Im Ausgangssachverhalt hat eine ARGE einen Auftrag mangelhaft ausgeführt und der Vertrag wurde daher vom Auftraggeber beendet. Konkret war die Schlechtleistung bzw. Vertragsbeendigung im Wesentlichen auf die Insolvenz des federführenden Mitglieds der ARGE zurückzuführen (wobei bereits vor dessen Insolvenz erheblicher Verzug bestanden hat und auch bestimmte Sicherheiten von der ARGE nicht beigebracht wurden). Infolge dieser Schlechtleistung und Vertragsbeendigung wurden alle Unternehmen der ARGE in eine "Sperr-Liste" eingetragen. Dies hätte für die betroffenen ARGE-Mitglieder eine automatische "Vergabesperre" für drei Jahre bewirkt (die Entscheidung betrifft einen Fall aus Litauen, das – anders als Österreich – eine derartige "Black List" für Auftragsvergaben führt).
Die Anordnung einer solchen Vergabesperre bzw. die Führung einer Sperr-Liste ist grundsätzlich auch zulässig (die Vergabe-Richtlinie stellt es den Mitgliedstaaten frei, ob sie eine solche Liste bzw. ein solches Register führen oder nicht; Österreich hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht). Sind aber nun alle ARGE-Mitglieder (automatisch?) von dieser Vergabesperre betroffen? Laut EuGH: Nein!.
Wenig überraschend ist dem EuGH zufolge eine mangelhafte Leistungserbringung bei einem früheren Auftrag durch eine ARGE den einzelnen ARGE-Mitgliedern grundsätzlich zurechenbar (eine andere Ansicht würde zu dem merkwürdigen Ergebnis führen, dass die Schlechtleistung nur der ARGE, nicht aber deren Mitgliedern zurechenbar ist). Diese grundsätzliche Zurechnung stellt jedoch nach Ansicht des EuGH lediglich eine widerlegbare Vermutung dar und darf nicht "automatisch" zum Ausschluss jedes ARGE-Mitglieds aus zukünftigen Vergabeverfahren führen. Vielmehr muss jedem ARGE-Mitglied die Möglichkeit zukommen, sich von seiner "Schuld" an der Schlechtleistung frei zu beweisen. Dabei muss das einzelne ARGE-Mitglied jeden Umstand geltend machen können, der belegt, dass das Unternehmen den Ausschlussgrund nicht verursacht hat und dass von ihm vernünftigerweise nicht verlangt werden konnte, mehr zu tun, als es getan hat. Laut EuGH muss der Ausschlussgrund "nämlich darauf gestützt werden, dass dieses individuelle Verhalten fehlerhaft oder fahrlässig ist" .
Diese Ansicht des EuGH erscheint sachgerecht und verhältnismäßig, zumal die Aufgaben und Leistungsbereiche innerhalb von ARGEn ja – trotz Solidarschuld und -haftung – oftmals klar differenziert und abgegrenzt sind (so ist es z.B. . leicht möglich, dass ein ARGE-Mitglied mangels Eingriffs- oder Steuerungsmöglichkeit kein "Verschulden" an technischen Mängeln in der Ausführung trifft, wenn es selbst die konkrete Leistung nicht erbracht und auch nicht die technische Oberleitung innehatte).