Immobilien : Königsdisziplin Umnutzung - über Denkmalschutz, Materialeinsparung & Co.

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Aus einem leerstehenden Getreidesilo im Bezirk Mistelbach werden 24 moderne Wohnungen.

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LandMark: Zentrum bleibt lebendig

Wie kann am Land neuer Wohnraum geschaffen werden, ohne dass es zur weitläufigen Zersiedelung der Ortschaften und weiterer Bodenversiegelung kommt? Und wie können leerstehende Gebäude ressourcenschonend entwickelt und nachhaltig verwendet werden? Mit Problemstellungen wie diesen beschäftigt sich Reinhard Stix, seines Zeichnes Gründer und Geschäftsführer von Stix + Partner.

Mit dem Projekt LandMark wandelt er in Bernhardsthal, einer 1.600-Einwohner-Gemeinde im Bezirk Mistelbach, das weithin sichtbare, ehemalige Lagerhaus-Silo zu Wohnraum um. „Für den Ort bedeutet die Umnutzung vor allem den Erhalt des sozialen Treffpunkts, den das Lagerhaus in Bernhardsthal schon immer darstellte. Durch das neue Wohnangebot, das sowohl für Familien als auch für Senioren attraktiv ist, bleibt das Zentrum lebendig. Im Erdgeschoß möchten wir zudem Raum für die kulturelle Nutzung schaffen, auch ein Co-Working-Space schwebt uns vor“, erklärt Stix (siehe Interview).

So sieht das Gebäude derzeit noch aus.

Dass Gebäude umgenutzt werden, ist längst Standard. Dass sich ein Silo in Wohnraum verwandelt, gilt als ungewöhnlich. Beinahe klassisch ist mittlerweile hingegen die Umnutzung landwirtschaftlicher Liegenschaften in Wohngebäude. So geschehen beispielsweise in Neuaigen im Bezirk Tulln, wo unter der Ägide der Wolf Reicht Architects ZT GmbH eine Scheune in ein Tiny-House mutierte. Es wurde in Massivbauweise in die bestehende Holzstruktur eingebaut, die Öffnungen blieben erhalten und dienen nunmehr als großzügige Terrassenzugänge, die Durchblicke gewähren.

- © Hannes Buchinger

Wenn der Denkmalschutz greift

Aus einem k.-u.k.-Militärverpflegungsgebäude mache modernen Wohnraum heißt es wiederum in Wien-Leopoldstadt, wo „Das Artmann“ Gestalt annimmt. Für diese Umnutzung verantwortlich zeichnen die Cuubuus architects & developers. Deren CEO und Gründer Eduard Mair berichtet: „Die Arbeiten schreiten zügig voran. Die Dachgleiche begehen wir traditionell bei all unseren Projekten mit einer Gleichenfeier. Die für ‚Das Artmann“ wird voraussichtlich im September stattfinden. Die Fertigstellung des gesamten Projekts ist für das Frühjahr 2024 terminisiert, wobei mit April/Mai bereits die ersten Eigentümer einziehen können, nach dem Sommer sind auch die Arbeiten an den Allgemeinflächen beendet. Wir liegen jedenfalls im Zeitplan.“

Das Thema Nachhaltigkeit ist im Immobiliensektor präsenter denn je und nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Verknappung von Grund und Boden ist Bauen in Bestand der ideale Umgang mit den Ressourcen. Im Fall von „Das Artmann“ handelt es sich, wie Mair betont, um ein Gebäude mit Bereichen, die dem Denkmalschutz unterliegen - allen voran das imposante Stiegenhaus aus der Gründerzeit. Auch die markante Backsteinfassade muss und soll erhalten bleiben.

Einige Bereiche des "Das Artmann" in Wien unterliegen dem Denkmalschutz.

Einsparung von Baumaterial

Durch die Nutzung der bestehenden Struktur bei „Das Artmann“ bleiben rund 10.500
Tonnen Beton, 730 Tonnen Stahl und 23.600 Tonnen Mauerwerk erhalten. Das
Baumaterial ist quasi größtenteils bereits vor Ort. Mair veranschaulicht: „Wir
verwenden bereits vorhandenes Baumaterial, das in etwa 180 Einfamilienhäusern
entspricht. Dazu kommt eine wesentliche Einsparung von Transportenergie und
geringere Mengen Baustoff, die entsorgt werden müssen. Hier ist Revitalisierung
des Bestands die einzig sinnvolle Option.“

Der CEO von Cuubuus architects & developers verhehlt dabei nicht, dass Arbeiten
am Immobilienbestand stets ein höheres Baukostenrisiko, einen größeren
Managementaufwand in der Abwicklung und daraus resultierend eine schwierigere
Finanzierbarkeit bedeuten. Eine umfassende ökologische Revitalisierung ist
daher nicht immer wirtschaftlich abbildbar. Hier wäre gemäß ihm auch der
Gesetzgeber gefordert entsprechende Anreize, zum Beispiel in Form steuerlicher
Erleichterungen oder Förderungen, zu setzen. Sein Wort in Gottes Ohr.

