Nachhaltigkeit : Finanzvorstände zu EU-Taxonomie & Co.: „Man bewältigt das“

Baugespräch bei Horvath

An der angeregten Diskussion nahmen Teil (von oben links im Uhrzeigersinn): Harald Kind (CFO Swietelsky), Karl Steinmayr (CFO Habau), Klemens Eiter (CFO Porr), Peter Sattler (Horvath Unternehmensberatung), Wolfgang Ott (Finanzchef Lafarge Österreich) und Christoph Weber (Horvath). Moderator war Thomas Pöll (Solid)

- © Thomas Topf

Es war eine ungewöhnliche Runde, die sich da in den Horvath-Räumlichkeiten am Wiener Hauptbahnhof zusammenfand. Finden die Diskussionen in diesem jahrelang bewährten Forum normalerweise auf CEO- und Geschäftsführerebene statt, so waren diesmal vier Finanzchefs großer österreichischer Vertreter der Baubranche zugegen: Klemens Eiter (Porr), Harald Gindl (Swietelsky), Karl Steinmayr (Habau) und Florian Ott (Lafarge Österreich).

Eingeleitet wurde der Abend vom Fachimpulsvortrag von Peter Sattler, einem auf Taxonomie spezialisierten Vertreter von Horvath, der diesmal den Bauwirtschaftsexperten der Unternehmensberatung Christoph Weber begleitete.

Vor ein paar Jahren hätten wir noch gefragt: was soll der CFO mit Nachhaltigkeit zu tun haben?
Peter Sattler, Horvath
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„Vor ein paar Jahren hätten wir noch gefragt: was soll der CFO mit Nachhaltigkeit zu tun haben?“, eröffnete Sattler. Darum habe sich früher die Kommunikationsabteilung gekümmert. Mit der neuen Regulatorik habe sich das aber alles geändert und mittlerweile gehe es bei Nachhaltigkeit um „Daten, die auch prüfungsfest geliefert werden müssen.“

Nachhaltigkeit habe dabei das Problem, dass sie „alles und nichts wäre“. Für die Bauindustrie sei aber, so Sattler, der ökologische Aspekt der Nachhaltigkeit vorrangig, wie man auch der CxO-Studie von Horvath aus dem Jahr 2021 entnehmen habe können.

Beim Thema Nachhaltigkeit gehe es, so Sattler, sehr stark um die Ansprüche von unterschiedlichen Stakeholdern von Kunden über Mitarbeiter und Regulatorik bis zum Kapitalmarkt. Manche ökologisch nachhaltige Projekte würden sich etwa allein durch ein besseres Ecovadis-Rating bei Banken und damit günstigere Finanzierungsbedingungen selber in der Differenz refinanzieren. Das Thema werde auf jeden Fall an Bedeutung zunehmen und auch die gesamte Datenbearbeitung und KPIs auch in der Nachhaltigkeit immer mehr in Richtung CFO schieben.

Die CFOs würden dabei – einer eigenen CFO-Umfrage zufolge – unterschiedliche Rollen einnehmen, je nach Aktivitätsgrad über den sehr aktiven „Performance Manager“ bis zur mit dem CEO geteilten Rolle des „Sponsors“, zuständig auch für neue Geschäftsmodelle etc.

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Regulatorien und EU-Taxonomie würden für die börsennotierten Unternehmen jetzt schon zum täglichen CFO-Brot gehören und einer von Jahr zu Jahr immer detaillierteren Berichterstattungspflicht unterliegen, durch die im Entwurfsstadium vorliegende Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU würde sich die Zahl der betroffenen Unternehmen jedoch in Zukunft dramatisch vergrößern.

Zu erwarten sei auch eine Zunahme der Bedeutung der Berichterstattung über die nicht-finanziellen Ziele von Unternehmen – manche sprächen sogar davon, dass diese der finanziellen Berichterstattung nahezu gleichgestellt werden könnte. Dazu müsse auf jeden Fall die Datenqualität bei den Nachhaltigkeitsdaten gesteigert werden.

Aus der Perspektive des Beobachters erscheint das alles zunächst wie eine enorme Vergrößerung der Aufgaben der CFOs und es stellt sich unwillkürlich die Frage der Bewältigbarkeit. Wie sehen das die Betroffenen?

