Energie : „Digitale Zwillinge rücken stärker in den Vordergrund“
Welche Signalwirkung erwarten Sie sich von Ihrem Wechsel von ASCR in die doch übergeordnete aspern 320 AG?
Robert Grüneis: Von meinem Wechsel erhoffe ich mir nicht nur eine Signalwirkung, sondern auch einen Effekt! Mir ist es ein Anliegen, dass alle maßgeblichen Player – von den Planern erneuerbarer, robuster Energiesysteme über die Errichter bis hin zu den Betreibern von Bauwerken – rechtzeitig an einem Strang ziehen. Wichtig ist, die wechselseitigen Bedürfnisse zu verstehen und darauf eingehen zu wollen. Dazu läuft seit einiger Zeit die engagierte Entwicklung entsprechender Zielbilder in der Wien 3420. Umso mehr freut es mich, dass ich dabei meine Expertise einbringen kann. Ich denke, dass durch ein Miteinander sinnvolle, funktionierende Lösungen zum ökonomischen UND ökologischen Vorteil der Nutzer umsetzbar sind. Das umfasst nicht nur einzelne Gebäude, sondern auch Quartiere.
In der ASCR gab und gibt es viele einzelne Forschungsprojekte zum Thema Energie. Was davon kann man nun in die gesamte Seestadt ausrollen? Betrifft das dann „nur“ die neuen Gebäude oder kann man für den Bestand auch etwas mitnehmen?
Der Bogen spannt sich über das gesamte Spektrum – vom Netzbereich bis zur Gebäude-Digitalisierung. Es kann baufeld- und quartiersbezogen zum Einsatz gebracht werden. Natürlich ist mir klar, dass nicht immer alles klappen kann und wird. Letztlich gibt es vielfältige, anders gelagerte Notwendigkeiten, die zu verstehen und gegebenenfalls auch zu akzeptieren sind.
„Mitnehmen“ kann man immer etwas! Wichtig ist, in einen forcierten Austausch zu treten – und zwar mit den von der Stadt Wien in Angriff genommenen Projekten im Bestand. Das macht Sinn und forciert Know-how-Transfer und vielmehr noch -entwicklung für den Bestand.
Was ist für Städtebau und -erhaltung generell mitzunehmen?
Die Errichtung von Energieinfrastruktur und wichtiger Daseinsvorsorgeinfrastrukturen ist per se gerade in Wien sowohl planerisch als auch in der Umsetzung auf einem sehr hohen Niveau. Auch die Abstimmungsprozesse mit den zuständigen Ämtern und Behörden sind nicht erst seit heute vorbildlich organisiert.
Natürlich kann es da und dort „reiben“, aber die Abstimmungen sind – soweit ich sie immer erleben durfte, von hohem wechselseitigem Respekt und großer Lösungsorientierung gekennzeichnet. Es geht daher eher weniger um ein „Mitnehmen“, sondern um ein forciertes Zusammenwirken, damit neue digitalisierte Energielösungen – vom Netz über die Energieaufbringung bis hin zur intelligenten Gebäudetechnik – integriert umgesetzt werden können.
Wie und mit welchen Projekten geht es bei der ASCR weiter?
Forschung, vor allem im Energiebereich, hört nie auf und darf auch nicht aufhören. Das war schon immer so und sollte auch weiterhin so sein. Andernfalls hätten wir in Wien beispielsweise kein hocheffizientes FW-Netz oder hocheffiziente KWK-Anlagen oder eine Stromnetzqualität, die im weltweiten Vergleich top ist. Wichtig ist zunehmend der Blick über den Tellerrand. Den schafft man nicht im stillen Kämmerlein, sondern nur übergreifend und mit Partnern.
Mit einer Öffnung für Dritte im Gebäudebereich könnten noch weitere Forschungsfragen zum Vorteil der Nutzer bearbeitet werden. Eine nachhaltige Energiezukunft heißt nicht nur stabiler, innovativer Netzbetrieb oder erneuerbare Energieaufbringung. Im Gebäude und bei den Nutzern lässt sich noch weitere Effizienz herausholen. Das bedeutet unter anderem etwa, dass Digitale Zwillinge in allen genannten Bereichen, vor allem für die Gebäude, stärker noch in den Vordergrund rücken. Und das in Verbindung mit den Aspekten der Mobilität.
Personalia Robert Grüneis
Als neues Vorstandsmitglied wird Robert Grüneis ab sofort die Entwicklung der Seestadt mitprägen. Der Jurist und ausgewiesene Energie-Experte – zuletzt Co-Geschäftsführer der am Standort aspern Seestadt tätigen Aspern Smart City Research GmbH (ASCR) – übernimmt das Aufgabenfeld Produktentwicklung, Liegenschaftsverwaltung und Beteiligungen, Infrastruktur bzw. Baulogistik und -management.
Gerhard Schuster, seit 2014 Vorstandssprecher der Seestädter Entwicklungsgesellschaft, wurde mit Jänner 2023 in seiner Funktion wieder bestellt. Alexander Kopecek, bis Ende 2022 im Vorstand der Wien 3420 für Finanzen und Recht zuständig, wechselt in die Funktion des Prokuristen. Der bisherige Planungs- und Infrastrukturvorstand Heinrich Kugler ist weiterhin als Konsulent für die Seestadt tätig und betreibt schwerpunktmäßig Projekte im Bereich Produktentwicklung.