Gastbeitrag : Technische Due Diligence in der Immobilienwirtschaft: Transparenz, Informationsbeschaffung, Entscheidungsfindung

Was ist Die Diligence und warum in der Immobilienwirtschaft?

Im Deutschen bedeutet die „Due Diligence“ eine „sorgfältige Prüfung“, die ihren Ursprung in der US-amerikanischen Gewährungspflicht hat und sich auf den Kauf von Wertpapieren bezieht. Dabei wird eine Haftung von Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwälten und Gutachtern unterstellt, die beim Handel von Wertpapieren beteiligt sind und bei nachträglichen Rechtsstreitigkeiten verantwortlich gemacht werden können.

Im Rahmen der Sorgfaltspflicht wird eine Due Diligence heute in zahlreichen Bereichen gefordert, wenngleich diese im österreichischen Recht nicht explizit gesetzlich geregelt oder erforderlich ist. Aus dem österreichischen Privatrecht ergibt sich die Pflicht der Vertragsparteien, sich über die relevanten Umstände zu informieren, woraus eine Informations- und Aufklärungspflicht gegenüber der anderen Vertragspartei resultiert. Darüber hinaus gehört es in zahlreichen Bereichen zur guten Sitte, aber auch zur notwendigen Sorgfalt einer Geschäftsführung, eine Due Diligence durchzuführen, um Entscheidungen auf der Basis einer seriösen Informationsbeschaffung zu treffen und im Nachhinein über eine Beweisfunktion zu verfügen.

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Von dem Begriff der Due Diligence im Wertpapierhandel ausgehend, hat sich der Begriff inzwischen auf Unternehmenskäufe, aber auch auf Kapitalbeschaffungsmaßnahmen und auf die Immobilienwirtschaft erweitert und versteht sich als systematische und umfassende Überprüfung der mit einer Transaktion zusammenhängenden Risiken.

Insbesondere der Immobilienmarkt ist durch Besonderheiten gegenüber anderweitigen Investitionsgütern gekennzeichnet, nämlich eine weitgehende Intransparenz, eine nur bedingt mögliche Vergleichbarkeit der Objekte sowie zahlreiche Unsicherheiten bei der Bewertung des Bestandes bei einem gleichzeitig hohen Kapitalbedarf und hoher Lebenszyklen, welche umfassende Untersuchungen zur Minimierung des Risikos einer Transaktion und zur langfristigen Werterhaltung notwendig machen.

Michael Demanega studierte Bauingenieurwesen an der Università degli studi di Trento und an der TU Wien, arbeitete als Bauingenieur in Wien (Axis Ingenieurleistungen, ÖBB Immobilien, iC Consulenten) sowie in Bozen (Baucon) und ist derzeit in Südtirol als technischer Berater im Bereich Ingenieurholzbau sowie als Freiberufler mit Schwerpunkt Tragwerksplanung und Projektentwicklung tätig.

Mehrstufiger Prozess

Prozesstechnisch ordnet sich die Due Diligence nach einer erfolgten Kaufabsicht zur Vorbereitung der Kaufverhandlungen ein. Hintergrund ist die umfassende Informationsbeschaffung, um eine angemessene Bewertung und – bei gewerblichen Investoren – entsprechende Zielrenditen zu generieren. Zu unterscheiden ist in diesem Sinne zwischen Legal Due Diligence, Financial Due Diligence und Technical Due Diligence. Im Sinne einer umfassenden Due Diligence sind die Bereiche kaum voneinander zu trennen, sondern ergeben sich gegenseitig.

Entsprechend interdisziplinär und vielschichtig, aber auch mehrstufig ist ein Due Diligence-Prozess in der Immobilienwirtschaft. Im Rahmen des Prozesses sind Analysen, Prüfungen und Bewertungen vorgesehen. Neben Wirtschafts- und Steuerprüfern sind Juristen, Architekten, Immobiliengutachter, Fachplaner und Tragwerksplaner beteiligt. Erforderlich sind Due-Diligence-Analysen bei gewerblichen Investoren oder öffentlich finanzierten Projektvorhaben. In jedem Fall ist ein Due-Diligence-Prozess zeit- und kostenintensiv und es ist bereits im Vorfeld der Aufwand und der Zeithorizont sowie die zu erzielende Informationstiefe festzulegen.

"Red Flag" oder detailliert

Die Technical Due Diligence bewertet die technische Beschaffenheit des Objektes, in diesem Falle der Immobilie. Die direkten Verbindungen zur wirtschaftlichen und juristischen Due Diligence sind natürlich stets gegeben, weil die Sicherstellung der aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie strategischer wirtschaftlicher Entscheidungen von Bedeutung ist, um die Immobilie langfristig gewinnorientiert zu positionieren und weil sich aus den rechtlichen und wirtschaftlichen Anforderungen weitreichende Konsequenzen für den baulichen Bestand ergeben.

