Digitalisierung | 3D-Betondruck : "Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen unter einem Dach"
In der nordrhein-westfälischen Stadt Lünen entsteht Deutschlands erstes öffentlich gefördertes Mehrfamilienhaus im 3D-Druckverfahren. Dabei wird zum ersten Mal ein innovatives Bauverfahren im 3D-Druckverfahren mit den Bedingungen der öffentlichen Wohnraumförderung kombiniert.
>> Könnte Sie auch interessieren: Gedruckt aus zementfreiem Beton
Hintergrund öffentliche Wohnraumförderung
"Fördern, was Wohnungen schafft": Dieses Ziel verfolgt die Landesregierung Nordrhein-Westfalen mit der öffentlichen Wohnraumförderung. Für den Zeitraum von 2023 bis 2027 ist die öffentliche Wohnraumförderung durch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen mit neun Milliarden Euro ausgestattet worden. Alleine 2023 werden 1,6 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, um Menschen mit niedrigem Einkommen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Mit der öffentlichen Wohnraumförderung für 2023 hat die Landesregierung neue Maßstäbe bei Förderkonditionen und beim Klimaschutz gesetzt. Mehr Wohnraum sei das beste Rezept gegen steigende Mieten.
Voraussetzung für die Miete einer Wohnung bei dem Bauprojekt in Lünen ist ein Wohnberechtigungsschein.
"Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen unter einem Dach"
Das Bauvorhaben der Wohnungsbaugesellschaft Lünen wird vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen zum einen mit 400.000 Euro aus dem landeseigenen Förderprogramm "Innovation in der Bauwirtschaft" unterstützt. Zum anderen stellt das Ministerium rund 1,3 Millionen Euro aus dem Programm der öffentlichen Wohnraumförderung zur Verfügung.
Entsprechend den Wohnraumförderungsbestimmungen wird der Quadratmeterpreis für die Miete bei maximal 6,00 Euro liegen. Die Gesamtkosten für das Bauvorhaben belaufen sich auf rund 1,9 Millionen Euro. Das Gebäude wird voraussichtlich im Oktober 2024 bezugsfertig sein.
Mit dem ersten öffentlich geförderten Mehrfamilienhaus bringen wir in Nordrhein-Westfalen bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen unter ein Dach. Mit unseren 3D's für die Zukunft des Bauens - digital, dynamisch, druckfertig - ermöglichen wir mehr Wohnraum für Menschen mit kleinem Geldbeutel.Ina Scharrenbach
, sagt Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, und meint weiter, aller innovativen Dinge seien drei:
Erst das Einfamilienhaus im Beckum, danach das Vereinsheim in Nordkirchen und jetzt das öffentlich geförderte Mehrfamilienhaus in Lünen - alle drei Gebäudetypen aus dem 3D-Drucker sind als erstes in Nordrhein-Westfalen entstanden. Damit ist und bleibt Nordrhein-Westfalen Vorreiter in Deutschland. Mit dem Pionierprojekt in Lünen zeigen wir, dass öffentlicher Wohnungsbau trotz dieser herausfordernden Zeit schnell, modern und nachhaltig entstehen kann.Ina Scharrenbach
Nordrhein-Westfalen setzte Maßstäbe beim Bauen und mache weiter Druck für mehr bezahlbaren Wohnraum, so Scharrenbach außerdem.
Realisierung durch Peri 3D Construction
Die Realisierung erfolgt durch Peri 3D Construction - für die Pioniere im 3D-Baudruck ist es in diesem Jahr bereits das dritte Bauprojekt allein in Deutschland.
>> Lesen Sie auch: Strabag setzt mit Peri Österreichs erstes Gebäude aus dem 3D-Drucker um
Der Geschäftsführer der Peri 3D Construction GmbH Dr. Fabian Meyer-Brötz meint:
Wir freuen uns, wieder unter Beweis stellen zu können, wie schnell, effizient und ressourcenschonend der 3D-Drucker Wohnraum erschaffen kann und welche Potenziale sich auch im Mehrfamilienhaus-Segment eröffnen. Wir sind überzeugt, dass die Technik schon heute bereit für den breiten Einsatz auf der modernen Baustelle ist.Fabian Meyer-Brötz
Für das Unternehmen ist die Förderung ein wichtiges Signal an die Bauwirtschaft. Es müsse mehr und schneller gebaut werden, sonst werde die Branche dem Bedarf an Wohnraum nicht gerecht werden können. Um dies in Anbetracht der bestehenden Herausforderungen stemmen zu können, brauche es Mut für echte Innovation - und schon heute die Offenheit, sich mit neuen Bauweisen wie dem 3D-Druck zu beschäftigen.
