Beton-Forschungsprojekt in der Schweiz : Baumaterial als Kohlenstoffspeicher

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Beton könnte, so die Empa-Forscher, erhebliche Mengen an CO2 speichern, wenn herkömmliche Gesteinskörnungen beispielsweise durch Pellets aus Pflanzenkohle ersetzt würden.

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Großes Potenzial

Fünf bis zehn Milliarden Tonnen Kohlenstoff, so die Forschenden der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa, könnten jährlich als Betonzuschlagstoffe genutzt werden – genug, um nach der Energiewende das überschüssige CO₂ innerhalb von 100 Jahren dauerhaft zu speichern und so die Atmosphäre auf ein klimaverträgliches Niveau zu bringen.

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«Diese Berechnungen basieren auf der Annahme, dass nach 2050 ausreichend erneuerbare Energie verfügbar ist, um CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen – ein sehr energie-intensives Unterfangen. Diese Annahme ermöglicht es uns, mit verschiedenen Szenarien zu analysieren, wie realistisch und effizient das Konzept unserer «Mining the Atmosphere»-Initiative ist», sagt Pietro Lura, Leiter der Empa-Abteilung Beton und Asphalt. Die groß angelegte Forschungsinitiative hat sich zum Ziel gesetzt, überschüssiges CO2 nicht nur zu binden, sondern als wertvollen Rohstoff zu nutzen.

Baumaterialien sind entscheidend

«Selbst wenn genügend erneuerbare Energie verfügbar ist, bleibt die zentrale Frage, wie diese riesigen Mengen Kohlenstoff langfristig gelagert werden können. Beton scheint dafür prädestiniert, da er enorme Mengen aufnehmen kann», erläutert Lura. Die Forschenden verglichen deshalb die Masse der weltweit verwendeten Materialien wie Beton, Asphalt oder Kunststoffe mit der Menge an Kohlenstoff, die aus der Atmosphäre entfernt werden muss – einschliesslich der schwer vermeidbaren Emissionen. «Die weltweit benötigte Masse an Baumaterialien übersteigt den überschüssigen Kohlenstoff in der Atmosphäre bei weitem. Es bleibt jedoch eine Herausforderung, wie schnell und effizient Kohlenstoff in diese Materialien eingebracht werden kann, ohne deren Eigenschaften zu verschlechtern», so das Fazit von Lura.

Im Vergleich zu anderen CO₂-Minderungsmassnahmen wie unterirdische Speichermethoden bietet der «Mining the Atmosphere»-Ansatz mehrere Vorteile: Er sorgt für langfristige Stabilität sowie eine hohe Speicherdichte von Kohlenstoff und ermöglicht eine dezentrale Umsetzung. Gleichzeitig lassen sich so herkömmliche CO₂-emittierende Baumaterialien ersetzen. «Kohlenstoff muss in stabile Materialien eingebunden werden, da eine direkte Lagerung gefährlich sein kann – beispielsweise durch Brandgefahr. Idealerweise werden diese mit Kohlenstoff angereicherten Baumaterialien über mehrere Recyclingzyklen verwendet, bevor sie schliesslich sicher deponiert werden», so Lura.

Laut dem Empa-Forscher soll dieses Konzept nicht nur zur Reduktion von CO₂ beitragen, sondern auch eine kohlenstoffbindende Wirtschaft ermöglichen, die sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile bietet. «Kohlenstoff aus der Atmosphäre kann beispielsweise für die Herstellung von Polymeren, Bitumen für Asphalt oder keramischen Materialien wie Siliziumkarbid genutzt werden. Ausserdem könnten weitere hochwertige Materialien wie Karbonfasern, Kohlenstoffnanoröhren und Graphen den gesamten Prozess wirtschaftlich tragfähig machen – wobei Beton eindeutig den grössten Anteil am Kohlenstoffspeicher ausmachen wird.»

So funktioniert das «Mining the Atmosphere»-Konzept: Globale Aktivitäten (blau): Kohlendioxid (CO₂) wird mit erneuerbarer Energie aus der Atmosphäre oder den Ozeanen entnommen. (1) Wasserstoff (H₂) wird mit erneuerbarer Energie hergestellt. (2) Methan (CH₄) oder Methanol (CH₃OH) werden aus Kohlendioxid und Wasserstoff synthetisiert. (3) Aus Methanol (und möglicherweise Methan) werden Polymere produziert. (4) Polymere und Methan werden über bestehende Logistikketten verteilt. (5) Lokale Aktivitäten (grün): Methan wird durch thermische Zersetzung (Pyrolyse) in Wasserstoff für saubere Energie oder Methanisierung und festen Kohlenstoff (C) umgewandelt. (6) Kohlendioxid wird durch Photosynthese in Biomasse umgewandelt, die anschliessend pyrolysiert wird. (7) Abfallpolymere werden pyrolysiert. (8) Kohlenstoff aus all diesen Quellen wird in Baumaterialien eingebunden. (9) Kohlenstoff wird mit Silizium (Si) zu Siliziumkarbid (SiC) kombiniert, das ebenfalls in Baumaterialien verwendet wird. (10) Ausgediente Baumaterialien gelangen schliesslich in Deponien, die als finale Kohlenstoffsenken dienen und das Kohlendioxid dauerhaft binden. (11) Infografik: Empa

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Schlüssel Siliziumkarbid

Wie lange würde es dauern, das gesamte überschüssige CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen? Bei einem optimalen Szenario könnten Baumaterialien wie Beton jährlich bis zu zehn Gigatonnen Kohlenstoff binden. Dieses Potenzial würde jedoch erst ab 2050 voll ausgeschöpft werden, wenn nach der Energiewende genügend erneuerbare Energie vorhanden ist. Neben den überschüssigen 400 Gigatonnen Kohlenstoff müssten bis 2100 zusätzlich mindestens 80 Gigatonnen aus schwer vermeidbaren Emissionen entfernt werden. Gemäss den verschiedenen Szenarien liesse sich damit innerhalb von 50 bis 150 Jahren das überschüssige CO₂ vollständig in Baumaterialien unterbringen – was das CO₂-Niveau wieder auf das angestrebte Niveau von 350 ppm bringen würde.

Der Schlüssel zu den optimistischsten Szenarien liegt in der Herstellung von Siliziumkarbid, das als Füllstoff in Baumaterialien genutzt werden kann. «Siliziumkarbid bietet enorme Vorteile, da es den Kohlenstoff praktisch für immer bindet und mechanisch hervorragende Eigenschaften besitzt. Allerdings ist die Herstellung äusserst energieintensiv und stellt eine der grössten Herausforderungen dar, sowohl in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit als auch auf eine nachhaltige Umsetzung», so Pietro Lura.

Allein mit Kohlenstoff in Form von poröser Gesteinskörnung würde es mehr als 200 Jahre dauern, den gesamten anthropogenen Kohlenstoffüberschuss zu beseitigen. Eine Kombination aus porösem Kohlenstoff und Siliziumkarbid bietet sich deshalb als praktikable Lösung an. Dadurch könnten grosse Mengen Kohlenstoff in Beton gespeichert werden, der zudem dauerhafter und stabiler wäre als herkömmlicher Beton. «Ziel sollte es dennoch sein, möglichst viel CO₂ pro Jahr aus der Atmosphäre zu entfernen, um zusammen mit anderen Massnahmen in einem realistischen Zeitrahmen auf 350 ppm CO2 zu kommen. Gleichzeitig ist es entscheidend, fortlaufend unsere Emissionen zu minimieren, damit der Rückholprozess nicht umsonst ist», so der Empa-Forscher.