Kommentar von Hubert Rhomberg : Wie lange wollen wir den toten Gaul noch reiten?
Wenn etwas Neues entsteht, muss dafür in der Regel etwas Altes weichen. Diese Binsenweisheit nennt sich „Kreislauf des Lebens“ oder „natürliches Gleichgewicht“ und gilt für die Natur ebenso wie für das Wirtschaftsleben.
In der Natur können wir das jetzt im Herbst sehr gut beobachten, wenn die Blätter von den Bäumen fallen, absterben, zu Erde werden und damit neue Pflanzen nähren. In der Wirtschaft passiert das zum Beispiel, wenn ein Unternehmen scheitert und deswegen Mitarbeitende entlassen muss. Deren Erfahrung und Know-how „nähren“ dann andere Unternehmen. Und auf dem Markt, den das Unternehmen ursprünglich bediente, ergeben sich neue Möglichkeiten. Der Grund dafür ist unsere freie, soziale Marktwirtschaft, in der sich Wettbewerb, Preisbildung und auch Ressourcenfluss auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage und damit weitgehend ohne staatliche oder sonstige Regulationen entwickeln.
Zumindest sollte es so sein.
Ganz ohne externe Eingriffe geht es aber leider nicht, und das ist ein Problem: In unserem aktuellen Wirtschaftssystem können bestimmte Unternehmen nicht sterben, weil die Zentralbanken für sie bürgen. Diese „Zombie-Firmen“ werfen das wirtschaftliche Gleichgewicht aus der Bahn, denn sie halten Vermögenswerte und Menschen davon ab, in Wachstumsbereiche zu wechseln und diese voranzubringen. Jüngste Daten deuten darauf hin, dass allein in den USA zehn Prozent aller Unternehmen Zombie-Firmen sind und ohne finanzielle Unterstützung nicht überleben könnten.
Ein weiterer, vor allem für unsere Baubranche relevanter Eingriff sind Förderprogramme. Die sind zwar grundsätzlich gut, denken wir an die Unterstützung bei der thermischen Sanierung oder beim Einsatz erneuerbarer Energien. Aber die Vergabe basiert nach wie vor auf viel zu unfundierten Kriterien und Daten. Noch immer haben wir z. B. kaum Werte und Zahlen, die den tatsächlichen CO2- Fußabdruck baulicher Maßnahmen adäquat abbilden. Und Exnovationen, also der bewusste Verzicht auf Dinge, die ökologisch nicht verträglich sind, werden in Förderprogrammen gar nicht berücksichtigt. Hier ist noch ordentlich Luft nach oben.
Denn: Kurzfristig ist die aktuelle Art des Wirtschaftens schlichtweg unproduktiv und damit eigentlich schon schlimm genug. Langfristig ist sie aber sogar schädlich! Schädlich sowohl für die Wirtschaft als auch – und hier schließt sich der Kreis – für die Umwelt. Sie bremst Innovation aus und senkt die möglichen Gewinnspannen. Und das macht Investitionen in nachhaltige, gesunde Konkurrenten aus Wachstumsfeldern weniger attraktiv.
Auf die Politik oder die Zentralbanken sollten wir allerdings nicht setzen, um an dem aktuellen System etwas zu verändern. Denn dort wird nur in Wahlperioden und Amtszeiten gedacht, und kurzfristig ist durch die notwendigen Veränderungen nichts zu gewinnen. Im Gegenteil. Deshalb muss die (Bau- )Wirtschaft selbst aktiv werden. Dazu ein kleiner Denkanstoß: Wie schön wäre es, wenn es einen Fonds gäbe, der all das schlechte, alte, umweltschädliche Zeug aufkauft und es in etwas Besseres verwandelt?...
(Dazu habe ich bereits eine konkrete Idee und auch schon einen Link - das ist aber eine andere Geschichte...)