Nachhaltigkeit : Reallabor Gebäude: Klimaneutrales Sanierungskonzept

Billrothgasse Rendering

So soll das Objekt in der Grazer Billrothgasse nach der Sanierung aussehen.

- © pixLab studios / Gangoly & Kristiner Architekten ZT GmbH

Sanierung ständiges Thema

Innerhalb des Gebäudeportfolios von ÖWG Wohnbau sind derzeit ca. 20 bis 30 Prozent der Bestandsgebäude in unterschiedlichen Ausprägungen saniert, wobei seit rund vier Jahren nach Möglichkeit der Fokus auf umfassende thermische Sanierungsmaßnahmen gelegt wird. Dieser Schwerpunkt wird weiter ausgebaut und im Hinblick auf Klimaschutz und Klimawandelanpassung erweitert. In den nächsten Jahren werden Sanierungsraten in Höhe von 3 bis 4 Prozent pro Jahr angestrebt.

Einbindung von Stakeholdern und Partnern

Ziel des Sondierungsprojekts „Reallabor Gebäude – Gebäude als Reallabor für klimaneutrales, bedarfsgerechtes und leistbares Wohnen“ im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) war es, Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung bei Sanierungs- sowie Bestandserweiterungs- und Nachverdichtungsprojekten strategisch zu verankern und für ein konkretes Pilotobjekt in Graz ein umfassendes, klimaneutrales Sanierungskonzept zu entwickeln, das in weiterer Folge auch umgesetzt werden soll und eine Multiplizierbarkeit zulässt.

Für das Sanierungskonzept, das von ÖWG Wohnbau gemeinsam mit den Projektpartnern AEE INTEC und StadtLabor entwickelt wurde, standen die Themen Klimaneutralität und Klimawandelanpassung im Fokus. Im Rahmen der Sondierung wurden folgende Themenbereiche in Bezug auf Dekarbonisierungs- und Effizienzpotenziale betrachtet: Gebäude, gebäudetechnische Systeme und Energieversorgung, Mobilität, Freiflächen, Grün- und Mikroklima und Sommertauglichkeit, Bewohner:innen (Nutzer:innenverhalten, Klimaschutz im Alltag der Bewohner:innen, Beziehungsebene zu Hausmanagement), soziales Gefüge (gemeinschaftlich nutzbare Räume, Begegnungsorte), Lebenszyklusplanung und Kreislaufwirtschaft, Leistbarkeit sowie Wirtschaftlichkeit.

>> Nie mehr eine wichtige Neuigkeit aus der Baubranche verpassen? Abonnieren Sie unseren viel geklickten Newsletter! Hier geht’s zur Anmeldung!

Innovative Lösungen für die identifizierten Themenfelder der Sanierung wurden über Co-Creation-Prozesse unter Einbindung von Stakeholdern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft generiert und gemeinsam bewertet. Auch die Bewohner:innen des Pilotobjekts erhielten die Möglichkeit, ihr Lebensumfeld aktiv mitzugestalten.

So sieht das Gebäude vor der Sanierung aus.

Das Reallabor: Gebäudekomplex in der Billrothgasse

Der aus den 1970er Jahren stammende Gebäudekomplex in der Grazer Billrothgasse besteht aus vier halbgeschossig, höhenversetzten Gebäudeteilen mit drei Wohngeschossen und insgesamt 15 Wohneinheiten. Die im Forschungsprojekt erarbeitete Studie des Architekturbüros Gangoly & Kristiner kombiniert eine behutsame Nachverdichtung mit einer umfassenden Sanierung der Bestandswohnungen und schafft zudem neue qualitative Außenräume. Durch die Aufstockung der Häuser um 1,5 Geschosse wurde die Gesamtkubatur vereinfacht, bauphysikalisch verbessert und auf zwei zusammenhängende Dachflächen reduziert. Auf den extensiv begrünten Flachdächern werden Photovoltaik-Module angeordnet. Mit der Aufstockung werden je nach Variante vier bzw. sechs neue Wohneinheiten in Leichtbauweise (Holz-Riegelbau) mit Nutzflächen von 49 m² bis 127 m² gewonnen. Die Errichtung von zwei neuen Liftanlagen ermöglicht die barrierefreie Erschließung aller Wohnungen.

Die Bestandswohnungen bekommen durch innere Umbauten im Zuge der Sanierung barrierefreie Sanitärräume. Die Balkone erhalten textilen Sonnenschutz, neuen Bodenbelag und einen Sichtschutz-Blendrahmen am Geländer, indem Pflanzen Platz finden und so zur Gesamtbegrünung beitragen. Der Kellergeschoss-Grundriss wird so adaptiert, dass in den vom Garten zugänglichen Räumen Nutzungen wie z.B. ein Gemeinschaftsraum, eine Werkstatt, ein Winterquartier für Pflanzen oder ein Fahrradabstellraum untergebracht werden können. Die gesamte Wohnanlage erhält im Zuge der umfassenden Sanierung eine einheitliche Fassade mit einem vorgehängten hinterlüfteten Fassadensystem mit Putz (StoVentec). Die Putzträgerplatte besteht aus recyceltem Altglas. So bekommen die Häuser ein modernes und attraktives Erscheinungsbild.

Auch der Außenraum wird bedarfsgerecht und zeitgemäß gestaltet. Dabei bleiben die Bestandsbäume erhalten. Zur Stärkung der Nachbarschaft ist im Freibereich eine Laube als sozialer Treffpunkt für Gemeinschaftsaktivitäten geplant. Es entsteht zudem ein neuer überdachter Bereich für Müll und Fahrräder. Mehrere Spaliere und Rankgerüste ermöglichen eine künftige bodengebundene Fassadenbegrünung. In der Nähe des Gemeinschaftsraumes sind Hochbeete für Urban Gardening geplant.

Mock-Up der Sto-Ventec-Fassade mit Putzträgerplatte auf dem bestehenden Wärmedämmverbundsystem

Einreichplanung vorbereitet

Auf Basis des Sanierungskonzepts und der Vorstudie für das Objekt Billrothgasse werden ÖWG-intern die weiteren vertiefenden Bewertungs- und Planungsschritte gesetzt und die Umsetzung der Sanierung vorbereitet (Einreichplanung). Die in der Sondierung erarbeiteten Zielbilder, Kriterienkataloge, ergänzenden Planungstools sowie der Maßnahmenpool werden bei zukünftigen Sanierungsvorhaben in der Praxis erprobt.

>> Lesen Sie dazu auch: Wie bauen wir 2040?

„Das Thema Bauen wird sich künftig gravierend ändern. In Zukunft wird man mehr revitalisieren und nachverdichten müssen. Mit diesem Konzept und der Vorstudie haben wir daher einen Schritt in diese Richtung gemacht“, so Christian Krainer, Vorstandsdirektor von ÖWG Wohnbau.