SOLID BAU TV : Nachhaltigkeit am Bau: "Was kannst du wirklich machen?"

SOLID-Chefredakteur Thomas Pöll begrüßte Peter Engert, Geschäftsführer der österreichischen Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI), als Studiogast im SOLID Bau-TV-Studio. Dabei sprachen sie vor allem zum Thema Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft - zählt doch Engert zu den profundesten Kenner dieses Themas.

Erklären Sie uns bitte einmal kurz: Was macht denn die ÖGNI eigentlich?
Peter Engert:
Also die ÖGNI ist der österreichische Vertreter im World GBC, World Green Building Council.
Wir kümmern uns um die Nachhaltigkeit der Immobilienwirtschaft und das hat viele Facetten. Auf der einen Seite die Zertifizierung. Alles was wir zertifizieren ist ein zivilrechtlich haltbares Gutachten. Es gibt keine Plakate, sondern wirklich ein Gutachten, das für den Wirtschaftsprüfer, für den Investoren, für die Banken grundlegend entscheidend ist, in der Hinsicht, wie viel Geld dort investiert oder veranlagt wird.

Das ist ein Riesenthema durch die EU-Taxonomie geworden.
Engert:
Natürlich, hier sind wir stark verankert.
Unsere zweite Aufgabe ist die Verbreitung des Wissens. Wir haben sehr viele Ausbildungen, so auch unsere drei Standard-Ausbildungen - Registered Professional, Consultant, Auditor. Erste Stufe ist Nachhaltigkeit breit, zweite Stufe ist Nachhaltigkeit tief für die Immobilien, und die dritte Stufe ist rein praxisorientiert.
Zur Ausbildungsschiene kommt noch anderes, gerade haben wir den Deep Dive Sustainability, erfunden.

Deep Dive macht jetzt jeder.

Engert:
Ja. Es ist spannend, einen Bereich, ein Spezialthema der Nachhaltigkeit tief zu beleuchten. Wir haben mit der Kreislaufwirtschaft begonnen. Der nächste Schritt wird sein, Führung eines Unternehmens auf Nachhaltigkeit, also Führungsaufgaben spezialisiert, zu beleuchten.
Wir gehen da ein bisschen weg von der Immobilienwirtschaft, um da das Wissen zu verbreitern. Der Preis ist immer low-level, um möglichst viele Menschen zu erreichen.

Nachhaltigkeits-Tipps für die Bauwirtschaft

Jetzt hat man das Gefühl, beim Thema Nachhaltigkeit gibt es unglaublich viele Dimensionen. Wir als Bauwirtschaft, als Medium in der Bauwirtschaft, kennen natürlich unsere Baufirmen, und da heißt es: Naja, da gibt es so viel und das ist alles nur viel zu wenig geregelt, was soll man denn überhaupt machen, was können wir denn machen, wie können wir uns da einbringen? Und nicht nur auf die Gesetzeslage warten, bis die einmal kommt.

Engert:
Hundertprozentig richtig, Pfeif auf die Gesetzeslage, es geht darum, was kannst du wirklich machen.

Also unser drittes Thema ist die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeit, jetzt zum Beispiel wissen wir von der VG Wessler, 2040 müssen wir CO2-neutral wirtschaften, das heißt eine Baustelle muss CO2-frei sein. Wir müssen möglicherweise Kreislaufwirtschaft ganz anders denken als im Moment. Nämlich nicht ein Global View oder ein European View, sondern in Wirklichkeit ein lokales Nachdenken. Was kann ich von dem Gebäude nehmen, um es bei mir wiederzuverwenden, nicht zu recyceln, schlimmste Stufe.

Wir schwimmen bei all dem nur an der Oberfläche, es ist noch viel zu regeln – in Wirklichkeit von uns, der Wirtschaft. Dadurch müssen die Gesetzgeber dann aufgefordert sein, zum Beispiel Themen, die volkswirtschaftlich interessant sind, das dann auch dementsprechend zu fördern. Wenn ein Unternehmer CO2 einspart, hilft das unserer Volkswirtschaft. Fördern ist ein falsches Wort. Wir sind die Fans der vorzeitigen Abschreibung, für prosperierende Unternehmen wirklich einen Steuervorteil zu bieten, das ist ein anderes Thema. Wir als ÖGNI versuchen, weg von der Politik, hin zu was Machbarem und Sinnvollem.

