Immobilien : Insolvenzwelle als Tiefpunkt
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Offiziell hört man aus dem Firmensitz der kriselnden Signa Holding auf der noblen Freyung in der Wiener City nichts. Das heißt, fast nichts. Denn am 8. November 2023 wurde via Presseaussendung verlautbart, dass René Benko mit sofortiger Wirkung den Beiratsvorsitz zwecks Restrukturierung an Arndt Geiwitz übergab. Größter Gesellschafter bleibt dennoch die Familie Benko Privatstiftung. “Es gilt nun, Vertrauen wiederherzustellen, dazu will ich meinen Beitrag leisten. Das Immobilienportfolio von Signa ist und bleibt einzigartig. Ich bin absolut sicher, dass das Unternehmen eine sehr gute Zukunft haben kann“, wird Benko in der Aussendung zitiert. Zwei Tage später wurde ebenfalls in Form einer Pressemitteilung kommuniziert, dass Ralf Schmitz als Chief Restructuring Officer fungieren soll.
Lesen Sie hier den umfassenden Bericht von Chefredakteur Thomas Pöll zur Signa Pleite.
Ziel ist es, einen Plan für die wesentlichen Schritte der Restrukturierung zu erarbeiten. Ob diese klappt, bleibt abzuwarten. Nachträglich wollen es jedenfalls die Spatzen von den Dächern gepfiffen haben, dass die Immobiliengeschäfte der Signa Holding die Stabilität eines Kartenhauses aufweisen. Doch weitere rot-weiß-rote Developer dürften um ihre Liquidität bangen. So gilt auch 6B47 als angezählt, seit kürzlich die Wirtschaftsprüfer von Deloitte ihren Bestätigungsvermerk für den Konzernabschluss 2022 zurückzogen.
Immoblienboom ausgeboomt
Auf die Frage nach den Gründen für die angespannte Situation heimischer Immobilienentwickler, antwortet Sebastian Beiglböck, Geschäftsführer der Vereinigung österreichischer Projektentwickler (VÖPE): „Einerseits natürlich die Zinslandschaft, die wir Österreich nicht beeinflussen können. Andererseits aber die hausgemachte hohe Inflation und nationale bürokratische Rahmbedingungen, die gerade jetzt kontraproduktiv wirken. Wir sehen die Gefahr, dass in zwei bis drei Jahren maßgeblich Wohnraum fehlt, weil derzeit kaum noch Projekte eingereicht werden. Dadurch werden die Preise schnell wieder steigen.“
Beiglböck verhehlt nicht, dass nachhaltig und verantwortungsvoll wirtschaftende Developer auf Konjunkturzyklen vorbereitet sein müssen: „Schließlich erlebten wir 15 Jahre lang einen kaum jemals dagewesenen Immobilienboom. Da galt es, Eigenkapital aufzubauen und die eigenen Assets zu stärken.“
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VÖPE-Geschäftsführer Sebastian Beiglböck
„Wir erlebten 15 Jahre lang einen kaum je dagewesenen Immobilienboom. Da galt es, Eigenkapital aufzubauen und die eigenen Assets zu stärken.“
Von möglichen Gewinnern und etwaigen Verlierern
Matthias Ortner, Equity-Partner beim Wiener Beratungs- und Investmentunternehmen Advicum (siehe auch das Interview), ergänzt: „Probleme haben die, die nicht frühzeitig refinanzierten, die spät und teuer Grundstücke erstanden, wahllos ohne Berücksichtigung der Lage kauften und eine geringe Eigenkapitalbasis haben. Wer nachhaltig wirtschaftete und rechtzeitig auf die Bremse stieg, wird mit einem blauen Auge davonkommen. Wer Eigenkapital hat, wird günstig einkaufen können. Wer frühzeitig das Geschäftsmodell auf Dienstleistungen mit wiederkehrenden Einnahmen – wie durch Hausverwaltungs- oder Beratungsleistungen im Bereich nachhaltige Sanierung – diversifizierte, wird voraussichtlich als Gewinner aus der Krise hervorgehen.“
Von möglichen Gewinnern zurück zu den etwaigen Verlierern. In Deutschland meldeten mit Centrum, Euroboden, Development Partner, Gerchgroup sowie der Project-Gruppe bereits namhafte Developer Insolvenz an. Damit es in Österreich nicht so weit kommt, müssen laut Beiglböck einige rechtliche Rahmenbedingungen, die den Staat nicht viel kosten würden, angepasst werden; also die Entschärfung der KIM-Verordnung, die Verkleinerung der Zeiträume für die Absetzung für Abnutzung (AfA) wie in Deutschland sowie die Reduktion der Erwerbsnebenkosten für Immobilien. „Unserer Forderung nach Verlängerung der steuerrechtlichen Liebhabereifristen wurde immerhin schon vom Finanzminister aufgenommen. Für die Sanierung des Bestandes müssten endlich auch die heiße Kartoffel des Mietrechts aufgenommen und die Wohnbauförderung neu gedacht werden“, so der Geschäftsführer der VÖPE.
