Baustoffe : Beton: Nachhaltigkeitswende nimmt Fahrt auf

Siegerprojekt Neubau Betonpreis

Die Anlage Wientalterrassen ist eines der Vorzeigeprojekte der Beton- und Zementindustrie und hat 2023 auch den Betonpreis gewonnen.

- © Wolfgang Thaler

CO2-Einsparung entlang der gesamten Wertschöpfungskette nötig

SOLID: Beim Beton scheint die Nachhaltigkeitswende so richtig Fahrt aufzunehmen. Sind Sie zufrieden mit der Geschwindigkeit?

Anton Glasmaier: Wir haben noch viel zu tun. Wichtig ist jedoch, dass sich die gesamte Zement- und Betonbranche verpflichtet hat, ihren aktiven Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstoßes bei Zement und Beton zu leisten.

Bereits jetzt ist Österreich Weltmeister, wenn es um die umweltfreundliche Zementproduktion geht. So wie die Zementindustrie bis 2050 die Produktion klimaneutral gestalten wird, so ist es auch bei der Beton- und Fertigteilproduktion und -anwendung wichtig, CO2 zu reduzieren. Dies erfolgt entweder durch optimierte Betonrezepturen oder neuerdings auch durch Performancenachweise im Bereich Transportbeton bzw. durch reduzierte Betonmengen in Fertigteilen.

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Anton Glasmaier
Anton Glasmaier ist Vorstandsvorsitzender des BDÖ (Beton Dialog Österreich) - © Stefan Seelig

Durchbrüche beim Recycling: Beton als CO2-Senke, aber Mengenthema

Sebastian Spaun: Dass die österreichischen Zementwerke die Maßnahmen für Klima- und Umweltschutz intensiviert haben, zeigen die konstant höheren Umweltschutzinvestitionen der Werke seit 2017: 2022 wurden 22,6 Millionen Euro in Anlagen investiert, 2021 waren es 17,2 Mio. Euro.

Weiter hoch im Kurs steht auch die Kreislaufwirtschaft: 478 kg Sekundärstoffe, das sind Ersatzrohstoffe und -brennstoffe, wurden bei der Herstellung pro Tonne Zement eingesetzt – im Jahr 2022 insgesamt 2,5 Mio. Tonnen – gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 6,8 Prozent beim sogenannten Ressourcenschonungsfaktor. Hier macht also die Zementindustrie wichtige Schritte, um umweltfreundlicher und gleichzeitig ressourcenschonender zu produzieren.

Darüber hinaus setzen wir die Maßnahmen aus unserer Roadmap konsequent um: Wir wollen bis 2050 -16 Prozent CO2-Ausstoß bei der Klinkerherstellung, weitere -22 Prozent wollen wir bereits bis 2040 durch die Verringerung des Klinkeranteils im Zement und durch neue Zumahlstoffe erreichen. Durch die Versorgung mit CO2-neutralem Strom bis 2030 sowie durch die Carbonatisierung in der Nutzungsphase von Gebäuden bzw. bei ihrem Recycling werden wir weitere 18 Prozent sparen können.

Ein Großteil unserer CO2-Reduktion von 44 Prozent muss jedoch durch den Prozess der CO2-Abscheidung, -Nutzung und geologischen Speicherung erfolgen. Schlussendlich muss die CO2-Einsparung entlang der gesamten Wertschöpfungskette – und das betrifft auch die Planung und Ausführung – erfolgen. Nur so werden wir die Klimaziele erreichen und das Bauen der Zukunft nachhaltig gestalten.Wie sehen Sie die Bemühungen, beim Thema Recycling und Recyclingbaustoffe weiterzukommen?

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Sebastian Spaun ist Stellvertreter von Anton Glasmaier beim BDÖ und Geschäftsführer der VÖZ (Vereinigeung der österreichischen Zementindustrie) - © DI(FH) Robert Fritz / DERFRITZ Grafik und Fotografie e.U.
Sebastian Spaun zu Gast bei SOLID Bau TV

Spaun: Recycling ist ein wichtiges Thema, das uns in den kommenden Jahren sowohl auf der nationalen als auch auf der europäischen Ebene intensiv begleiten wird. Beton ist ein völlig kreislauffähiger Baustoff. Erfreulich ist es, dass derzeit weit über 90 Prozent des fallenden Altbetons in Österreich bereits rezykliert werden – diese Sekundärrohstoffe werden traditionell im Straßenbau oder für die Produktion von neuem Beton eingesetzt.

Erstmals ist es heuer gelungen, recyclierte Betonfeinanteile auch als Zementbestandteil einzusetzen. Durch den Einsatz im Zementwerk können diese Feinfraktionen dank der Nutzung unseres CO2-reichen Abgases zudem in wenigen Minuten zur dauerhaften CO2-Senke umgewandelt werden. Die Herausforderungen, die wir sehen, sind die Menge und die Verfügbarkeit von Recycling-Beton. Dieser Baustoff ist langlebig und dauerhaft, aus diesem Grund werden Betonbauten nicht oft rückgebaut. Damit stehen uns immer noch keine ausreichenden Mengen an Recycling-Beton zur Verfügung.Sehen Sie auch Möglichkeiten für Wiederverwendungen?Glasmaier: Das Thema Wiederverwendungen oder Re-Use betrifft in erster Linie die Stahlbetonfertigteile. Einige Produkte können zerstörungsfrei aus einem Gebäude vor Abbruch entnommen und für einen zweiten Einsatz wiederverwendet werden. Und das ist bereits die gelebte Praxis, etwa bei Betonleitwänden, Betonpflastersteinen und -platten. Für eine flächendeckende Ausweitung auf weitere Produktgruppen wie Liftschächte, Treppen usw. fehlen uns funktionale Tausch- oder Handelsbörsen für Bauteile, die nach geordneten Standards und Kriterien funktionieren.Spaun: Laut der Roadmap der österreichischen Zementindustrie ist die Carbonatisierung ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zur Klimaneutralität. Derzeit laufen einige Forschungsprojekte, die das Carbonatisierungspotenzial beim Beton näher erforschen sollen. Zum einen untersucht das Forschungsinstitut Smart Minerals in Kooperation mit der ÖBB Infrastruktur anhand der Carbonatisierung von Holzbeton-Lärmschutzwänden, wie Beton als CO2-Senke funktioniert.

