Digitalisierung | KI : "Wir sollten über eine robotergerechte Bauweise nachdenken"

Mario Herger, Digital-Spezialist

Mario Herger kommt am 30. November als Keynote-Speaker zum Innovationskongress von Digital Findet Stadt nach Wien.

- © Herger

KI ist der größte Trend

Solid: Herr Herger, Sie leben bereits seit über 20 Jahren in San Francisco. Was ist Ihrer Einschätzung nach gerade der wichtigste Trend?

Mario Herger:
Wenig überraschend wohl künstliche Intelligenz. Wir sehen hier, im Gegensatz zu vergangenen Trends wie den Kryptowährungen oder dem Metaverse, eine Aufbruchstimmung, wie sie zuletzt vor etwa 25 Jahren bei der Einführung des Internetbrowsers zu sehen war. Und das Internet hat bekanntlich sämtliche Branchen und Gesellschaften umgewälzt. Heute können wir uns gar nicht mehr ein Leben ohne Internet vorstellen. Mit KI wird es ähnlich sein.

Künstliche Intelligenz und selbstfahrende Autos haften in Österreich noch immer einen Hauch von Science Fiction an. Wie weit ist das in Amerika tatsächlich bereits Realität.


Herger
: Zumindest künstliche Intelligenz ist auch in Österreich schon einige Zeit in Verwendung, auch wenn wir es uns nicht immer bewusst sind. Den Sprachassistenten, die Suchergebnisse oder die Übersetzungswerkzeuge sind KI-gesteuert. Mit ChatGPT und ähnlichen Werkzeugen ist das erstmals auch einer breiten Öffentlichkeit bewusst geworden.

Autonome Autos sind nochmals eine andere Dimension. Hier hat die KI einen Körper erhalten und bewegt sich mit uns in unserer Welt. In San Francisco und in anderen amerikanischen Städten sind bereits fahrerlose Robotaxis im kommerziellen Einsatz. Und das wird Städte und Regionen verändern.

Das Silicon Valley ist eine Region, wo die Zukunft schon heute gemacht wird. Es gilt somit immer die dortigen Trends zu beobachten, denn über kurz oder lang sind sie auch bei uns Realität.

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Österreich als Innovations-Hotspot

Liegt das an dem Umfeld des Silicon Valley oder glauben Sie, dass wir diese Technologien hier auch in naher Zukunft verstärkt umsetzen werden?

Herger
: Wir können sicherlich Anleihen am Mindset des Silicon Valleys nehmen, aber nicht alles ist übertragbar. Das notwendige Ökosysteme von Universitäten, Risikokapitalgebern, der gesetzliche Rahmen, und die Offenheit sich über neue Ideen frei auszutauschen und zuerst die Chancen zu betrachten, ist nichts, was über Nacht entstanden ist.

Österreich war in der Vergangenheit schon mehrmals ein Innovations-Hotspot. Wien als Musikhauptstadt oder dann wieder um die Jahrhundertwende trieb viele neue Ideen und Innovationen in Musik, Literatur, Medizin, Architektur, Kunst und Wissenschaft. Auch die Semmeringbahn, die angepackt worden war, als es noch gar keine Lokomotiven gab, die bei der geplanten Steigung überhaupt die angeforderte Last ziehen konnte, zeigte, wie die Behörden und der Bauherr damals bereit war, sich auf dieses Risiko einzulassen. Das müssen wir wieder lernen und in Teilen beginnt sich das langsam zu materialisieren.

Fahren Sie selbst regelmäßig mit selbstfahrenden Taxis?


Herger
: Mittlerweile bin ich um die 150-mal mit fahrerlosen Robotaxis unterwegs gewesen. Waren die meisten Fahrten mit Gästen aus Europa, um ihnen die Technologie zu demonstrieren und selbst erfahren zu lassen, so verwende ich sie immer mehr auch wirklich als bequeme und zuverlässige Alternative zu Taxi, Uber oder öffentliche Verkehrsmittel.

Markante Unterschiede im Mindset bei Digitalisierung

Sie sind in Wien geboren und kommen mehrmals im Jahr hier her - Was sind Ihrer Erfahrung nach die markantesten Unterschiede im Mindset?

Herger
: Ich bewege mich bei meinen regelmäßigen Besuchen in Wien klarerweise auch in einer eigenen Blase mit Leuten, die selbst neuen Dingen und Innovation sehr aufgeschlossen sind. Doch man trifft sehr viel rascher auf Skeptiker als im Silicon Valley. Wer sich für Technologietrends interessiert und an den neuesten Entwicklungen dranbleiben will, für den ist die San Francisco Bay Area sicherlich der Ort, wo man sein muss.

Doch ist San Francisco recht monothematisch. Wien bietet da sicherlich viel mehr an Kultur und Themen, die Technologie nicht berühren. Und diese Dosis an Nicht-Technologie brauche ich auch immer wieder.

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Interaktive Instandhaltung und robotergerechtes Bauen

Haben Sie eine Vision davon, welche Rollen KI und Automatisation in der Bau- und Immobilienwirtschaft in Zukunft spielen könnte? Welche einschlägigen Einsatzgebiete kennen Sie aus dem Silicon Valley?

Herger
: In der Vergangenheit gingen wir von großen Zeichentischen, über die sich die Ingenieure beugten oder sogar darauf lagen zu Computern über, mit denen man das Design und die Baupläne fertigte. Nun ergänzt unsere Arbeit die KI, die uns eine raschere Erstellung erlauben wird. Die Integration von KI in Form von großen Sprachmodellen wird uns eine interaktive Instandhaltung und Benutzung von Gebäuden erlauben. Und nicht zuletzt mit KI in Form von Robotern und Robotaxis müssen wir nachdenken, ob wir nach einer behindertengerechten Bauweise in Zukunft nicht auch robotergerecht bauen sollten.

Das nächste Mal kommen Sie am 30. November als Keynotespeaker zum Innovationskongress von Digital Findet Stadt. Worüber werden Sie genau sprechen?


Herger
: Mich beschäftigt bei neuen Technologien immer, was sie für die Gesellschaft, eine Stadt, die Politik oder die Wirtschaft bedeuten und welche Chancen sie bieten. Wie verändern Robotaxis eine Stadt und den Verkehr? Wie künstliche Intelligenz die Kunst, die Ausbildung, oder die Baubranche? Da es sehr leicht ist, die Gefahren und Risiken von Veränderungen zu sehen, die uns oft verunsichern, so möchte ich den Kongressteilnehmern aufzeigen, welche neuen Möglichkeiten sich bieten und vor allem, dass KI keine Zauberei ist, sondern einfach nur ein weiteres hilfreiches Werkzeug in unserem Kasten.