit einer vorausschauenden Beschaffungsstrategie hätte die Porr bisher den gesamten Energiebedarf abdecken können, so Strauss weiter. "Für 2022 und 2023 ist die Produktionssicherheit auf jeden Fall gewährleistet und auch für die Jahre darauf sind wir zuversichtlich, den Energiebedarf decken zu können." Zudem werde derzeit der Bereich Photovoltaik ausgebaut und die Beschaffung gebündelt.

Kritischer ist - siehe oben - die Gassituation. "Zu unserem aktuellen Fokus gehört da z.B., dass wir die Gasverbrauchsstellen, also z.B. die Mischwerke, die Gas verbrauchen, nach Möglichkeit auf Heizöl umstellen. Zudem kommen wir nicht umhin, auch unsere Preise an die gestiegenen Energiekosten anzupassen, was naturgemäß zu einer Erhöhung der Baupreise führt. Längerfristig geben wir in unseren Verträgen der Preisgleitung gegenüber den Fixkosten den Vorzug."

Besonders kritisch zeigt sich der Porr-Chef wie schon öfters gegenüber der Politik: "Nach wie vor fehlt beim Energiethema die zentrale Kompetenz in der Regierung und man hat das Gefühl, dass hier komplett kopflos agiert wird. Das zeigt, dass das Energiethema zumindest derzeit zentral gemanagt werden muss; das heißt, es muss jemanden geben, der sich ausschließlich damit beschäftigt. Das ist umso wichtiger, als die EU bekanntlich die Mitgliedstaaten auffordert, den Gasverbrauch in Europa bis zum nächsten Frühjahr um 15 Prozent verringern."

STrauss Porr
Porr-CEO Karl-Heinz Strauss - © Porr AG/ALEXANDRA EIZINGER
Es gibt in der Energiewirtschaft und in Teilen der Zulieferindustrie enorme Windfall-Profite, die man mit krisenbedingten und vorübergehenden steuerlichen Maßnahmen für das Gemeinwohl lukrieren könnte.
Karl Weidlinger, CEO Swietelsky AG
© Karl Weidlinger

Weidlinger sieht "verfehlte westliche Sanktionspolitik"

Aufhorchen lässt der im kommenden Jahr in den Ruhestand gehende CEO der Swietelsky AG Karl Weidlinger. Er sieht ein Schadenspotenzial der aktuellen Eskalationsspirale, das einen "wirtschaftlichen Flächenbrand in Zentraleuropa immer wahrscheinlicher" werden lässt. "Ein Gas-Lieferstopp aus Russland würde hunderttausende gut bezahlte industrielle Arbeitsplätze und vielen Menschen die wirtschaftliche Existenz kosten. Das kann zu massenhaften sozialen Unruhen und Sicherheitskrisen führen. Die Gründe für diese gefährliche Entwicklung liegen, abgesehen vom militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine, in der westlichen Sanktionspolitik, die ihr Ziel offenkundig verfehlt und wie ein Bumerang auf die eigene Bevölkerung zurückfällt. Die kurzfristigen und langfristigen Folgen einer Gasknappheit sind sozial, wirtschaftlich und ökologisch unvertretbar. Ich hoffe, dass Vernunft einkehrt, diplomatische Gespräche ein Ende dieses schrecklichen Krieges bewirken und die Sanktionen mit all ihren absurden und kontraproduktiven Auswirkungen beendet werden."

Davon abgesehen wolle er "dringend dazu auffordern, sachlich unbegründeten Preissteigerungen, die es derzeit auch in hohem Ausmaß gibt, entgegenzuwirken. Es gibt in der Energiewirtschaft und in Teilen der Zulieferindustrie enorme Windfall-Profite, die man mit krisenbedingten und vorübergehenden steuerlichen Maßnahmen für das Gemeinwohl lukrieren könnte. Sehen wir uns doch genau an, welche Unternehmen in dieser Situation und im langjährigen Vergleich völlig überproportionale Gewinne ausweisen und gleichzeitig massive Preissteigerungen durchführen. Ohne Namen zu nennen: Ich kenne einige.“

Zement-Präsident Berthold Kren: "Krise wird mehr Entschlossenheit und Zusammenarbeit benötigen als die ersten Wellen der Pandemie"

Die Zulieferer sind mit ihrer direkten Energie- und Energiepreisabhängigkeit naturgemäß ebenfalls extrem betroffen von der gegenwärtigen Situation. So sieht Lafarge-Österreich-CEO und Neo-VÖZ-Präsident Berthold Kren derzeit ein reines "Fahren auf Sicht, eine langfristige Planung ist derzeit extrem schwierig."

Kren weiter: "Ein Ende der Preisexplosion für Strom und fossile Brennstoffe ist nicht abzusehen und wird nachhaltig die Kosten und damit auch die Preise hoch halten. Dies könnte ein ernstzunehmendes Problem werden. Es bedarf eines kühlen Kopfes, um die Situation zu meistern."

In seinem Unternehmen werde der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern weiter beschleunigt und erneuerbare Energie forciert, Energie sparen und Effizienz stünden ganz oben auf der Liste, Projekte und Ideen würden untersucht und mit Nachdruck vorangetrieben.

Die letzten in der Politik angekündigten Maßnahmen zur Einschränkung der Teuerungswelle seien ein guter Anfang, "aber können noch nicht das Ende sein. Strategien müssen mit Richtlinien und Vorgaben raschest umgesetzt werden. Diese Krise wird letztendlich mehr Entschlossenheit und Zusammenarbeit benötigen als die ersten Wellen der Pandemie."

