Interview Landesinnungsmeister Anton Rieder : „Systematisierte Vorfertigung wird eine zentrale Rolle einnehmen“
Als Landesinnungsmeister vertreten Sie die Interessen der Tiroler Bauwirtschaft. Wie sehr ist Ihre Arbeit durch die derzeitigen Krisen geprägt und welche Anforderungen werden an Sie gestellt?
Anton Rieder: Natürlich machen die gegenwärtigen Herausforderungen auch vor unseren Mitgliedsbetrieben nicht Halt. Jedoch haben wir seitens der Landesinnung nur bedingte Möglichkeiten, diesen globalen Entwicklungen entgegenzuwirken. Wir können Aufklärungsarbeit leisten sowie Informationsveranstaltungen anbieten, um unseren Mitgliedern unter die Arme zu greifen. Darüber hinaus versuchen wir im Sinne der Interessensvertretung verbesserte Rahmenbedingungen auf Bundesebene zu schaffen. Beispielsweise möchten wir einen Energiepreisdeckel für Unternehmen erwirken. Am Ende des Tages sind allerdings die Betriebe selbst gefordert, mit der aktuellen Situation umzugehen.
Was sind Ihre Lösungsansätze für die Baupreissituation?
Wir unterstützen unsere Mitgliedsbetriebe, indem wir sie laufend darauf hinweisen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu handeln und an unmittelbar beeinflussbaren Schrauben im Unternehmen zu drehen. Um die steigenden Kosten langfristig besser in den Griff zu bekommen, müssen Betriebsabläufe optimiert und Prozesse standardisiert werden. Nur durch ein ausgeklügeltes Kapazitäts- und Projektmanagement-Konzept sowie eine ganzheitliche Softwarelösung zur Ressourcenplanung kann man erkennen, wo im Unternehmen Möglichkeiten zur Kostenreduktion bestehen. Zudem liegt insbesondere in einem erhöhten Digitalisierungs- und Vorproduktionsgrad enormes Einsparungspotenzial. Generell wird die systematisierte Vorfertigung in Zukunft eine zentrale Rolle einnehmen
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Anton Rieder, Landesinnungsmeister Bau Tirol
Dank der ergriffenen Maßnahmen im Zuge der Digitalisierung und Neuausrichtung der Lehre ist es uns gelungen, die Attraktivität der Ausbildung zu steigern. Man kann an den Zahlen deutlich erkennen, dass der Lehrberuf in den vergangenen Jahren leicht an Beliebtheit gewonnen hat.
Im Zuge der Landesinnungsmeisterkonferenz im Frühjahr 2022 wurden Maßnahmen zur Krisenbewältigung im Baugewerbe beschlossen. Wie hat die Resolution gefruchtet?
Der Beschluss hat den Boden für vernünftige Gespräche mit den Bauherren bereitet: Die Auftraggeber bringen inzwischen ein gewisses Verständnis dafür auf, dass die Baupreisexplosion auch unsere Betriebe vor große Herausforderungen stellt. Die Resolution kann demnach als Wegbereiter betrachtet werden, um den Bauunternehmen zu ermöglichen, gesteigerte Preise bei den Bauherren durchzubringen. Am Ende liegt es jedoch wieder an dem einzelnen Betrieb, ob und in welcher Höhe eine Deckung der Mehrkosten erfolgt.
Wann rechnen Sie mit einer Erholung und einer Beruhigung der Lage?
Ich gehe davon aus, dass es einen Rückgang der Kosten geben wird. Zumindest sollte sich die Situation bis Anfang 2024 insofern beruhigen, dass wir nicht laufend mit Preisexplosionen konfrontiert sind und wir wieder in ruhigeres Fahrwasser geraten.
Stichwort Fachkräftemangel: Welche Initiativen gibt es seitens der Innung dagegen und wie macht sich die Situation in Tirol bemerkbar?
Hinsichtlich der klassischen Lehre gibt es erfreuliche Entwicklungen zu berichten: Dank der ergriffenen Maßnahmen im Zuge der Digitalisierung und Neuausrichtung der Lehre ist es uns gelungen, die Attraktivität der Ausbildung zu steigern. Man kann an den Zahlen deutlich erkennen, dass der Lehrberuf in den vergangenen Jahren leicht an Beliebtheit gewonnen hat. Im Sinne der Digitalisierung statten wir unsere Lehrlinge nicht nur mit einem Tablet aus, sondern geben ihnen mit der Plattform „E-Baulehre“ auch ein Tool in die Hand, welches sie ideal auf die Lehrabschlussprüfung vorbereitet. Außerdem wurden die Namen der Berufsbilder reformiert, sodass die Jugendlichen zwischen einer Laufbahn im Hoch-, Tief- oder Betonbau wählen können. Ganz neu bieten wir mit Herbst 2022 neue Ausbildungsoffensiven an, welche eine Karriere im zweiten Bildungsweg forcieren. Das Ziel besteht darin, schwach oder anders qualifizierten Arbeitskräften auf kompaktem Weg einen Zugang zum Bau zu verschaffen.
Wie realistisch ist die Umsetzung einer 4-Tage-Woche im Baubereich?
Man muss bedenken, dass eine Umstellung auf ein reines 4-Tage-Schema zehn Arbeitsstunden zuzüglich Zu- und Abfahrten pro Tag bedeuten würde, was für einen so harten Job wie den Bauberuf grenzwertig ist. Nichtsdestotrotz testen aktuell einige Mitgliedsbetriebe dieses alternative Arbeitszeitmodell. Da uns dazu aber bis dato noch keine Ergebnisse vorliegen, gilt es erstmals deren Erfahrungsberichte abzuwarten. Ich persönlich gehe jedoch davon aus, dass sich die 4,5-Tage-Woche wie bisher mit einer Woche vier, in der kommenden fünf Arbeitstagen, als Standardsystem etablieren wird und man Projekt- oder Baustellen bezogen auf andere Modelle umsteigt.
Welche Themen beschäftigen Sie persönlich gerade bei der Tiroler Bauinnung?
Einerseits steht die räumliche Erweiterung der BauAkademie Tirol ganz oben auf der Agenda. Um in gebührendem Maße auf die neuen Ausbildungsangebote eingehen zu können, bauen wir unsere Fortbildungsstätte aus. Wir befinden uns gerade in der Vergabephase und planen, die Aufstockung mit Mitte 2024 fertigstellen zu können.
Andererseits findet heuer im Rahmen der Innsbrucker Herbstmesse von 5. bis 9. Oktober der Bundeswettbewerb der Hochbauer, bei dem die besten Nachwuchs-Fachkräfte Österreichs ihr Können unter Beweis stellen, bei uns in Tirol statt. Unser Team übernimmt die Organisation und Durchführung dieser Veranstaltung.
Wie sehr wird sich die Baubranche durch die Einflüsse bedingt durch die Krisen bis 2025 verändern?
Da die Anforderungen an die Branche sowie die Komplexität der Projekte voraussichtlich zunehmend steigen, erwartet den Bausektor wohl oder übel eine schleichende Konsolidierung im Mittelstand. Wir werden uns immer häufiger mit Fragen rund um den Klimawandel – ganz gleich, ob es energieeffizientes Bauen an sich oder einen möglichst ressourcenschonenden Betrieb des Gebäudes betrifft – auseinandersetzen müssen. Zudem gilt es die Digitalisierung – wohl wissend, dass unsere Industrie nicht optimal darauf vorbereitet ist – weiter voranzutreiben. Ich befürchte, dass es in Zukunft darauf ankommt, wer mit diesen Entwicklungen Schritt halten kann und wer nicht.