Meinung : ESG: Potenziale bei Bestandsgebäuden gezielt nutzen

Ohne Daten kein ESG

Bis 2050 sollen in der EU die Netto-Emissionen der Treibhausgase auf null sinken, so sieht es der European Green Deal vor. Die ESG-Anforderungen sind ein wichtiger Baustein dazu. Für den Immobiliensektor, auf den aktuell rund 40% sowohl des EU-weiten Energieverbrauchs als auch der CO2-Emissionen entfallen, bedeutet das Handlungsbedarf. Bei Neubauten blicke ich recht optimistisch in die Zukunft. Bei Bestandsgebäuden ist die Ausgangslage zwar etwas diffiziler, die aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen stimmen aber dennoch zuversichtlich.

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Durch die Verwendung von Building Information Modeling BIM und digitaler Plattformen wie Materialkatastern lassen sich bei Neubauten wichtige Erkenntnisse sammeln: welche Materialen sind wie verbaut, welche Eigenschaften haben sie, wie viel CO2 ist in ihnen gebunden und wann und in welcher Form können sie wiederverwertet werden, wie hoch sind der Energieverbrauch und der Schadstoffausstoß eines Gebäudes etc. Daraus lässt sich ablesen, wie es um die Umweltauswirkungen, die Kreislaufwirtschaftsfähigkeit und die Energieeffizienz eines Gebäudes bestellt ist. Damit können auch InvestorInnen gut abschätzen, ob sie mit einem grünen Gewissen in eine Immobilie investieren. Vor allem aber sind diese Daten die Voraussetzung, um ESG-Anforderungen zu entsprechen bzw. um belegen zu können, ob und in welchem Ausmaß diesen entsprochen wird. Die Herausforderung bei Bestandsgebäuden: Die erforderlichen Daten müssen im Nachhinein erhoben werden.

Michael Jelencsits, Leitung Engineering-Beratung bei Drees & Sommer Österreich

Nachhaltigkeit rentiert sich

Um den ökologischen Fußabdruck von Bestandsgebäuden zu erheben, werden zuerst mit einem Energiemonitoring Energieverbrauch und CO2-Emissionen gemessen. Technisch ist das zum Beispiel mit Sensoren und Smart Building-Komponenten zu lösen. Soweit möglich, können auch Informationen zu den verbauten Materialien recherchiert werden. Die erhobenen Daten müssen dann allen, die an der Umsetzung der ESG-Anforderungen arbeiten, zugänglich sein.

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Die ausgewogene Balance zwischen Datenschutz und Datennutzung sowie die Themen Denkmalschutz und Baurecht sind zwar noch Bereiche, die an ESG angepasst werden müssen. Doch der Wille bei den Betroffen scheint vorhanden. Das gestiegene ökologische Bewusstsein generell sowie die aktuellen Energiepreisentwicklungen tragen dazu bei, dass bei Eigentümern und NutzerInnen das Interesse an diesen Daten steigt, hohe Energiepreise machen Nachhaltigkeit, Energiesparen und damit CO2-Reduktion besonders interessant.

Der Fokus auf die Kosten für einmalige Maßnahmen tritt in den Hintergrund. Nicht nur sind die ESG-Bestimmungen unumgänglich, Nachhaltigkeit rentiert sich auch finanziell. Die Einsparungskosten etwa im Bereich Energie überschreiten die Sanierungskosten mittelfristig deutlich. Und auch bei InvestorInnen steigt die ESG-Sensibilität, auch im Immobilienbereich. Immobilien, die den ESG-Anforderungen entsprechen, profitieren von einer größeren Nachfrage und einer höheren Rendite.

Beratung durch Experten empfehlenswert

Egal ob Eigenheim oder Asset-Portfolio: Bestandsgebäude im Sinne der ESG nachhaltig zu machen, ist durchaus möglich. Die Zusammenarbeit mit Experten lohnt sich allemal. Gemeinsam mit diesen verschafft man sich einen Überblick darüber, welche Daten vorliegen und wo und wie wichtige fehlende Daten erhoben werden können. Gemeinsam wird ein Datenprozess aufgesetzt, aus dem sich ein konkreter Maßnahmenkatalog ableiten lässt. Tipp: Viele wertvolle Informationen lassen sich auch Nachhaltigkeitsberichten entnehmen. Für börsennotierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen sind diese bereits verpflichtend. Ab 2025 kommen Unternehmen über 250 Mitarbeiter:innen hinzu, 2026 wird auf KMU ausgeweitet.