Spaun und Kren
Berthold Kren (re.) bei seiner Vorstellung als VÖZ-Präsident Anfang Juli - © WEKA/Thomas Pöll

Flashback: das sagten die Granden und KMU-Vertreter Ende März 2022

Baumit-Bursik will innovative Energieträger und thermische Sanierung forcieren

Ein weiterer Vertreter eines großen Zulieferers, der Wopfinger Gruppe, ist Baumit-Geschäftsführer Georg Bursik. Er sieht wie Karl-Heinz Strauss den großen Unterschied zwischen Strom (verfügbar, aber extrem hoher Preis - "vor einem Jahr kostete die MWh ca. 55 Euro, heute 380 - das ist das Siebenfache!") und Gas mit der unklaren Versorgungssicherheit.

Baumit habe schon in der Vergangenheit ständig die Energieeffizienz verbessert, "auch deshalb, weil Energie immer ein hoher Kostenfaktor war. Wirklich große Energieeinsparungen sind aber nur mit Produktionsrückgängen erzielbar. Das bedeutet Wertschöpfungsverlust und das bedeutet Wohlstandsverlust, sowie steigende Arbeitslosenzahlen. Ich darf daran erinnern, dass ein Arbeitsplatz in unserer Branche fünf weitere Arbeitsplätze für Zuliefer- und Servicebetriebe schafft."

Parallel arbeite man schon seit längerem an einer grünen Alternative. "Mit unserer versuchstechnischen Großanlage, einem Vergaser, ist es unserem Team bereits gelungen, GreenGas mit hohem Wasserstoff- und Methangehalt, aus Reststoffen der Papierindustrie, herzustellen. In Zukunft könnte dieses Green Gas als innovativer Energieträger zum Einsatz gelangen. Hier benötigen wir allerdings noch Zeit, da es keine vergleichbaren Anlagen gibt und wir unser „Lehrgeld“ selber erarbeiten müssen."

Die beste Energie sei aber auch für die Haushalte die, die man nicht verbraucht. Daher bricht Bursik wie auch in anderen Zusammenhängen seine Lanze vehement für thermische Sanierung. "Es ist vollkommen logisch, das sinnvollste ist, zuerst ein Haus thermisch zu sanieren und erst dann eine kleiner dimensionierte Heizung, oder Wärmepumpe zu installieren. Und wie bekannt ist, verursacht der Heiz- und Kühlbedarf ein Drittel des österreichischen Energiebedarfs."

Georg Bursik Baumit-Geschäftsführer
Baumit Österreich-Geschäftsführer Georg Bursik: "Strom kostet uns das Siebenfache von vor einem Jahr" - © Baumit
Wir brauchen Mut zur Vielfältigkeit, Mut zu neuer Technologie, fast alles sollte erlaubt und gefördert werden - und dann optimiert.
Peter Zeman, CEO Zeman Gruppe
© Privat

Waagner Biro- und Zeman-Gruppe-Chef Peter Zeman: "Schritt für Schritt Lösungen finden"

Abschließend eine sehr prononcierte Stimme aus dem Stahlbau, der mit seinen Vorprodukten ebenfalls stark und schon von vor Kriegsbeginn an von Preissteigerungen betroffen ist. Zeman-Gruppen-Chef Peter Zeman hat vor zwei Jahren mitten in der ersten Corona-Zeit die traditionsreiche Waagner Biro Steel & Glass gekauft, vergleicht die derzeitige Situation auch mit der Pandemie und schöpft daraus gewisse Hoffnung: "Ich hoffe, Politik und Medien konnten klar machen, dass die Situation ernst ist - damit der Aufprall zumindest in psychologischer Hinsicht nicht so hart wird. Viel Entwicklung hat es sonst nicht gegeben. Aber Corona hat gezeigt, was alles in kürzester Zeit möglich ist - Entwicklung von Tests und Impfstoffen, Aufbau von Test- und Impfstrassen, Hilfszahlungen, Corona-Kurzarbeit."

Weniger zuversichtlich stimmen ihn Dinge wie, dass nach wie vor Industriedächer größtenteils ohne PV Anlagen gebaut werden, obwohl "wir seit einem halben Jahr in Angst vor einem Gaslieferstopp leben. Wie wäre es mit einer Verpflichtung?

Generell plädiert der im Stahlbau als Vordenker und unermüdlicher Antreiber geltende Zeman für eine Politik des Trial end Error. "Die Suche nach der einen, alles abdeckenden Lösung ist Schwachsinn, diese ergibt sich vielleicht irgendwann nach einem evolutionären Prozess. Jetzt brauchen wir Mut zur Vielfältigkeit, Mut zu neuer Technologie, fast alles sollte erlaubt und gefördert werden - und dann optimiert."

Das Wichtigste aber sei ein echtes Kriegsende, sagt der Unternehmer. "Mir ist es nicht verständlich, dass ‘der Westen’ diplomatische Lösungsansätze völlig ausklammert und diese damit anderen wie Iran, China, Türkei, Indien etc. überlässt. Irgendwann ist auch dieser Krieg vorbei, oder man lebt nach dem Muster des Nahost Konfliktes damit. Wer hat dann die Grundlagen für einen solchen Frieden gelegt, wessen Interessen, wessen Moralvorstellungen sind enthalten? Sind der diplomatische Rückzug und die politische Polarisierung Europas wirklich so genial?"