Baukonjunktur : Bauboom - ist die Party wirklich vorbei?
Inflation, Baukosten, Lieferprobleme, Energiepreise, Kreditvorgaben
Jetzt aber wirklich. Jetzt aber wirklich? Nachdem Corona der Baubranche – zumindest direkt – nur wenig anhaben konnte, hat das seit nunmehr fast drei Jahren währende ständige Krisengezüngle nun auch die Bauwirtschaft erreicht. Zumindest pfeifen das die Wirtschaftsforscher und Bankanalysten von den Dächern.
Nach einem Rekordjahr 2021 werde der Markt 2022 laut Wifo in der Endabrechnung stagnieren, 2023 stehe ein Einbruch von zwei bis drei Prozent ins Haus, sagte etwa Wifo-Experte Michael Klien im Ö1-Interview. Gründe dafür seien Inflation, höhere Baukosten, Lieferprobleme und vor allem beim privaten Wohnbau die neuen Kreditvorgaben, die einen höheren Eigenmittelanteil fordern. Eine Regelung, über die schon länger geredet worden und die an sich sinnvoll sei, aber jetzt „zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt“ komme, so Klien.
Man muss sich das, glaube ich, noch einmal anschauen, ob der Zeitpunkt günstig war oder ob in der momentanen Situation diese Kreditregulierung nicht noch mehr Schwankungen auslöst und eigentlich die Stabilität gefährdet.Michael Klien, WIFO
Die neuen Kreditregeln
Für den Erwerb einer Immobilie muss der Käufer 20 Prozent des Kaufpreises (inklusive Nebenkosten) in Form von Eigenkapital nachweisen können, die monatliche Kreditrate darf höchstens 40 Prozent des monatlich verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmachen und die Laufzeit der Finanzierung 35 Jahre nicht übersteigen. Insgesamt dürfen bei einem Kreditinstitut maximal 20 Prozent aller Kredite eine der Obergrenzen überschreiten.
Die Inflation und damit die lange erwartete Zinswende haben dabei nicht erst mit dem Ukraineüberfall durch Russland, sondern schon im Sommer 2021 begonnen. Das alles hatte natürlich etwas (aber nicht alles, manches hat seine Ursachen in langfristigen Entwicklungen) mit den Lieferkettenproblemen zu tun und dabei besonders mit der tagelangen Blockade des Suezkanals im Frühjahr und dem damit gekoppelten Containermangel und -chaos. Dadurch gab es reale Schwierigkeiten, aber auch ein veritables Trittbrettfahrerthema. „Das Problem ist herauszufinden, wer die Trittbrettfahrer sind und wer seriös handelt“, sagte damals der zu der Zeit Noch-Strabag-Vorstand Peter Krammer (im Jänner 2023 wechselt Krammer zu Swietelsky und wird dort ab April als Nachfolger von Karl Weidlinger Vorstandsvorsitzender, Anm.).
Neubaubewilligungen sinken seit zwei Jahren
Die Ergebnisse der aktuellen Wohnbauförderungsstatistik, die alljährlich vom Fachverband der Stein- und keramischen Industrie mit dem Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) erstellt wird, spiegeln die Krisenstimmung wieder.
„Erstmal seit vielen Jahren gab es im vergangenen Jahr sowohl bei den Baubewilligungen als auch bei den ausgeschütteten Fördermitteln und den geförderten Wohneinheiten gleichzeitig massive Rückgänge“, sagte Robert Schmid, Obmann des Fachverbands und Chef der Wopfinger-Gruppe. „Die steigenden Baukosten aufgrund zunehmender Energiepreise und neugeordneter Lieferketten trugen dazu bei, dass immer seltener Fixpreisangebote abgegeben werden konnten. Diese Variabilität dämpfte natürlich die Nachfrage“, so Schmid.
Wurden 2020 noch 78.000 Wohneinheiten baubewilligt, waren es 2021 nur mehr 73.000. Für das laufende Jahr 2022 rechnete der Verband nur mehr mit 62.000 Baubewilligungen. Die Ausgaben der Wohnbauförderung sanken 2021 unter zwei Mrd. Euro - der niedrigste Wert seit 30 Jahren.
Die UniCredit Bank Austria sieht als Ergebnis ihrer Konjunkturbefragung zwar auch dunkle Wolken am Bauhorizont, dennoch erwartet UniCredit-Bank-Austria-Ökonom Günter Wolf: "Die Bauwirtschaft verliert 2022 im Vorjahresvergleich zwar an Schwung, wird aber das Jahr mit einem kräftigen nominellen Plus beenden." Stärkere Wachstumsimpulse seien auch über 2022 hinaus im Bereich der Hochbausanierungen und voraussichtlich im Tiefbau zu erwarten. "Beide Sparten profitieren von den Förderungen für Klimaschutzmaßnahmen", so Wolf.
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Innung konstatiert "enorme Hürden" und ortet Handlungsbedarf für Politik
„Im Vergleich mit anderen Branchen hat die Bauwirtschaft die Krisen der Vergangenheit relativ unbeschadet überstanden. Die hohen Energiekosten machen jetzt aber uns allen zu schaffen. Wir sind nun mit enormen Hürden konfrontiert, die es gemeinsam zu stemmen gilt“, sagt der oberösterreichische Landes- und stellvertretende Bundesinnungsmeister Norbert Hartl.
