Baubranche : 6 Leitfäden rund ums und fürs Bauen
„Wenn Sie sich im Jahr 2050 an diesen „Rekordsommer“ erinnern, werden Sie nicht viel kühlere Sommer erleben. Wir stehen am Anfang und nicht am Ende der Klimaerwärmung“. Emotional und mit erschreckenden Fakten zu den Auswirkungen des Klimawandels, musikalisch untermalt von Michael Jacksons Earth Song, eröffnete Vorstandsmitglied Klaus Reisinger, ClimatePartner, gemeinsam mit Wolfgang Kradischnig, Sprecher der IG Lebenszyklus Bau, DELTA, den Kongress, der anschließend die Verantwortung der Baubranche und jedes Einzelnen betonte: „Wir können diese Verantwortung nicht abgeben. Der Hebel der Bau- und Immobilienwirtschaft ist groß und wir haben jetzt - auch, aber nicht nur getrieben durch neue Gesetze und Rahmenbedingungen auf den Märkten - die einmalige Chance, als Branche wirklich etwas zu bewegen und einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“.
In diese Kerbe schlug auch der Berliner Zukunftsforscher Max Thinius, der in seiner Eröffnungskeynote den Fokus auf „lokale, soziale, ökologische und ökonomische Wertschöpfung in neuen, multilateral verwobenen Strukturen“ legte. Damit erweiterte Thinius den bisherigen Denkradius "Wie kann ich Bauen zukunftsfähig machen?" um den Faktor Gesellschaft und benannte die für ihn zentrale Frage der Bau- und Immobilienwirtschaft: "Wie kann ich mit Bauen die Zukunft anderer positiv gestalten?
Neue Bauordnungen & nachhaltige Projektentwicklung
Caroline Palfy, Loud4Planet, fokussierte sich in ihrer Eröffnungskeynote auf die nachhaltige Projektentwicklung und ergänzte damit das von Thinius formulierte Eingangsstatement mit branchenrelevanten Ausführungen. Sie erläuterte insbesondere die positiven Effekte von Allianzverträgen und Early Contractor Involvement (ECI). Mit integrierter Projektabwicklung, BIM und Lean Management könne die Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft vorangetrieben und die aktuelle(n) ökonomische(n), ökologische(n) und politische(n) Krise(n) als Chance genutzt werden. „Um die ESG-Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte zu meistern, bedarf es des größtmöglichen Engagements aller. Technologien und Digitalisierung sind nur die Werkzeuge - die Umsetzung bleibt in der Verantwortung der Menschheit“, betonte Palfy.
Im Rahmen der Paneldiskussionen widmeten sich die Teilnehmer:innen - darunter Gerald Beck (UBM Development), Isabella Stickler (Alpenland), Uwe Breitschopf (Managementservice Linz), Sandra Bauernfeind (Heimat Österreich), Claudia Nutz (nutzeffekt) und Irene Hauer-Karl (HABAU Group) - den wirksamsten Hebeln für eine nachhaltige Bau- und Immobilienwirtschaft. Als Lösungsansätze wurden beispielhaft die noch notwendige Anpassung der Bauordnungen an die Gegebenheiten im Sanierungsbereich sowie die Notwendigkeit des Ausbaus der Förderlandschaft für Gebäudesanierung und erneuerbare Energien genannt. Diese Förderungen sollten ein Augenmerk auf Anreizsysteme legen, wovon Eigentümer:innen wie Wirtschaft profitieren.
Die sechs neuen Leitfäden auf einen Blick
1. "Klimarisiko-Leitfaden für Immobilien
Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat uns an einen Punkt gebracht, an dem erhebliche Schäden nicht mehr zu vermeiden sind. Umso wichtiger ist es, Gebäude präventiv an den Klimawandel anzupassen. Ziel des Leitfadens „Klimarisiko-Guide für Immobilien“ ist es daher, das Thema Klimarisiko aufzugreifen. Dabei werden sowohl physische als auch transitorische Risiken beleuchtet und vor allem ein möglicher Weg aufgezeigt, wie Klimarisiken analysiert und minimiert werden können.
