SOLID 11/2020 : Asfinag-Hufnagl: „Da ist uns in der Krise etwas gelungen“

„Wir haben hier zwei unserer ganz großen Baulose, die wir heuer und in den nächsten beiden Jahren noch abzuarbeiten haben. Das eine ist der schwierige Umbau des Knotens Kaisermühlen – da sind wir so rasch, dass wir 2021 auch fertig werden. Bei 200.000 KFZ am Tag und der schwierigen Verflechtung der Auf- und Abfahrten ist das, so wie auch bei der Hochstraße St. Marx eine große logistische Herausforderung. Bei letzterer haben wir zehn Brücken, die man als Kunde vielleicht gar nicht so wahrnimmt.“

Wir treffen Asfinag-Vorstandsdirektor Hartwig Hufnagl kurz zum Lokalaugenschein auf der A23-Baustelle Knoten Kaisermühlen und übersiedeln dann lärmbedingt länger zum Gespräch in die Noch-Asfinag-Zentrale in der Wiener Innenstadt (für Ende 2021 ist die Übersiedlung in den Austro Tower anberaumt).

Dieser Artikel entstammt Ausgabe 11/2020 von SOLID - Wirtschaft und technik am Bau - HIER zum gesamten ePaper

Was man sieht: Hufnagls Kontakt mit den Menschen auf der Baustelle ist nicht gespielt, nicht aufgesetzt wie ein Helm fürs Foto. Er wäre so oft als möglich bei den Leuten, wird er später sagen. „Man muss auf der Baustelle vor Ort sein, um das Gespür dafür zu behalten. Das bekommst du nicht aus den Unterlagen und deshalb suche ich das auch regelmäßig.“

Am 23. Oktober (also einige Tage nach unserem Besuch) waren die Arbeiten auf der Hauptfahrbahn für 2020 abgeschlossen - 16 Tage früher als geplant. Im Frühjahr 2021 werden die Arbeiten fortgesetzt. Im finalen Baujahr kommt es in den Sommermonaten zu Auf- und Abfahrtssperren der Verbindung A 23/A22. Ende 2021 ist die Generalerneuerung abgeschlossen. Die besonderen Herausforderungen dieser Baustelle: Bei rund 150.000 Kfz täglich müssen tagsüber alle Fahrspuren aufrecht erhalten werden. Damit das gewährleistet ist, wird die Verkehrsführung insgesamt 44 Mal umgestellt. Außerdem liegt der Autobahnknoten teilweise im Umweltschutzgebiet "Mühlwasser", die Schutzauflagen sind damit sehr hoch und die Sanierungen der Brücken müssen daher in einigen Bereichen vom Wasser aus durchgeführt werden.

Auf der A23 ist man dann aber nach vielen Jahren und den beiden aktuellen Großbaustellen im Wesentlichen durch. Hat sich hier das Erhaltungskonzept geändert? Hufnagl: „Unsere Erhaltungsstrategie ist mittlerweile so weit entwickeltt, dass wir flächendeckend sämtliche Dokumentationen bis in die 1970er Jahre digitalisiert und sogar fehlende Pläne nachgeholt und vieles in BIM-Modellen integriert haben oder auf dem Weg dazu sind. Wir sind da auf einem ganz hohen Niveau angelangt und können dadurch sehr genau in die Zukunft schauen und unser Bauprogramm entsprechend abwägen.“

Und hat man die 16 Tage durch die über eine Zeit deutlich herabgesetzte Verkehrsfrequenz während des Lockdowns erarbeitet? „Theoretisch wäre das auf der Hand gelegen“, sagt Hartwig Hufnagl, „aber das ist an zwei Punkten gescheitert: erstens sind wir in den Vergabeverfahren nicht so schnell und zweitens konnten wir keine Arbeitskräfte hereinholen, wenn die Grenzen zu waren. Wir haben aber in einem unglaublich tollen und partnerschaftlichen Dialog mit der Bauwirtschaft alles Menschenmögliche gemacht. Das habe ich in dieser Art noch nie gesehen, dass es uns gelingt, einen Schulterschluss zwischen den großen öffentlichen Auftraggebern ÖBB, Wiener Linien, BIG zusammenzubringen, um uns unter dem Dach der Österreichischen Bautechnik Vereinigung öbv in einem Dialog mit den drei Großen der Bauwirtschaft – Strabag, Porr und Swietelsky – zu organisieren. Wir haben in dieser Konstellation einen Covid-Leitfaden erarbeitet, der einfach ein Meilenstein war.“

Neue Allianz zwischen Auftraggeber und Bauwirtschaft

„Wir sind durch die kosequente Anwendung des Leitfadens bei uns bei den Mehrkosten durch die Coronakrise in diesem Jahr bei 33 Millionen Euro geblieben“, erklärt Hufnagl weiter, nun in seinem Büro in der Wiener Innenstadt. Generell habe es aber natürlich – Ausnahmen wie die A23 bestätigen die Regel) etliche Verzögerungen gegeben, vor allem aufgrund der logistischen Folgen der Baustopps. Zehn Tage Stillstand zogen nach dem Feedback aus verschiedenen Firmen in Summe noch zwei bis drei Monate ihre Kreise, ehe man wieder normal weiterarbeiten konnte. Aber in Summe, so Hufnagl, „ist uns in der Krise etwas gelungen, das in der Vergangenheit noch nie da war: eine Allianz zwischen Auftraggebern und der Bauwirtschaft.“ Wird es die damit verbundene Änderung des Klimas „hin zu einem fruchtvollen Austausch“ nach der Krise weiter geben? „Mit mir sicher“, sagt Hufnagl. „Ich bin ein sehr kommunikativer Mensch und dadurch kann man eine Menge Probleme abfedern. Das mache ich auch privat so: alle Dinge, die nicht rund laufen und einen beschäftigen, gehören angesprochen und dann besprochen.“