„Teuerungen, zusätzliche CO2-Steuern, hohe Energiepreise, steigende NoVA, Kreditklemmen bei Privaten oder eine sinkende Kaufkraft durch die Inflation sind nur einige Knackpunkte, die auf uns zukommen. Es besteht Handlungsbedarf, insbesondere für die Politik“, betont Hartl. Alleine aufgrund der CO2-Bepreisung müsse mit steigenden Baustoffkosten gerechnet werden, was zum Nachfrageeinbruch beim Privatbau führe. Aber auch im Industrie- und Gewerbebereich beginnt die Nachfrage zu bröckeln. „Mit diesen Aussichten werden sich nächstes Jahr keine überzogenen Lohnerhöhungen ausgehen. Massive Arbeitslosigkeit im Bauhauptgewerbe und Insolvenzgefahr für viele Unternehmen sind andererseits zu befürchten. Denn die extremen Anstiege bei Energiekosten und Baupreisen lassen sich am Markt nicht durchsetzen“, warnt Hartl. Und Martin Greiner, Landesinnungsmeister des Bauhilfsgewerbes, ergänzt: „Einzelne Berufsgruppen haben bereits große Einbrüche zu verzeichnen und jedes einzelne Unternehmen hat seine eigenen Probleme zu meistern. Ungeachtet dessen sind wir weiter optimistisch, zumal wir trotz ständiger Krisenverschärfungen immer wieder derartige Situationen im Sinne aller bewältigen können.“
Die extremen Anstiege bei Energiekosten und Baupreisen lassen sich am Markt nicht durchsetzen.Norbert Hartl, OÖ-Landesinnungsmeister
Strabag-CEO sieht „kein allgemeines Baurezessionsszenario“
Gleichzeitig eilen die großen Firmen der heimischen Baubranche von Strabag über Porr bis zum Baustoffriesen Wienerberger von finanzieller Erfolgsmeldung zu finanzieller Erfolgsmeldung. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, dass es angesichts des Arbeitskräftemangels und der Materialpreise gar nicht so schlecht wäre, wenn sich das Geschäft ein wenig beruhigen würde.
Einzelne Bereiche sind sicherlich betroffen, auch gegenwärtig schon, aber andere werden da stabilisieren.Thomas Birtel, CEO Strabag
Entsprechend sieht auch die Einschätzung der Lage bei den Konzernen aus. So sagt Noch-Strabag-CEO Thomas Birtel (der Ende 2023 wegen der Altersregelung seinen Posten verlässt und unter anderem in den Wienerberger-Aufsichtsrat einzieht, sein Nachfolger als Strabag-CEO wird Klemens Haselsteiner, Sohn des Firmengründers Hans-Peter Haselsteiner): „Ich würde für Deutschland und für unsere europäischen Märkte jetzt kein allgemeines Baurezessionsszenario an die Wand malen. Das muss man sehr viel differenzierter betrachten. Aber trotzdem trifft es manche Marktteilnehmer dann doch recht negativ, wenn sie eine Fokussierung auf ein problematisches Baufeld haben. Wenn also jemand sich spezialisiert hat auf den Eigenheim- und den Einfamilienhausbau, dann hat er im Moment wahrscheinlich ein Problem. Die Unternehmen, die wie wir breit aufgestellt sind und immer auf eine Diversifikation geachtet haben, geografisch und sachlich, trifft das nicht in dem Ausmaß.“
Wenn der Platzbedarf tatsächlich gegeben ist, werden viele vermehrt auf Wohnungseigentum oder Mietwohnungen umdisponieren müssen. Positiv betrachtet: Auch diese müssen gebaut oder saniert werden.Karl Weidlinger, CEO Swietelsky
In die gleiche Kerbe schlägt auch Karl Weidlinger, CEO von Swietelsky: „Das stabilisierende Element ist im Moment nicht der Hochbau, sondern der Infrastrukturbau und der Tiefbau allgemein. Aber auch zur Erreichung der Ziele der angesagten Energiewende wird der Bau nicht das Problem, sondern wichtiger Teil der Lösung sein.“
Im Hochbau sei der Auftragseingang nicht nur im Wohn-, sondern auch im Gewerbebau aufgrund der allgemein ungewissen Zukunft bezüglich Energie-, Rohstoff- und Finanzierungskosten leicht rückläufig. Auch die mit Oktober eingeführte CO2 Steuer schlage auf alle Materialien durch und in einigen Baustoffbereichen werde durch vorübergehende oder endgültige Stilllegung von Produktionen künstlich Verknappung betrieben und die Preise hoch gehalten oder weiter in die Höhe getrieben.
In den Baugewerbebetrieben sähe es allerdings, so Weidlinger, tendenziell anders aus. „Dort scheint wirklich Feuer am Dach zu sein, man spricht von 50 bis 75 Prozent geplanter Einfamilienhausbauten, die zumindest zurückgestellt, wenn nicht gänzlich abgesagt werden.“
Die Party ist vorbei – es darf gearbeitet werden
War es das also wirklich mit dem Bauboom? Derzeit scheint die Antwort zu sein: Zumindest mit der großen Party ist es vorbei. Das bietet auch Chancen und schafft Zeit bei der Lösung etwa des Facharbeiterproblems. Doch wer hauptsächlich im kleinen Wohnbau tätig ist, hat vermutlich eine harte Zeit vor sich und tut gut daran, sich das Feld der Sanierung genauer anzusehen. Hier dürften allerdings wirklich noch einige politische Handlungsimpulse gefragt sein.