Wer auf der Bremse steht, dem wird es gehen wie Kodak
Harald Gindl, CFO Swietelsky
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Swietelsky-CFO Harald Gindl eröffnete die Diskussion mit einem sehr pragmatischen Ansatz: „Es ist mit Sicherheit so, dass all diese Dinge, vor allem alle mit der Taxonomie verbundenen, durch die Notwendigkeit des Reporting ganz klar im CFO-Bereich landen werden.“ Die Aufbereitung der Daten und das systemische Reporting beherrsche in der Bauindustrie letztlich nur der kaufmännische Bereich wirklich gut. „Es wird natürlich eine Herausforderung.“ „Wenn wir 2024 erstmals berichten sollen, brauchen wir 2023 schon eine sattelfeste Basis“, ergänzte Habau-Finanzchef Karl Steinmayr.

Leider habe man in der Baubranche im Unterschied zu Industriebetrieben mit drei oder vier Standorten eine wesentlich komplexere Datenbasis, dazu kämen alle Themen, die mit Arbeitsgemeinschaften und damit verbundenen Abgrenzungsnotwendigkeiten verbunden wären. Steinmayr: „Das wird ein äußerst komplexes Thema werden. Es muss einmal jeder schauen, dass er es in seinem Stall ordentlich strukturiert – und dann wird das jeder anders machen.“ Dazu komme, dass die ganze Sache massive Kosten verursachen würde.

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Das wird ein äußerst komplexes Thema werden. Es muss einmal jeder schauen, dass er es in seinem Unternehmen für sich ordentlich strukturiert.
Karl Steinmayr, CFO Habau
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Die ganze Organisation werde sich drehen müssen, ergänzte Gindl, und das in einer gewinnorientierten Branche mit überschaubaren Margen. „Die Nachhaltigkeitsnotwendigkeiten kannibalisieren zunächst einmal sicher die Gewinne, langfristig wird sich daraus aber ein gutes Geschäftsmodell ergeben“, sagte Gindl.

Das Tempo dabei gibt die Regulatorik vor, meinte Steinmayr, und das könne sicher zu Verwerfungen führen. „Aber wer auf der Bremse steht, dem geht es wie Kodak“ (Gindl)

Dabei wird die österreichische Perspektive allein die Fragen nicht beantworten. So berichten etwa international tätige Architekturbüros immer häufiger, dass in jedem Land die Nachhaltigkeitsdaten aufgrund anderer Kriterien berechnet werden würden.

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Vom Kapitalmarkt und von den Berichtspflichten kommt Druck, aber abhängen tun wir von den Kunden. Wir sind letztlich Dienstleister.
Klemens Eiter, CFO Porr
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„Es ist einfach eine eigene Disziplin, die zusätzlich zur finanziellen immer wichtiger wird“, warf Porr-CFO Klemens Eiter dazu ein. Am Kapitalmarkt sei diese allerdings für sein Unternehmen bereits Realität. Dinge wie die Taxonomie würden da nur noch einen Turbo dazu schalten. Eiter verglich die Situation, wie sie sich jetzt bezüglich Nachhaltigkeit darstellt, mit der Situation vor ca. 20 Jahren rein im Bezug auf die Finanzen. „Damals wie heute hat es sehr viel Wildwuchs gegeben. Die Institute haben die Ratings selber gemacht etc. und das funktioniert jetzt genau so. Es gibt ein paar Agenturen und Fonds, die mit ihren je eigenen Ratings ein Geschäft machen wollen. Ich bin gar nicht so optimistisch, dass da eine Konvergenz da ist.“ Und die Taxonomie setze sich wie eine Matrix noch einmal oben drauf.

Am Ende werde es aber, so Eiter, darum gehen, Ziele vernünftig definieren, messen und die Fortschritte zeigen zu können. „Wir haben da sicher im Bau noch einmal eine eigene Herausforderung. Aber da kann man jetzt meckern oder nicht, es ist einfach Realität. Wir sind am Kapitalmarkt und brauchen einfach ein Mindest-ESG-Rating, sonst bin ich bei den Fonds nicht drin. Das ist einfach eine eigene Welt, die man hochzieht.“

Mittelfristig werde sich aber alles konsolidieren und man dürfe jetzt nicht die Nerven verlieren. Es sei schon einiges gelungen, der Druck höre nicht auf, aber man dürfe nicht skeptisch sein, sagte Eiter. „Man bewältigt das.“

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Dem pflichtete Karl Steinmayr (Habau) bei: „Wir haben noch alles rübergebracht, da müssen wir keine Angst haben.“ Seine Bedenken gingen allerdings in die Richtung eines starken Eingriffs in den Alltag. „Wie geht man etwa mit einem Lieferanten um, wenn der weiter entfernte günstiger ist als der näher gelegene?“

Zu diesem Thema war natürlich Lafarge-Österreich-CFO Florian Ott der Richtige. „Ich kann das nur bestätigen. Mit dieser Thematik sind wir schon seit drei bis fünf Jahren beschäftigt.“ Für ihn als CFO einer Länderorganisation sei es allerdings insofern anders, als es an der Konzernspitze einen eigenen Nachhaltigkeitsvorstand und in den einzelnen Ländern Nachhaltigkeitsverantwortliche mit einer gewissen Parallelstruktur gäbe.

