Kommentar : Stahl und Zement: Zwei Werkstoffe stehen vor der industriellen Transformation

Das Projekt "Wientalterrassen" in Wien ist eines der aktuellen Vorzeigeprojekte, was Nachhaltigkeit im Massivbau betrifft.
- © VÖZSubstitution durch Holz ist keine Lösung
Die Dekarbonisierung ist DIE Herausforderung, mit der die heimische Industrie konfrontiert ist. Die Klimakrise als auch die Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen forciert die dringend notwendige Transformation der Stahl- und Zementbranche. Sei es der Ausbau der für einen funktionierenden Staat notwendigen Infrastruktur wie der öffentliche Verkehr, Brücken oder Tunnel – ebenso aber als zukunftsweisender Beitrag für eine fossilfreies Heizen und Kühlen von Gebäuden die Bauteilaktivierung.
>> Lesen Sie auch: 1. Betonpreis im Zeichen der Nachhaltigkeit
Die heimische Industrie benötigt einen Green Deal, denn der Bedarf nach Stahl und Zement ist in den vergangen beiden Jahrzehnten global ums Doppelte gestiegen. Parallel ist klar, dass die Substitution mit Holzwerkstoffen keine Lösung ist – denn dies würde die wichtige und für das Stoppen der Erderwärmung dringend benötigten CO2-Senke Wald bedrohen. Schon jetzt sprechen Experten davon, dass Wälder vermehrt unter Schutz gestellt werden müssen, um die natürlichen Klimafunktionen des Waldes erhalten zu können.
Österreich Weltmeister bei Senkung der Emissionen
Es gibt keine Alternative zu zementbasierten Baustoffen. Die Zement-, Beton- und Stahlbranche ist sich ihrer Verantwortung bewusst und unternimmt höchste Anstrengungen, um ihre Produktion zu dekarbonisieren. Zudem muss der Ressourcenverbrauch reduziert werden. Eine Vielzahl an Beispielen zeigt – das geht. Wir erzeugen mittels 3D-Druck bereits materialoptimierte Decken, die 35 Prozent weniger an Beton und ebenso weniger Bewehrung benötigen. Wir bauen Gebäude mit Bauteilaktivierung, die in Kombination mit Wärmepumpen und Photovoltaik längst energieautark geheizt und gekühlt werden können. Beton und Stahl sind Teil der Lösung, können zu 100 Prozent wiederverwendet werden und behaupten sich als Werkstoffe über viele Jahrzehnte.
Zwei Drittel der Emissionen bei der Herstellung von Zement sind Prozessemissionen, ein Drittel stammt aus den Brennstoffen. Österreich ist bei der Senkung der Emissionen mit 549 Kilo CO2 pro Tonne Zement Weltmeister – der EU-Schnitt liegt bei 619, die USA bei 751. Auch beim Einsatz alternativer Brennstoffe führen wir mit 82 Prozent das internationale Ranking – Kanada verwendet nur 15 Prozent alternative Brennstoffe, Spanien 36 Prozent. Unsere Betriebe arbeiten mit Hochdruck daran, die Prozessemissionen noch weiter zu senken. Bei den neuen Zementen (CEM II C) wird der Klinkeranteil drastisch reduziert – von aktuell 70 Prozent auf 50 Prozent. Die österreichische Zementindustrie bekennt sich zum internationalen 5-C-Ansatz: Clinker (incl. CCU/S), Cement, Concrete, Construction, Carbonation.
Mit weniger mehr bauen
Die Transformation endet nicht bei der Produktentwicklung. Die Stichworte dazu sind Carbon Capture, die weitere Dekarbonisierung und Elektrifizierung des Brennprozesses, eine feinere Mahlung – und natürlich die Umstellung der Transportfahrzeuge auf kohlenstoffneutralen Antrieb.
Wir müssen lernen, mit weniger mehr zu bauen. Dieser Ansatz bedingt eine Vielzahl an Bedingungen: Wir müssen ganzheitlich planen, dazu alle vorhandenen Instrumente wie Lean und BIM nützen. Ebenso muss aber vorab geklärt sein, wozu wir das Gebäude benötigen und wie flexibel in der Nutzung wir das Bauwerk planen können. Ganzheitlich Denken bedeutet aber ebenso, dass die vorhandene Infrastruktur immer mit einbezogen wird. Beim großvolumigen Wohnbau müssen die Weichen, die für die Infrastruktur, die dieser einmal benötigt, gestellt werden – vom Kindergarten, Schule bis zu Mobilitätslösungen.
Der nächste Schritt muss in Richtung Anergienetze gehen, um ganze Stadtteile zu Selbstversorgern machen zu können. Dazu benötigt Österreichs Industrie aber ausreichend starke Stromnetze und der Aufbau der Infrastruktur für den Transport und die Verwertung von CO2 und Wasserstoffe wie auch Pipelines muss beginnen.