Assetklasse im Umschwung : Einkaufszentren & Co. im Wandel
Neue Einkaufszentren auf der grünen Wiese entstanden in Österreich schon seit geraumer Zeit nicht. Das letzte große, das seine Pforten öffnete, war das G3 Shopping Resort Gerasdorf. Das liegt elf Jahre zurück.
Diesen Sommer vermeldete die ECE Projektmanagement Austria GmbH, die die Mall 2014 erworben hatte, dass sie dort eine Sport- und Outdoor-Erlebniswelt fertiggestellt hat. Auf einer Fläche von 5.000 Quadratmeter im Inneren des G3 sowie weiteren 3.000 Quadratmetern im Außenbereich laden seither zahlreiche Retail-, Produkttest- und Freizeitflächen zu Aktivitäten ein; darunter ein Pumptrack für Bikes, Skates und Boards, eine Boulder-Kletterwand, ein Trail-Wanderweg, Fahrrad-Teststrecken sowie Motorik-/Spielebereiche für Kinder.
Ziel des ´Sportfokus‘ ist es, einen neuen Anziehungspunkt für das Einkaufszentrum zu schaffen und das Profil in den Bereichen Outdoor und Erlebnis zu stärken.
Heimischen Malls durchlaufen einen Wandel
Das G3 spiegelt wider, dass die heimischen Malls einen Wandel durchlaufen. Thomas Rosenbichler, Planungsleiter & Retail Experte bei Drees & Sommer Österreich, berichtet:
-
Thomas Rosenbichler
„Einerseits gibt es eine steigende Nachfrage nach modernen und attraktiven Einkaufszentren, die ein breites Angebot an Shops, Gastronomie und Freizeitmöglichkeiten bieten. Andererseits stehen die Einkaufszentren vor Herausforderungen wie dem wachsenden Online-Handel, der Veränderung des Konsumverhaltens und der steigenden Konkurrenz durch Fachmarktzentren."
Stichwort ESG
Darüber hinaus führt Rosenbichler ins Feld, dass ESG bei Einzelhandelsimmobilien in Österreich eine immer größere Rolle spielt:
Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden zunehmend wichtiger, sowohl für Investoren als auch für Konsumenten. Energieeffizienz, Ressourcenschonung und soziale Verantwortung sind daher wichtige Aspekte bei der Planung und Umsetzung von Retail-Projekten.Thomas Rosenbichler
Markus Arnold (siehe Interview), CEO und Alleineigentümer von Arnold Immobilien, ergänzt, dass durch den starken Anstieg der Energiepreise im vergangenen Jahr die Bedeutung von ESG-konformen Immobilien auch für Einzelhandelsnutzer und -mieter zunehme.
Selbstverständlich werden auch Bestandsgebäude adaptiert. Lediglich ein Beispiel: Kürzlich nahm die SES Spar European Shopping Centers auf dem Dach des Varena im oberösterreichischen Vöcklabruck eine Photovoltaik-Anlage in Betrieb. Diese erstreckt sich über eine Fläche von 8.300 Quadratmetern und leistet 1.353 kWp. 3.148 Module wurden verlegt, 22 Wechselrichter wandeln die gewonnene Sonnenenergie in nutzbaren Strom um. Das Einkaufszentrum produziert künftig per anno rund 1.340.000 Kilowattstunden Sonnenstrom und deckt damit etwa 50 Prozent des Eigenbedarfs. Durch die Umstellung spart circa 800 Tonnen CO2 pro Jahr ein.
>> Nie mehr eine wichtige Neuigkeit aus der Baubranche verpassen? Abonnieren Sie unseren viel geklickten Newsletter! Hier geht’s zur Anmeldung!
Stark variierende Nachfrage | Interview
Derzeit suchen die Investoren primär lebensmittelgeankerte Fachmarktzentren und Supermärkte, weiß Markus Arnold, CEO und Alleineigentümer Arnold Immobilien.
SOLID: Wie gestaltet sich der österreichische Einzelhandelsimmobilienmarkt derzeit?
MARKUS ARNOLD: Auf den ersten Blick besser, als man aufgrund der aktuellen Marktlage in der Immobilienbranche vermuten möchte. Denn das Investitionsvolumen in österreichische Einzelhandelsimmobilien verzeichnete in den ersten drei Quartalen im Vergleich zum Vorjahr einen Zuwachs von etwa acht Prozent. Dieses positive Ergebnis kommt vor allem durch zwei signifikante Großtransaktionen und mehrere kleinere im Segment der Nahversorgungsimmobilien zustande.
SOLID: Und bei genauerer Analyse?