Als Zulieferer sind wir mit dieser Thematik schon seit drei bis fünf Jahren beschäftigt.
Florian Ott, Finanzchef Lafarge Österreich
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In der Folge drehte sich das Gespräch um die mögliche Aufwertung der nicht-finanziellen Ziele und deren Gegensatz zu durch ökologischere Bauweise entstehenden höheren Projektkosten, die ihrerseits immer wieder dazu führten, dass man am Ende doch die traditionelle, weniger ökologischere, aber finanziell günstigere Variante herstellen würde.

Karl Steinmayr brach in diesem Zusammenhang eine Lanze für die Fortschrittlichkeit der Baubranche. „Uns haftet immer ein bisschen ein altertümlicher Ruf an, aber es ist beachtlich, wie sich die Leute bei dem Thema auf die Schienen werfen!“ Wichtig wäre es aber, die Schlüsselpositionen gleich zu betrachten und zu bewerten und da sei er im Hinblick auf die beteiligten Player skeptisch.

Alles in allem aber werde der Baubranche die täglich zu übende und über lange Jahre gelernte Improvisationskraft zugute kommen. „Das beginnt beim Wetter und endet bei strategischen Dingen.“ Er habe noch niemand gesehen, der Taxonomie und Co. rundheraus ablehnen würde, aber es würde alles sehr genau hinterfragt, was vor dem Hintergrund der möglichen Verfünffachung der berichtspflichtigen Unternehmen durch die CSRD eine enorme Menge an Einzelthemen und -problemen aufwerfen würde. „Was wir uns aber auf jeden Fall wünschen müssen ist, dass das Thema von unseren Auftraggebern auch entsprechend bewertet wird, davon redet man in dem Zusammenhang viel zu selten.“

Manche folgen eher anderen und manche versuchen, sich einen strategischen Vorteil zu verschaffen. In der Baubranche ist der Anteil der Follower vergleichsweise groß.
Christoph Weber, Horvath
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Eiter pflichtete bei: „Vom Kapitalmarkt und von den externen Berichtspflichten kommt der volle Druck, aber abhängen tun wir von den Kunden. Wir sind letztlich Dienstleister. Mir fehlt da ehrlich gesagt ein bisschen politisch der Schub in diese Richtung. Ich würde mir da etwas mehr erwarten als Regulatorik in unsere Richtung.“

Die Umstellung beim Kunden, meinte Harald Gindl, würde etwas später kommen, aber sie würde mit Sicherheit kommen, weil die Kunden im großen und ganzen irgendwann in der selben Lage wären, was etwa Finanzierung etc. beträfe.

Auf jeden Fall aber sahen alle anwesenden CFOs ihre Rolle als Performance Manager und die Notwendigkeit, die nicht-finanziellen Ziele zahlenmäßig möglichst gut und verlässlich mess- und den Weg dorthin damit steuerbar zu machen. „Das geht in alle unsere Prozesse hinein, in alle Budgetierungen, Investitionen etc.“ schloss Gindl.

Wie legt man da jetzt Investitionen an angesichts einer Taxonomie, in der es ja ständig Veränderungen gibt, fragen wir? Gindl: „Darum sind wir ja alle erst beim Thema Berichterstattung und noch nicht beim Zusammenspiel und beim CSRD.“ Florian Ott ergänzt aus der Sicht der Zulieferindustrie: „Wir sind da schon einmal einen Schritt gegangen und haben mit einem Institut zusammen Klimaziele incentiviert und haben daraus Ziele entwickelt, die wir herunterbrechen können und auf Basis dessen wir unseren Klimabericht verfassen können.“

Aus der Sicht des Unternehmensberater schloss Christoph Weber von Horvath: „Es ist sicher in der Branche heterogen. Manche folgen eher anderen und manche versuchen, sich einen strategischen Vorteil zu verschaffen. Tendenziell ist aber der Anteil der Follower in der Baubranche größer als der der Leader.“