Zu unterscheiden ist beim Aufwand zwischen einer „Red Flag“-Due Diligence und einer umfassenden Due Diligence. Die Red-Flag-Due-Diligence bezieht sich auf die frühe Analysephase und auf gezielte Stichproben, um eine Bewertung des lohnenden Aufwandes vorzunehmen und um mögliche „Dealbraker“ frühzeitig zu identifizieren. Die Red-Flag-Due-Diligence läuft auf eine allgemeine Zustandserfassung, eine Grobeinschätzung der Risiken und Potentiale und in der Folge auf eine Einschätzung des Gesamtaufwandes zur Erfüllung bestimmter, festgelegter Ziele hinaus, sodass sich Ausschlusskriterien ergeben können.

Wird eine detailliertere Due Diligence angestrebt, reicht eine allgemeine Zustandserfassung nicht mehr aus. Angestrebt wird eine Auswertung aller relevanten Planunterlagen, eine intensive Dokumentation des Bestandes, eine Erfassung etwaiger Mängel sowie eine Bewertung der Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten. Daraus folgen Entwicklungskonzepte, Sanierungskonzepte, Sicherheitskonzepte und Fachgutachten.

Von Mängeln bis zu Statik und Brandschutz

Grundlegend ist selbstverständlich die Bewertung bestehender Mängel im Bestand, etwa die Bewertung von Rissbildern, Verformungen, Setzungen, Schäden an Holzkonstruktionen, aber auch an Stahlbeton- und Stahlbauteilen. Die Analyse beginnt beim Baugrund, setzt sich bei der Bewertung der Fundierung und tragenden Mauern fort und betrifft alle Tragwerksteile von den Decken bis hin zum Dach.

Wird etwa eine Umnutzung von einer Wohnimmobilie zu einer Büroimmobilie angestrebt, so ergeben sich alleine daraus folgend andere, meistens höhere Nutzlasten, welche durch den baulichen Bestand aufgenommen werden müssen und eine detaillierte Bewertung des Bestandes und seiner mechanischen Eigenschaften, in weiterer Folge aber etwaige Verstärkungsmaßnahmen erforderlich machen.

Gleiches betrifft bauliche Umgestaltungen, welche die Substanz betreffen, um etwa eine flexiblere Raumgestaltung, angemessene Zu- und Abgänge sowie Fördertechnik oder die Installation einer modernen technischen Gebäudeausstattung zu erreichen. Insbesondere die Bemessung der Haustechnikanlagen (Lüftung, Heizung, Klima, Sanitär) stellt sowohl im Neubau und erst recht im Sinne der Festlegung von Sanierungskonzepten im Altbau eine regelrechte Herausforderung dar.

Besonders dann, wenn die Nutzlasten wesentlich erhöht werden, was bei zahlreichen Umnutzungen und bei Aufstockungen unvermeidbar ist, ist eine Bewertung des Gesamtverhaltens des Bauwerkes bei dynamischen Lasten, wie sie sich aus Erdbeben ergeben, notwendig. Erfolgt eine Bewertung des Erdbebenverhaltens nicht frühzeitig, entstehen empfindliche Kostenerhöhungen, die in die Substanz gehen.

Vielfach bedingen bauliche Umgestaltungen aber auch hohe Auflagen an den betrieblichen und baulichen Brandschutz, die nur schwer zu erreichen sind. Immer größer wird auch unsere Sensibilität gegenüber Umwelteinwirkungen. Dazu zählt das komplexe Feld der Bauakustik, aber auch Erschütterungen und die Sanierung von Altlasten und Gefahrenstoffen. Die Anforderungen an den Wärmeschutz sowie an die energetische Performance des Gebäudes sind bedingt durch eine ökologisch orientierte Gesetzgebung ohnehin hoch und werden nicht geringer. Die Tendenz zeigt in Richtung komplexer Gebäude- und Baustoffzertifizierungen, um den ökologischen Fußabdruck klein und die Transparenz hoch zu halten.

Warum das Thema immer wichtiger wird

Die Anforderungen an einen gesicherten und transparenten Informationsbeschaffungsprozess im Rahmen von Immobilientransaktionen werden heute folglich zunehmend wichtig. Dadurch, dass Informationsbeschaffung und Entscheidungsbewertung mit der Due-Diligence einen zunehmend systematischen Rahmen erhalten, werden Entscheidungsfindungen transparenter und die Risiken kleiner.

Daraus ergibt sich die Anforderung an die technische Due Diligence, mit beschränkter Informationsverfügbarkeit möglichst weitreichende und effiziente Aussagen zum Immobilienzustand zu tätigen. Der Einsatz zeitgemäßer Analysemethoden sowie modernster dreidimensionaler Software ist unerlässlich, um möglichst gesicherte Auskünfte tätigen zu können und eine stringente Dokumentation sicherzustellen.

Letztlich werden technische, wirtschaftliche und juristische Due Diligence zu einer einheitlichen Investitionsrechnung und Risikoanalyse zusammengefasst, welche es den Entscheidungsträgern möglich machen müssen, eine klare Entscheidung zu treffen. Die technische Due Diligence liefert den wesentlichen Beitrag zur Entscheidungsfindung.