Pilotprojekte mit alternativen Vertragsmodellen

Ein großes aktuelles Thema der Bauwirtschaft – und beim angesprochenen verbesserten Klima leichter anzugehen als früher - sind Kooperative Bauabwicklung und Allianzverträge. In der Infrastruktur, so hieß es lange, ist das durch die langen Projektzeiträume nicht so einfach. Hufnagl nickt, sagt dann aber: „Wir gehen derzeit viele neue Pfade. Wir machen große Fortschritte im Bereich BIM sowohl in der Erhaltung als auch im Neubau. Und die Zukunft liegt auch in den alternativen Vertragsmodellen. Wir haben zum Beispiel bei der S1 einen von Anwaltskanzleien rechtlich begleiteten Beauty Contest gemacht und insgesamt drei Pilotprojekte auserkoren, die ich jetzt noch nicht nennen kann, die wir aber mit alternativen Vertragsmodellen durchführen werden.“ In der Österreichischen Bautechnik Vereinigung ÖBV gibt es dazu mittlerweile sogar einen eigenen Arbeitskreis unter der Leitung von Asfinag Baumanagement-Geschäftsführer Andreas Fromm.

Megathema Nachhaltigkeit in drei Dimensionen

Eines der ewigen Themen der Asfinag sind Umwelt und Nachhaltigkeit. Immer wieder verzögern sich Straßen- oder Tunnelprojekte aufgrund von Einsprüchen, oft schon während der Bauphase. Wie lebt man damit, frage ich Hartwig Hufnagl? „Ich war ja immer Leistungssportler und sehe das dementsprechend sportlich. Ich nehme das nicht persönlich und mit manchen Dingen muss man sich dann eben intensiver auseinandersetzen. Das Thema wird immer schwieriger, aber man muss sich dem sehr sachlich nähern. Als Jurist warte ich gerne immer die entsprechenden Urteile ab und dann geht es jeweils unterschiedlich weiter.“

Das Thema Nachhaltigkeit müsse man aus einem gewissen Nebel der Beliebigkeit holen und konkretisieren. „Wir als Asfinag sehen uns nicht nur als Straßenbetreiber, sondern als Mobilitätspartner. Die Klimaneutralität 2040 ist ein absolutes Muss. Ich sehe da ein Dreigestirn von Mensch, Infrastruktur und Fahrzeug. Bei den Fahrzeugen müssen wir schauen, dass wir den Fuhrpark umwandeln und genügend Ladeinfrastruktur schaffen. Der Mensch muss angespornt werden, möglichst ökologisch und nachhaltig unterwegs zu sein. Dafür muss man am Mindset arbeiten.“

Die Asfinag könne da Anreize setzen, z.B. Park+Ride-Möglichkeiten ausbauen, Auflademöglichkeiten auch für innerstädtisch Wohnende ohne entsprechende Infrastruktur schaffen etc. „Wir möchten uns als Unterstützer im Zusammenspiel von Individual- und öffentlichem Verkehr sehen. Wir wollen nicht den ganzen Verkehr auf die Straße holen – was vielleicht paradox klingt, weil wir von den Erlösen aus der Maut und den Vignetten leben. Aber es ist zB ein 1-2-3-Plus-Ticket denkbar, mit dem ich die Fahrleistungen der öffentlichen Verkehrsmittel mit zusätzlichen Mobilitätsleistungen der Asfinag koppeln kann.“

Sanfter Zwang bei Vergabekriterien

Richtig viel könne man dort machen, wo es darum geht, ressourcenschonend zu planen, zu bauen und zu betreiben. Hufnagl: „Wir müssen unsere Vergabekriterien so definieren, dass wir unsere Auftragnehmer dazu bringen, in diese Richtung zu arbeiten – das ist ein Riesenhebel und es ist der einzige Hebel. Der Preis muss in der Bedeutung runter und die Qualitätskriterien mit so viel ökosozial nachhaltigen Dingen bestücken, dass dem Auftragnehmer gar keine andere Wahl bleibt.“

Auch hier sei man aus Hufnagls Sicht zu einem Dialog zwischen Bauwirtschaft und Infrastrukturbetreibern aufgerufen. „Ich möchte im nächsten Jahr einen runden Tisch für ökosoziale Vergabekriterien in die Wege leiten, bei dem die Bauwirtschaft auch mitreden soll. Sie soll nicht nur Empfänger von Vorschriften sein, sondern bei deren Erstellung auch mit im Boot sein, damit sie auch ihre Sicht davon einbringen kann, was möglich ist.“