Cuubuus architects & developers-CEO Eduard Mair

Ein Zeichen für Nachverdichtung im Ortskern

In Form des Projekts LandMark nutzt Reinhard Stix, Gründer und Geschäftsführer von Stix + Partner, ein Getreidesilo zu Wohnungen um.

SOLID: Was ist der Status bei LandMark?

REINHARD STIX: Die Baugenehmigung für LandMark in Bernhardsthal wurde inzwischen erteilt. Das Projekt befindet sich aber noch in der Planungsphase. Seit einigen Monaten laufen die Bauvorbereitungen auf Hochtouren, etwa ist der Abbruch der am Lagerhausgelände befindlichen Tankstelle bereits zu 90 Prozent abgeschlossen. Wir sind derzeit mit der entsprechenden Ausschreibung für das Projekt beschäftigt. Die Fertigstellung von LandMark ist mit Mitte des Jahres 2025 geplant.

SOLID: Wie gestaltete sich der Entscheidungsprozess, ein Getreidesilo in ein Wohngebäude umzunutzen?

STIX: Ich bin gebürtiger Bernhardsthaler – da ist mir die Entwicklung des Ortes vorneweg ein persönliches Anliegen. Als das Getreidesilo inmitten des Ortes aufgrund seiner technischen Überholtheit für die landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr nutzbar war und zum Verkauf stand, war die Idee einer Umnutzung naheliegend. Durch die Kernzonen-Widmung standen uns mehr oder weniger alle Wege offen. Die enorme Bestandshöhe des Siloturms, wie man sie heute ja gar nicht mehr genehmigt bekäme, war letztlich auch ein Argument für die Umnutzung als Wohngebäude. Von den oberen Etagen aus werden die künftigen Bewohner eine spektakuläre Aussicht über die Weiten des Weinviertels genießen können.

SOLID: Welche Hürden galt es, dabei zu nehmen?

STIX: Zunächst einmal galt es, die Dorfgemeinschaft von unserem doch ungewöhnlichen Bauvorhaben zu überzeugen. Rasch konnten wir uns die Unterstützung der Bernhardthaler Bürgermeisterin sichern. Eine gewisse Hürde liegt derzeit in der wirtschaftlichen Machbarkeit. Wir prüfen gerade verschiedene Optionen der statischen Optimierung in Hinblick auf ihre Wirtschaftlichkeit. Grundsätzlich bietet das Silo aber beste Voraussetzungen für die Schaffung neuen Wohnraums.

SOLID: Was spricht bei LandMark für exakt diese Form der Nutzung?

STIX: Ein schlagendes Argument für die Umnutzung des Getreidesilos als Wohngebäude ist der hohe Nachhaltigkeitsfaktor des Projekts. Durch die vorhandene Bausubstanz von Siloturm und Lagerhausgebäude steht uns quasi ein kompletter Rohbau zur Verfügung. Das Vorgehen ist somit viel ressourcenschonender als die mögliche Alternative eines Abbruchs und Neubaus. Außerdem schaffen wir neuen, attraktiven Wohnraum inmitten des Ortskerns und wirken so der Zersiedelung der Gemeinde an den Ortsrändern – wo wiederum meist landwirtschaftliche Fläche neuversiegelt würde – effektiv entgegen.

SOLID: Sie planen zwei weitere Lagerhaus-Projekte. Worum geht es?

STIX: In Drösing im Bezirk Gänserndorf entwickeln wir ein weiteres Silo-Projekt, diesmal aber für die rein gewerbliche Nutzung. Da das Gelände direkt am Bahnhof und den Gleisen der Nordbahn liegt, kam die Nutzung als Wohnhaus nicht in Frage. Stattdessen soll ein 300 Kilowatt-Peak Solarpark auf den Dachflächen entstehen. Die im Erdgeschoß liegenden Lagerflächen werden für die typische gewerbliche Nutzung entwickelt – kleine Produktionsstätten, Lagerräume oder auch Co-Offices-Spaces sind hier angedacht. Der Siloturm selbst soll als Kletterturm beziehungsweise Bolder-Anlage eine innovative Neunutzung erfahren. Hier sind wir auf der Suche nach einem entsprechenden Betreiber.
Darüber hinaus ist ein weiteres Lagerhausprojekt in Niederösterreich in Konzeption, das ebenso wie LandMark für die Wohn- und gewerbliche Nachnutzung entwickelt werden soll. Mehr möchten wir dazu derzeit nicht verraten.

Reinhard Stix ist Gründer und Geschäftsführer von Stix + Partner.