Konjunktur : Bausituation in Deutschland rund um Baugipfel
Die Bundesregierung will bei einem Wohngipfel Wege aus der Wohnungsbau-Misere finden: Das Ziel der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr dürfte auch in diesem Jahr deutlich verfehlt werden, warnen Experten. Bundeskanzler Olaf Scholz und Bauministerin Klara Geywitz (beide SPD) haben Dutzende Verbände eingeladen, um für mehr bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Die Branche drängt auf ein umfassendes Paket, fürchtet aber, wegen der engen Haushaltsspielräume mit kleineren Hilfen abgespeist zu werden.
Das Neugeschäft im Bauhauptgewerbe wuchs in Deutschland inflationsbereinigt (real) um 9,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Einen kräftigeren Zuwachs gab es zuletzt im Dezember 2021. Wesentlich schlechter fällt die Bilanz für die ersten sieben Monate 2023 aus: Die Aufträge brachen real um 10,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein.
Besonders kräftig wuchs diesmal das Neugeschäft im Tiefbau, zu dem auch der Straßenbau gehört: Hier legten die Auftragseingänge im Juli real um 14,6 Prozent gegenüber dem Vormonat zu. Dazu hätten mehrere Großaufträge beigetragen, erklärten die Statistiker. Der Hochbau, der vor allem vom Wohnungsbau geprägt ist, meldete ein Plus von 4,4 Prozent.
Der Umsatz im Bauhauptgewerbe stieg im Juli leicht an. Er stieg im Vergleich zum Vorjahresmonat aufgrund der stark gestiegenen Baupreise um 6,3 Prozent auf 10,3 Milliarden Euro. Inflationsbereinigt blieb davon allerdings nur ein reales Plus von 0,2 Prozent übrig. Von Januar bis Juli gingen die Umsätze im Vergleich zum Vorjahreszeitraum real sogar um 4,5 Prozent zurück. Dennoch lag die Zahl der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe im Juli um 1,3 Prozent höher als ein Jahr zuvor.
Bezahlbare Wohnungen sind vielerorts nur schwer zu finden. "Dem Wohnungsbau droht der Gau", sagte der Vorsitzende Robert Feiger dazu. "Das Ziel der Ampel, 400.000 Wohnungen im Jahr zu bauen, wird Jahr um Jahr verfehlt. Die Erstellungszahlen werden immer niedriger - und dass bei steigenden Einwohnerzahlen."
Der Städte- und Gemeindebund (DStGB) forderte ebenfalls ein klares Signal des Treffens. "Planungs- und Genehmigungsverfahren beim Wohnungsbau beschleunigen, Baukosten begrenzen und Investitionen in den Wohnungsbau weiter stärken", umriss Geschäftsführer Gerd Landsberg in der "Bild am Sonntag" die notwendigen Maßnahmen. Steuerliche Erleichterungen seien gefragt - sowohl für den Neubau als auch für die Bestandssanierung. "Zudem muss der Bund die Mittel für die soziale Wohnraumförderung langfristig auf mindestens fünf Milliarden Euro pro Jahr anheben", sagte er dem Blatt.
14 Punkte umfassendes Maßnahmenpaket
Das 14-Punkte-Papier der Bundesregierung, das der Nachrichtenagentur AFP am Montag vorlag, sieht unter anderem einen Verzicht auf die geplante Verschärfung der Energiestandards für Neubauten vor. Außerdem soll es beispielsweise mehr Geld für Familien auf dem Weg ins Eigenheim oder für den Heizungstausch geben.
"Angesichts der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen in der Bau- und Wohnungswirtschaft durch hohe Zinsen und Baukosten ist die Verankerung von EH-40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard in dieser Legislaturperiode nicht mehr erforderlich und wird ausgesetzt", heißt es in dem Papier. Laut Koalitionsvertrag sollte der Energieeffizienzstandard EH-40 eigentlich ab Anfang 2025 verpflichtend werden. Die Bauwirtschaft kritisiert dies angesichts der stark gestiegenen Baukosten seit Monaten scharf.
Außerdem will die Ampel-Regierung den Erwerb von Wohneigentum für mehr Familien stärker fördern. So soll der Darlehenshöchstbetrag um 30.000 Euro und die Einkommensgrenze von 60.000 Euro auf 90.000 Euro angehoben werden.