SOLID Blog : Der Bau sorgt für Österreich - nicht nur wirtschaftlich
Man vergisst es ja so schnell. Wir schrieben den 18. März 2020, und an diesem Tag sah sich die Strabag gezwungen, aufgrund der nicht praktikablen Corona-Maßnahmenumsetzung und der damit verbundenen Unterbrechung von Lieferketten und Arbeitskräfteanreisewegen den Betrieb auf allen Baustellen einzustellen und sämtliche 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Österreich „höchst vorsorglich“ (so die juristische Formulierung) zur Kündigung anzumelden.
Alle anderen großen Bauunternehmen und öffentlichen Auftraggeber zogen nach.
Es gab aber noch einen entscheidenden Punkt bei der Anmeldung der Kündigungen: das Thema Kurzarbeit, zu dem der Entwurf zu diesem Zeitpunkt für alle in Österreich Beschäftigten und die hier ansäßigen Betriebe alles andere als zufriedenstellend war.
Es folgten harte, aber tatsächlich hinter verschlossenen Türen stattfindende Verhandlungen zwischen Baubranche mit der Strabag als größtem Hebel an der Spitze.
Der 8-Punkte-Plan - ein Vorbild
Nur wenige Tage später wurde auch der gesundheitliche Aspekt in einem gemeinsamen Vorgehen der Bausozialpartner - VIBÖ (Bauindustrie in der WKO), Bundesinnung Bau (Gewerbe WKO) und GBH (Gewerkschaft) - in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium in eine praktikable Form gebracht. Der 8-Punkte-Plan für Österreichs Baustellen gilt mit geringen Adaptierungen an die jeweilige Situation seit dem 8. April 2020 - und zwar ununterbrochen, also auch über den Sommer.
Auch dieser Tatsache ist zu verdanken, dass die Infektionszahlen in der Baubranche nach Informationen aus den unterschiedlichsten Firmen sehr gering und die Ursachen praktisch ausschließlich in privaten Zusammentreffen zu suchen waren und sind - auch das ein Vorbild für ganz Österreich.
ÖBV-Leitfaden für bauvertraglichen Umgang mit COVID 19
Der nächste große Schritt geschah auf der Ebene zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern. War die Baubranche in den letzten Jahren immer dafür bekannt gewesen, dass Auftraggeber und -nehmer gerne versuchten, monetären Profit daraus zu schlagen, sich gegenseitig die Schuld an Bauverzögerungen etc. in die Schuhe zu schieben, so ging es jetzt genau in die Gegenrichtung: Experten von Auftraggebern (ASFINAG, ÖBB, BIG, Wiener Linien, Wiener Wohnen) und Auftragnehmern (STRABAG, PORR, SWIETELSKY, HABAU) setzten sich unter dem Dach der Österreichischen Bautechnik Vereinigung ÖBV stellvertretend für alle Betroffenen an den Verhandlungstisch, um für den Umgang mit den Folgen von COVID-19 in Bauverträgen eine Lösung im Geist der kooperativen Projektabwicklung zu finden. Das Ergebnis war ein praktikabler Leitfaden, wie man mit Corona-Beeinträchtigungen umgehen würde.
Dass es funktioniert hat, wurde uns immer wieder bestätigt, zuletzt fast schon euphorisch von Asfinag-Vorstandsdirektor Hartwig Hufnagl.
Und jetzt gegen das Chaos mit der Maskenpflicht
Vor wenigen Tagen kam nun eine neue Verordnung des Ministeriums auf den Tisch, nach der man auch im Freien zusätzlich zum Zwei-Meter-Abstand einen Mundnasenschutz (ursprünglich war sogar von FFP2-Maske die Rede, dieses Missverständnis wurde allerdings geklärt) tragen würde müssen.
Wieder sprachen sich die Bausozialpartner zusammen und argumentierten sowohl nach außen als auch SOLID gegenüber fast wortgleich. VIBÖ-Vorsitzender Peter Krammer (Strabag) urteilte mit "Dumm, lästig und massive Mehrkosten", die Bundesinnung nannte das "unangemessen" und Gewerkschaftschef Muchitsch ließ klare Worte hören.
Während dieser Kommentar geschrieben wird (Donnerstag, 11.2., vormittags), sind die Bausozialpartner in dem Vernehmen nach vielversprechenden Verhandlungen mit dem Gesundheitsministerium, damit in der nächsten (ab dem 17.2. gültig sein werdenden) Verordnung eine sowohl gesundheitlich als auch wirtschaftlich praktikable Lösung gefunden wird. Man erhofft sich sogar einen expliziten Verweis auf den jeweils gültigen 8-Punkte-Plan.
Diese Einigung wird wieder zum Wohle aller sein - und wieder wird die Baubranche eine Vorreiterrolle für Österreich eingenommen haben, die ihr nicht nur aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zukommt.
Vielmehr zeigen uns die Verantwortlichen, wie man trotz in manchem unterschiedlichen Interessen in dauerndem Kontakt, mit Augenmaß und mit vorherigem Nachdenken auf einer vernünftigen Linie agieren kann.
Die Politik sollte sich daran ein Beispiel nehmen.