2. "Zukunftsweisender Umgang mit dem Gebäudebestand
Im Bereich der Sanierung müssen sich die Denkweise und die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern. Auch die Wertschätzung des Bestandes, das Vertrauen in die Planungskompetenz und die Kostenwahrheit im Vergleich zum Neubau müssen angepasst werden. Allein der Erhalt der Tragkonstruktion bringt wichtige CO2-Einsparungen, die für die angestrebte Klimaneutralität notwendig sind. Ziel des Leitfadens „Zukunftsweisender Umgang mit dem Gebäudebestand“ ist es, Eigentümer:innen und Hausverwaltungen ebenso wie interessierten Fachexpert:innen einen kompakten Überblick über das Thema Gebäudesanierung zu geben. Ein separater Maßnahmenkatalog mit dem Titel "Technische Sanierungslösungen zur Dekarbonisierung des Gebäudebestands" bietet zudem interaktive und übersichtliche Entscheidungsbäume, die je nach Ausgangssituation zu knapp 70 konkreten Maßnahmen rund um Energieverbrauch, erneuerbare Energieträger und geeignete Abgabesysteme führen.
3. „Netto-Neuversiegelung gleich Null! Kommunen zeigen, wie es geht
Ein Verharren auf dem Status quo reicht nicht aus. Der Leitfaden „Netto-Neuversiegelung gleich null! Kommunen zeigen, wie es gehen kann“ soll das Handeln beflügeln und damit mehr Kommunen zu einer nachhaltigen Entwicklung motivieren, um das Ziel Netto-Neuversiegelung gleich NULL in greifbare Nähe zu rücken. Die herausragenden Erfahrungen der ausgewählten Gemeinden bei der Entwicklung einer nachhaltigen Infrastruktur im jeweiligen Gemeindegebiet sollen Handlungsräume vermitteln, die im Kontext der Vermeidung von „Neuversiegelung” den Bestand aktivieren, soziales Engagement zeigen, integrale Konzepte verfolgen und kreative Lösungen umsetzen.
4. "Mehrwertorientierte Dachflächennutzung
Die Flächen der gebauten Stadt müssen gemeinsam für Klimaneutralität und Klimaanpassung genutzt werden. Insbesondere Dachflächen bieten sich für eine Mehrfachnutzung im Sinne von CO2-Einsparung und Resilienz an. Ziel des Positionspapiers „Mehrwertorientierte Dachflächennutzung“ ist es, grundlegende Informationen und Daten für eine mehrwertorientierte Systementscheidung bei der Umnutzung und Erweiterung von bestehenden und neu gebauten Dachflächen zusammenzustellen und bereitzustellen.
5. "Zertifizierungskompass ESG
Greenwashing ist ein Showstopper für die Nachhaltigkeitswende. Der Leitfaden „Zertifizierungskompass ESG“ vermittelt fundiertes Wissen über die rechtlichen Fallstricke des Greenwashing sowie einen Überblick über die gängigsten Gebäude- und Systemzertifizierungen im Sinne eines ESG-Zertifizierungskompasses.
6. "Lieferkettenrecht für kleine und mittlere Unternehmen
Kleine und mittlere Unternehmen müssen bereits heute freie Kapazitäten für die Darstellung ihrer Lieferketten aufwenden. Der Leitfaden „Lieferkettengesetzgebung“ widmet sich dem Umgang von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit der Lieferkettengesetzgebung. Dabei wird die Frage nach den Konsequenzen der Lieferkettengesetzgebung für KMU aus drei unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet: Die praktische Darstellung einer typischen Lieferkette in konkreten Branchen, die Analyse bestehender "good practices" sowie Leitfäden und Handreichungen aus rechtlicher Perspektive.