Zum anderen beschäftigt sich gerade das VÖZ-Projekt „CarboRate“ mit dem CO2-Aufnahmepotenzial durch die natürliche Lagerung des aufbereiteten Betonbruchs in unterschiedlichen Fraktionen sowie – wie schon zuvor erwähnt – durch die forcierte Carbonatisierung von Betonbruch durch CO2-Begasung direkt im Abgasstrom eines Zementwerkes.

Können Sie kurz skizzieren, was sich beim Baustoff selbst tut und wo Sie das größte Entwicklungspotenzial sehen?

Glasmaier: Der Ansatz der Beton- und Fertigteilbranche ist hier klar – wir wollen parallel zu den Bemühungen der Zementindustrie auch unseren Beitrag zu den Klimazielen leisten. Hier geht es auf der einen Seite darum, die neuen CO2-reduzierten Zementsorten in Beton und Fertigteilen zu verarbeiten, und auf der anderen Seite weniger Baustoff selbst zu verbrauchen. So können wir entscheidende Einsparungen beim CO2-Ausstoß erzielen. Dies gelingt uns u. a. durch Impulse in der Innovation und Forschung. In Österreich laufen bereits Forschungsprojekte, die sich damit auseinandersetzen, wie klinkerreduzierte bzw. -arme Betonrezepturen in Zukunft eine breite Anwendung finden können. Eine Eigenschaft dieser RCC-Betone ist, dass sie länger zum Aushärten benötigen, besonders bei niedrigen Außentemperaturen. In einem groß angelegten Forschungsprojekt, an dem mehrere Betonhersteller in Österreich beteiligt sind, wird gerade geprüft, wie intelligent beheizbare Schalungen dazu beitragen können, Festigkeitsentwicklung von RCC-Betonen zu beschleunigen.

Für Betonfertigteile sind beheizbare Schalungen bereits seit Jahrzehnten Realität, weil diese in thermisch kontrollierten Umgebungen zum Aushärten gebracht werden. Auch das Thema Nachbehandlung solcher Betone ist damit berücksichtigt.

Trifft das im gleichen Maß für Ortbeton, Transportbeton UND Fertigteile zu oder was sind die Unterschiede?

Glasmaier
: Das Commitment, die Reduktion des CO2-Ausstoßes voranzutreiben, gilt für die gesamte Zement- und Betonbranche. Natürlich sind die Zugänge und Verfahren teilweise unterschiedlich, aber für die Betonbranche ist die Roadmap der österreichischen Zementindustrie eine wichtige Orientierung, wie sich die gesamte Branche in den kommenden Jahrzehnten aufzustellen hat.

Wir haben gemeinsame Aufgaben, die wir auch gemeinsam erfüllen müssen. Zum Beispiel wird die eigesetzte Betonmenge je Fertigteil vermindert, etwa durch Verdrängungskörper, reduzierte Betonkubatur oder durch die Reduktion des Beton- und Bewehrungsbedarfs.

Europa: EPD- und CO2-Rechner

Was passiert mit Beton gerade auf europäischer Ebene? Wie sieht es mit EPDs und Bauproduktenverordnung aus?

Spaun
: 2023 haben die europäischen Verbände aus dem Zement- und Betonbereich BIBM, CEMBUREAU, EFCA und ERMCO die Dachorganisation „Concrete Europe“ gegründet, um hier noch stärker mit der EU-Kommission und wichtigen Stakeholdern in Brüssel zusammenzuarbeiten, um den Beitrag unseres Sektors für die Erreichung der Ziele aus dem EU-Green Deal herauszuarbeiten. Hier geht es in erster Linie um die Reduktion des CO2-Ausstoßes bis zur Klimaneutralität sowie um die Rolle des Baustoffs Beton bei der Erreichung der thermischen Effizienz in Gebäuden. Darüber hinaus spielen Themen wie Recyclingfähigkeit von Beton sowie langfristige Lösungen für eine widerstandsfähige, nachhaltige und kohlenstofffreie Verkehrsinfrastruktur sowie Carbonatisierung eine wichtige Rolle.

Die Zementindustrie lässt derzeit für sämtliche in Österreich hergestellten Zemente Umweltproduktdeklarationen (EPDs) erarbeiten und extern verifizieren. Die Ökobilanzen beruhen dabei auf den individuellen Werksdaten der österreichischen Zementwerke mit Ofenbetrieb. Die ersten Ergebnisse werden noch im Dezember 2023 veröffentlicht.

Im Bereich Transportbeton hat man einen CO2-Rechner erstellen lassen.

Glasmaier
: Der Verband Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke hat einen EPD-Rechner erstellen lassen, welcher sich gerade in der Zertifizierungsphase befindet. Dazu war es notwendig, eine breite Datenbasis von den VÖB-Mitgliedsbetrieben zu generieren, um Branchenwerte für die Umweltproduktdeklarationen von Betonfertigteilgruppen und -produkten berechnen zu können und den Kunden in Form von EPDs zur Verfügung zu stellen. Wir erwarten, dass wir bis Anfang 2024 bereits einen zertifizierten EPD-Rechner besitzen.