Sinkende Immobilienbewertungen
Unterm Strich leiden die Developer, weil sie ihre Projekte in der Regel mit gehörig Fremdkapital finanzieren, wie kaum eine zweite Branche unter der Zinswende. Die Banken halten sich wie erwähnt bei der Kreditvergabe zurück. Gleichzeitig sinken die Immobilienpreise beziehungsweise -bewertungen. Die Auftragslage trübt sich ein.
Die Talsohle, in der die Entwickler – nicht nur in Österreich – derzeit stecken, ist ergo eine tiefe. 2024 wird sich die Spreu vom Weizen trennen.
„Right sizing“ als Überbegriff
Matthias Ortner, Equity-Partner bei Advicum, erachtet eine Marktbereinigung ohne politische Eingriffe als notwendig. Um grundsätzlich gesunden Unternehmen über die Krise zu helfen, plädiert er für gestützte Zwischenfinanzierungen.
SOLID: Nach der Expo Real wurde medial kolportiert, dass in Deutschland die Hälfte der Immobilienprojektentwickler die Insolvenz droht. Ihre Einschätzung?
Matthias Ortner: Es wird eine massive Anzahl an Entwicklern in die Insolvenz schlittern; das ist fix. Ob es die Hälfte ist, wird man sehen. Nicht jeder Developer wird Insolvenz anmelden müssen. Es gibt durchaus welche, die vorausschauend gewirtschaftet und ihre Geschäftsmodelle bereits angepasst haben, beispielsweise punkto nachhaltige Gebäudesanierungen und ESG-Beratung. In jedem Fall kommt es durchgehend zu massivsten Personalreduktionen.
SOLID: Die heimischen Developer stehen nicht besser da, richtig?
Ortner: Sie werden von der aktuellen Entwicklung nicht verschont. Einer der österreichischen Marktführer kämpft bekanntlich gerade ums Überleben.
SOLID: Was sind die Ursachen für die Krise hierzulande? Was bedeutet sie gesamtwirtschaftlich und gesellschaftlich für Österreich?
Ortner: Die steigenden Baukosten, die Inflation, die Auswirkungen aus der FMA-Regulatorik im Bereich der Finanzierung und letztendlich die massiv gestiegenen Zinsen zur Inflationsbekämpfung sind ein toxisches Gemisch, das zu der aktuellen Lage führte. Ungeachtet dessen muss man festhalten, dass die Entwicklung der Immobilienpreise in den letzten Jahren auf keinem stabilen Fundament stand, sondern durch Spekulation getrieben wurde. Letztendlich auch deshalb, weil die attraktive Zinslandschaft bei kontinuierlich steigenden Immobilienpreisen zu eben dieser Spekulation förmlich eingeladen hat. Das Argument „demographische Entwicklung“, das regelmäßig als Ursache und Rechtfertigung für steigende Preise speziell im Wohnungssegment herangezogen wurde, wird aktuell als nicht ausreichend entlarvt.
Gesamtwirtschaftlich wird es natürlich eine massive Auswirkung haben, da viele Branchen maßgeblich von der Immobilienbranche abhängen. Somit kann man hier nicht nur von einer Krise der Immobilienwirtschaft sprechen. Die Sogwirkung wird weitere Branchen mitziehen.
SOLID: Welche Gegenmaßnahmen müssten jetzt von der Politik ergriffen werden?
Ortner: Eine Marktbereinigung ohne politische Eingriffe ist heilsam und notwendig für die gesamte Branche. Um die Effekte aber ein wenig abzufedern und grundsätzlich gesunden Unternehmen über die Krise zu helfen, kann man gestützte Zwischenfinanzierungen andenken. Eine Steigerung von Förderungen im Bereich der nachhaltigen Gebäudesanierung kann alternative Auftragsquellen schaffen. Eine Reformierung der KIM-Kriterien durch die FMA ist ebenfalls ein möglicher Baustein, der ja bereits intensiv diskutiert wird.
SOLID: Welche Maßnahmen müssen die Projektentwickler selbst setzen?
Ortner: Wir können „right sizing“ als Überbegriff zur Beschreibung der erforderlichen Maßnahmen heranziehen. Das umfasst Refinanzierung, Abverkauf von Grundstücken, Personalreduktion und Diversifikation der Geschäftsfelder in Richtung zukunftsfähiger Bereiche wie – wie erwähnt – nachhaltige Gebäudesanierung, ESG-Beratung und Immobilienmanagement.