STAHLBAU AKTUELL 2020 : Zeman und Waagner Biro: ein perfektes Paar

Ende August schlug die Meldung vom Kauf der Stahl- und Glasdivision der Ende 2018 pleite gegangenen Waagner Biro AG durch die Zeman Beteiligungs Ges.m.b.H. in der heimischen Baubranche wie eine Bombe ein. Eine Bombe allerdings, über die sich – fast möchte man sagen: ganz unösterreichisch – alle freuen.

Das positive Echo innerhalb der Firmen und auf allen Social-Media-Kanälen war fast schon überwältigend und Neo-Stahlbauverbandspräsident Arno Sorger, selber ja Stahlbauunternehmer, kommentierte: „Ich bin sehr froh, dass es diese Fusion gibt, weil es einfach tolle Projekte sind und es die dann hoffentlich auch weiterhin geben wird.“

Dieser Artikel stammt aus dem von der SOLID-Redaktion gestalteten Magazin STAHLBAU AKTUELL 2020 - HIER zum ePaper!

Die Geschichte dieser Übernahme ist deshalb so spannend, weil sie ein Beispiel dafür ist, dass Österreich zwar ein relativ kleines Land ist, aber dass man das achselzuckende Mantra vom unvermeidlichen Ausverkauf der besten Filetstücke von ins Schlingern geratenen heimischen Unternehmen ans Ausland nicht mitsingen muss. Wie also genau lief dieser Deal, bei dem Peter Zeman dem VAE-Geschäftsmann Abdullah Al Mansouri die Waagner Biro Steel and Glass mit ihrem Kopf Johann Sischka abkaufte?

Was in Abu Dhabi geschah

„Die wahre Geschichte ist“, sagt Zeman, „dass hier zwei Unternehmen zusammengefunden haben, die besser zusammenpassen, als man es sich erträumen kann. Und natürlich spielt auch der Zeitpunkt eine gewisse Rolle. Für unsere Seite war es notwendig, ein paar gute und sehr gute Jahre gehabt zu haben – und vom Einschnitt bei Waagner Biro weiß man ja.“

Im Winter 2018/19 hatte die damalige Waagner Biro AG in eine viel beachtete Insolvenz gehen müssen und wurde in ihre Teile aufgespalten. Grund dafür waren Schwierigkeiten mit Zahlungsausfällen bei vor allem zwei großen Projekte: der Kuppel über dem Louvre von Abu Dhabi und eines Teils des Gazprom Towers im russischen St. Petersburg. – Was wenige wissen: beim Louvre einigte man sich einige Zeit nach dem Kollaps der AG finanziell und hätte das früher stattgefunden, gäbe es die „alte“ Waagner Biro vielleicht sogar noch.

Bevor das alles passierte, hatten Zeman und Waagner Biro zwar schon seit vielen Jahrzehnten und noch in älteren Generationen bei etlichen Projekten wie dem Einkaufszentrum Zlote Tarasy in Warschau oder dem Flughafen von Baku in Aserbaidschan (Gewinner beim SOLID Bautechpreis 2015, Anm.) sehr gut zusammengearbeitet. Zeman: „Jetzt war der Zeitpunkt da, wo wir eigentlich über einen Plaudertermin begonnen haben, in Richtung Verehelichung zu gehen.“

Insgesamt ging die Sache fast schon abenteuerlich schnell, Zeman und Johann Sischka sprechen von knapp drei Monaten vom ersten ernsten Gespräch bis zur Unterschrift. Geholfen hat sicher, dass Zeman auch derjenige gewesen war, der mit Sischka vom Abend des Bekanntwerdens des Crashes an immer wieder in Kontakt gewesen war.

Zwei Schienen, lokale Identitäten und eigene Fertigung

Die Aufgabenverteilung bei bisherigen Projekten (Zeman war zumeist „klassisch in der Subunternehmerrolle) und die Profile der beiden Firmen Zeco und Waagner Biro Steel & Glass (die nun beide 100-Prozent-Töchter der Zeman Beteiligungs Ges.m.b.H. sind) ist dabei der Schlüssel zur Idee hinter der Neuaufstellung. Zeman: „Wir verstehen uns wechselseitig sehr gut in der Technik und haben sozusagen die gleiche Sprache gesprochen. Ich halte auch beide Unternehmen für lösungsorientiert im Gegensatz zu manchen anderen, die sich auf Probleme fixieren und daraus ein Geschäft zu machen versuchen.“