Vor Ort in Lünen überwacht ein kleines Team um Projektleiterin Lena Zimmer den Druckprozess:
Der COBOD BOD2 3D-Drucker braucht für die zu druckenden Wände insgesamt etwas unter 100 Druckstunden. Wir haben bei diesem Projekt zudem unser neues, eigens entwickeltes Sensorik-System im Einsatz, das wertvolle Daten liefert und uns die Arbeit erleichtert.Lena Zimmer
Mit jedem Projekt optimiert das Unternehmen seine 3D-Drucklösung weiter - sowohl die Planungs- und Ausführungsprozesse als auch die eingesetzte Technik: Das neue Sensorsystem, das in Lünen erstmals zum Einsatz kommt, liefert in Echtzeit wertvolle Daten über die Beschaffenheit des Druckmaterials. Diese helfen dem Team vor Ort, die Qualität der einzelnen Schichten unabhängig von Wetter und anderen Faktoren auf einem konstant hohen Niveau zu halten. Während sich die Außenwände in klassischer 3D-Druck-Optik präsentieren, werden die Schichten der Innenwände zudem bereits während des Drucks automatisch geglättet. Das erleichtert das anschließende Verputzen erheblich.
Eine Synergie verschiedener Baustoffe
Das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss werden in 3D-Betonbauweise errichtet. In Holz-Hybridbauweise wird das Dachgeschoss errichtet. Die Fundamente, die Sohle und die Filigrandecken werden in konventioneller Bauweise erstellt und die Fassadenstruktur im Erd- und Obergeschoss bleibt in der ursprünglichen Betondruckstruktur erhalten. Für das Dachgeschoss kommen Fassadenplatten zur Verkleidung zum Einsatz.
>> Könnte Sie auch interessieren: 9 Techno-Trends beim Bauen
Jan Hische, Vorstand und Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Lünen, betont:
Für uns als Wohnungsgenossenschaft liegt der Fokus insbesondere auf bezahlbarem Wohnen. Um diesen zu schaffen braucht es neue Wege! Daher ist es uns besonders wichtig, die innovative Idee des 3D-Betondrucks mit der Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen zu verbinden. Wir sind stolz, gemeinsam mit unseren Projektpartnern die Weiterentwicklung dieses neuen Bauverfahrens begleiten zu dürfen.Jan Hische
Der dreistöckige Bau entsteht auf einem 651 Quadratmetern großen Grundstück im innenstadtnahen Stadtteil Lünen-Geist. Der Neubau wird insgesamt über sechs Wohneinheiten zwischen 61 und 81 Quadratmetern verfügen.
Dass die Errichtung der ersten sechs öffentlich geförderten Wohnungen für die WBG Lünen und die Arbeit mit dem 3D-Betondrucker ein starkes Signal für die Bauwirtschaft seien, meint Architekt Lothar Steinhoff.
Gemeinsam leisten alle beteiligten Projektpartner auch hier wieder einen wichtigen Beitrag dazu, Zukunftstechnologien im Bauwesen weiterzuentwickeln. Mit unseren Erfahrungen aus den letzten Projekten erarbeiten wir einen Regelkarteikatalog aus, der auch auf die nächsten geplanten Gebäude angewandt werden soll. Prozesse in der Ausführungsplanung sollen so standardisiert werden.Lothar Steinhoff
CO2-Reduktion mit Hightech-Baustoff 3D-Druckbeton
Der von Heidelberg Materials verwendete 3D-Druckbeton ist ein Hightech-Baustoff, der als mineralischer Baustoff zu 100 Prozent recycelbar ist. Zudem enthält der 3D-Druckbeton ein Bindemittel, das im Vergleich zu reinem Portlandzement rund 55 Prozent weniger CO2 verursacht. Aufgrund seiner Pump- und Extrusionseigenschaften eignet sich der Baustoff für den 3D-Druck. Gleichzeitig ist die Festigkeitsentwicklung des Materials so eingestellt, dass ein sehr gleichmäßiges Druckbild entsteht. Mit 3D-Druckbeton lassen sich Bauteile mit hoher Formstabilität herstellen. Zudem ergibt sich durch eine gezielte Konstruktionsplanung ein hohes Potenzial für einen effizienten Materialeinsatz.
>> Lesen Sie auch: Mit digitaler Projektumgebung soll es gehen: "BIM für alle"
Dazu weiß Dr. Jörg Dietrich, Leiter Engineering & Innovation und Leiter Produktmanagement bei Heidelberg Materials Deutschland:
Der 3D-Druckbeton von Heidelberg Materials ermöglicht den Bau von nachhaltigem und bezahlbarem Wohnraum innerhalb kürzester Zeit. Wir sind stolz, bei diesem Pionierprojekt dabei zu sein, gerade in Zeiten der Wohnungskrise.Jörg Dietrich
Wie funktioniert 3D-Druck beim Bauen?
In den meisten Fällen wird 3D-druckfähiger Mörtel oder Beton auf Zementbasis "gedruckt". Das bedeutet, dass der Baustoff schichtweise durch eine Düse aufgetragen wird. Die Schichtdicken liegen im Zentimeterbereich.
Der 3D-Drucker ist flexibel und schnell einsetzbar, was den Ressourcenbedarf senkt. Denn es müssen nicht mehr viele verschiedene Bauteile auf der Baustelle zu einem Wandelement zusammengefügt werden. Das spart Zeit und verschlankt den Bauablauf. Um die finanziellen und zeitlichen Vorteile abschätzen zu können, sind Pilotprojekte notwendig.