ARNOLD: Dann sieht man, dass die Nachfrage stark variiert; abhängig von Typ und Sektor der jeweiligen Einzelhandelsimmobilie. Derzeit liegt der Schwerpunkt der Investoren auf lebensmittelgeankerten Fachmarktzentren und Supermärkten. Das gegenwärtige Marktumfeld und die erhöhten Finanzierungskosten führen allerdings auch bei Einzelhandelsimmobilien zu steigenden Renditeniveaus. Insbesondere die Erwartungen auf Käuferseite nach höheren Renditen verstärkten sich in den letzten Monaten. Daher betrug die Spitzenrendite für Fachmarktzentren am Ende des ersten Halbjahres etwa 5,4 Prozent, was einen Anstieg von etwa einem Prozentpunkt gegenüber dem Vorjahr entspricht. Für Geschäftshäuser auf der Wiener Mariahilfer Straße beispielsweise wird eine Spitzenrendite von etwa 4,3 Prozent erwartet.
SOLID: Welche Investoren schauen sich aus welchen Gründen auf dem Markt um?
ARNOLD: Generell sind das vor allem private Investoren mit genügend Eigenkapital. Diese sind meist auf der Suche nach höheren Renditen, als aktuell in der Assetklasse Wohnen zu erzielen sind. Aber auch institutionelle Investoren sind weiterhin aktiv. Bei Letzteren überwiegen Investitionsüberlegungen im Bereich der ESG-konformen Nahversorgerimmobilien.
SOLID: Wie lassen sich die Interessen der Investoren mit jenen von Entwicklern, Betreibern sowie Filialisten unter einen Hut bringen?
ARNOLD: Der bereits vor Covid-19 durch den Aufschwung im Onlinehandel initiierte Renditeanstieg bei Einzelhandelsimmobilien verstärkte sich weiter. Dadurch liegen aktuell die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern von Einzelhandelsimmobilien weniger weit auseinander als in anderen Assetklassen. Hier wurden die Preiskorrekturen erst mit dem Zinsanstieg 2022 eingeleitet.
SOLID: Welchen Stellenwert hat ESG bei den einzelnen Objekten für die Investoren?
ARNOLD: Das Thema ESG nimmt für Investoren mittlerweile einen erheblichen Stellenwert ein, da Immobilien in der Regel als langfristige Anlagen betrachtet und Investitionskosten für die gesamte Haltedauer kalkuliert werden. Die stetig strenger werdenden Vorschriften in Bezug auf Energieeffizienz und Heizsysteme werden immer spezifischer und führen somit beim Erwerb einer nicht ESG-konformen Immobilie zu Preisabschlägen. Dazu kommt, dass durch den starken Anstieg der Energiepreise im vergangenen Jahr die Bedeutung von ESG-konformen Immobilien auch für Einzelhandelsnutzer und Mieter steigt.
Und der Flächenverbrauch?
Wenn es um Nachhaltigkeit und Umweltschutz geht, drängt sich das an Brisanz gewinnende Thema "Bodenverbrauch" auf. Regelmäßig werden hierzulande Einzelhandelsimmobilien als Flächenversiegler an den Pranger gestellt.
Eine Anfang Oktober vom Beratungsunternehmen Standort + Markt mit Sitz in Baden präsentierte und von Handelsverband sowie Austrian Council of Shopping Places (ACSP) beauftragte Studie zeichnet ein differenzierteres Bild
Der Handel ist mit 0,6 Prozent der gesamten Flächeninanspruchnahme in Österreich nicht der Treiber des Bodenverbrauchs, sondern eine Randerscheinung. Für die bisherige Flächeninanspruchnahme sind schwerpunktmäßig der Wohnbau mit 45,4 Prozent, Verkehrsflächen mit 36,0 Prozent und handelsfremde Betriebsflächen mit 10,9 Prozent hauptverantwortlich.Rainer Will
, fasste Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will die wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammen. Hannes Lindner, geschäftsführender Gesellschafter von Standort + Markt, ergänzt Grundsätzliches:
Jeder Quadratmeter ist bestmöglich zu nutzen. Polemik hat bei diesem wichtigen Thema keinen Platz.Hannes Lindner
>> Lesen Sie hierzu auch: Flächenversiegelung in Österreich: Informationsportal online
Der letzte große Einkaufstempel, der hierzulande auf der grünen Wiese aus dem Boden schoss, war jedenfalls das eingangs erwähnte G3 im niederösterreichischen Gerasdorf.
Die nächste Shopping-Fläche, die eröffnet – noch in diesem November und somit rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft –, ist jene des Vio Plaza in Wien-Meidling. Dabei handelt es sich in Form eines innerstädtischen Mixed-Use-Gebäudes um einen Trend innerhalb einer Assetklasse im Umschwung.