Der Unterschied in den Akquisitionsschienen soll nun zur Stärke werden: Während Zeman hauptsächlich im Bau- und Industriebereich vernetzt ist, operiert Waagner Biro vornehmlich in der Architekturwelt. „Das ist eine Ergänzung wie im Traum: wir verstehen uns, wie man die Projekte macht und können beide Schienen zueinander führen und auch wechselseitig verwenden.“ Waagner Biro Steel & Glass-Geschäftsführer Johann Sischka: „Das Potenzial und die Akzeptanz sind wirklich phänomenal. Ich hatte mich zwischendurch einmal drei Tage herausgenommen und als ich zurückgekommen bin, wurde bei einem polnischen Projekt schon voll zusammengearbeitet. Die Erweiterung des Netzwerks und der Produktpalette geben uns riesige Möglichkeiten.“

Zusätzlich kann die Zeman Gruppe nun nicht nur auf diesen zwei Schienen spielen, sondern auch eine international höchst spannende Konstellation nützen: Die Zeman Beteiligungs Ges.m.b.H. hat 100 Prozent der Waagner Biro Steel & Glass in Wien gekauft. An dieser Firma hängen 100 Prozent der Waagner Biro Ltd. in London (wodurch der Markt Großbritannien bedient wird) und 49 Prozent der Waagner Biro Emirates in Abu Dhabi und Dubai, an der der vorherige Gesamteigentümer Abdullah Al Mansouri weiter 51 Prozent hält. „Al Mansouri spielt dort weiter seine Qualitäten aus und kümmert sich um den asiatischen Raum“, sagt Zeman. Sischka: „Und durch die wirklichen 51 Prozent im Gegensatz zur dort oft üblichen Sleeping-Partner-Beteiligung ist er auch tatsächlich aktiv und hat Zugänge und Möglichkeiten, die du als ausländische Firma einfach nicht hast. In Europa tun wir uns wieder leichter, was den Verkauf sicher erleichtert hat.“ Die in der nun etwa 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählenden Zeman Gruppe verankerte Waagner Biro kann somit in den Emiraten und Asien als VAE-, in Großbritannien (in Brexit-Zeiten ein Riesenvorteil) als britische und auf dem Kontinent als mitteleuropäische Firma auftreten, die Bau- und die Architekturschiene nützen und hat noch dazu mit drei von der Zeman-Seite kommenden Werken im österreichischen Scheifling, im polnischen Oberschlesien und der Türkei auch geografisch gut aufgesplittete Produktionsstandorte, die sich wechselseitig unterstützen können. Zeman macht das im Übrigen genauso und ist etwa in Polen unter dem Namen Zeman HDF als lokale polnische Firma präsent. „Genauso wie in der Türkei – das entspricht also voll und ganz unserer Firmenphilosophie“, sagt Peter Zeman. Sischka: „Das mit den Fertigungsbetrieben möchte ich unterstreichen. Es ist gegenüber den Kunden ein Riesenvorteil, wenn man nicht nur eine Engineering-Büro ist, das nicht selbst fertigt. Wir haben uns da eine Zeit fast rechtfertigen müssen und haben auch den einen oder anderen Auftrag aufgrund dessen nicht bekommen. Jetzt sind wir mit einem Mal besser aufgestellt als alle unsere Konkurrenten.“

„Es sind noch alle Zukäufe gewachsen“

Gibt es einen Horizont, innerhalb dessen sich für Zeman die Investition rechnen soll? Peter Zeman: „Die Zeman Beteiligungs Ges.m.b.H. war ja nie ein Finanzinvestor. Wir sind operativ voll involviert und ich kann sagen, dass noch bei allen Firmenzukäufen die Anzahl der Mitarbeiter gestiegen ist. Mir geht es darum, die Unternehmenswerte aufzubauen und nicht darum, Geld rauszunehmen. Das kommt irgendwann, weil die Firmen mitsammen eine bessere Qualität und mehr Wert haben als einzeln. Es gibt keinen Druck und wir werden auch schauen, ob irgendwo eventuell sogar noch Investitionen nötig sind. Wir haben zum Beispiel gerade jetzt eine Kapitalerhöhung vorgenommen. Aber wir können natürlich nicht alles voraussehen, schon gar nicht in Krisenzeiten wie jetzt durch das Virus. Wenn die Wiederaufbauprogramme definiert sind, wird man klarer sehen. Wenn das mit dem Impfstoff länger dauert, werde ich länger auf das Geld warten müssen. Und ich hoffe, dass es in der Politik und der Diplomatie irgendwann einen Kulturwandel gibt, denn das ständige Draufhauen und Sanktionieren schadet nur den jeweiligen Bevölkerungen und schürt Ressentiments, die irgendwann zurückkommen. Es gäbe auch in der Politik noch andere Möglichkeiten und es geht genauso wie bei Unternehmen darum, Lösungen zu suchen und nicht Probleme.“

Peter Zeman (li.) mit Waagner Biro-Stahl und Glas-Geschäftsführer Johann Sischka

- © WEKA/Thomas Pöll

Älteres Projekt: Zlote Tarasy in Warschau