Unter uns: Kreislaufwirtschaft, haben wir tausende Jahre lang in Europa als Wirtschaftsgrundlage gehabt, da zurückzukommen ist nicht, wie ein ehemaliger Bundeskanzler gesagt hat, „zurück ins Mittelalter“, ich sehe das eher zurück in die Zukunft.

Versiegelung versus Nachhaltigkeit

Jetzt haben wir ein Thema ganz stark bei Nachhaltigkeit, aber wir haben auch das Thema der Versiegelung, der Nachverdichtung. Die Bauwirtschaft drückt sich ein bisschen um die Sanierung, Revitalisierung, vor allem die größeren Firmen. Auch wieder mit dem Argument: Wir machen nur das, was unser Auftraggeber von uns will. Wie löst man das?

Engert: Ich glaube, die letzten 30 Regierungen hatten alle eine Sanierungsquote von 3 % im Programm. Für Nicht-Mathematiker: 3 % heißt, alle 33 Jahre periodisch wird ein Gebäude saniert. Wir haben nie mehr als eins erzielt in Österreich. Nie, seit Jahrzehnten.
Das heißt, statistisch gesehen wird alle 100 Jahre ein Gebäude saniert und dass das zu wenig ist, dass das natürlich einen riesigen, wie soll ich sagen, Staudamm aufgebaut hat für jetzige Sanierungen ist logisch.

Die Bauwirtschaft drückt sich noch, weil es noch genug grüne Wiese-Projekte gibt. Nur wir gehen davon aus: auf der einen Seite Biodiversitätsverordnung und auf der anderen Seite Verfügbarkeit der Materialien, der Stoffe, der Lagen. Abgesehen von der Stadt Wien werden wenige Projekte noch auf der grünen Wiese gebaut werden.
Es gilt, versiegelte Flächen und Bestandsobjekte zu nutzen, zu verdichten, zu überbauen. Denken Sie an die vielen Parkplätze von Supermärkten - dort könnte man etwas bauen, man muss sich halt nur bemühen. Es ist alles ein bisschen komplizierter als auf einer grünen Wiese, das muss man ganz klar sagen.

Natürlich werden wir auch von der Industrie neue Themen brauchen, vorgehängte Fassaden beispielsweise. Damit können Plattenbauten aus den 1970er und 1980er-Jahren revitalisiert werden. Da wird vieles noch notwendig sein, aber wir sehen uns auf einem guten Weg. Nämlich dort, wo auf nicht grüner Fläche neu gebaut wird.

Strabag-Bilanz, Brenner und Porr

In dieser Folge werfen wir außerdem einen detaillierten Blick auf die Bilanz der Strabag SE, des größten Baukonzerns Österreich, unter ihrem neuen CEO Klemens Haselsteiner und berichten, was sich am Brenner Basistunnel neues tut und was das mit der Porr zu tun hat.

Zentraler Schwerpunkt der Sendung ist Nachhaltigkeit. Das Studiogespräch mit Peter Engert, dem Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft ÖGNI, bringt noch weitgehend unbekannte Ansätze zum Thema Finanzierung von Nachhaltigkeitsinvestitionen.

ÖGNI-Geschäftsführer Peter Engert erläutert Alternativen zum Warten auf sich ändernde Gesetzeslagen.

Nächste Ausgabe: Bautechpreis

Die Sendung wird abgeschlossen mit einem Überblick über tolle und technisch hochstehende Projekte österreichischer Firmen.

Das Videoformat "SOLID Bau TV" des Fachmagazins "Solid - Wirtschaft & Technik am Bau" wird alle zwei Wochen veröffentlicht. Weitere aktuelle Nachrichten sind auf unserer Website zu finden.

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