Steuerrecht : Bauabzugsteuer beim großen Nachbarn
Betroffene Bauleistungen
Am 19. Juli 2022 hat das deutsche BMF ein überarbeitetes Schreiben zur Bauabzugsteuer veröffentlicht. Ein guter Zeitpunkt, um einen Blick auf die deutsche Bauabzugsteuer zu werfen.
§ 48 Abs 1 Satz 3 deutsches EStG definiert Bauleistungen als „alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.“ Die Begriffe „Bauleistung“ und „Bauwerk“ sind dabei grundsätzlich weit zu verstehen. Als Bauwerk sind folglich nicht nur Gebäude zu verstehen, sondern darüber hinaus sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem gerät hergestellte Anlagen (z. B. Brücken, Tunnel, Versorgungsleitungen, Windkraft-, Photovoltaikanlagen, Ladeneinbauten, Heizungsinstallationen).
Die Arbeiten müssen aber jedenfalls im Zusammenhang mit einem Bauwerk durchgeführt werden, also der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Arbeitskräfteüberlassung zur Erbringung von Bauleistungen, die Reinigung von Flächen ohne Substanzänderung, Planungsleistungen oder die reine Bauüberwachung stellen keine Bauleistung dar. Sind Planungsleistungen hingegen nur eine von mehreren erbrachten Leistungen und werden auch Bauleistungen erbracht, ist zu prüfen welche Leistung im Vordergrund steht. Wird zum Beispiel bei der Lieferung einer Maschine lediglich eine Steckdose versetzt, wird insgesamt keine Bauleistung vorliegen.
Steuerabzug – Ausmaß und Belegung
Der Steuerabzug hat durch den Leistungsempfänger im Ausmaß von 15 % im Zeitpunkt der Erbringung der Gegenleistung (z. B. Zahlung einer Anzahlung) zu erfolgen. Dem Leistenden ist über diesen Steuerabzug ein Abrechnungsbeleg auszustellen. Bemessungsgrundlage ist der volle Betrag der tatsächlich aufgewendeten Gegenleistung zuzüglich der Umsatzsteuer. Abzüge wie Skonti können abgezogen werden.
Wer ist ein „Leistender“?
Für die Qualifikation als Leistender ist weder eine deutsche Ansässigkeit noch eine deutsche Steuerpflicht notwendig. Ein Generalunternehmer, der zwar selbst keine Bauleistung erbringt, diese aber abrechnet, gilt sowohl als Leistungsempfänger und Abzugsverpflichteter als auch als Leistender.
Entlastung mittels Freistellungsbescheinigung
Vom Steuerabzug kann in drei Fällen Abstand genommen werden:
* Vorlage einer gültigen Freistellungsbescheinigung durch den Leistenden.
* Die Gegenleistungen überschreiten im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht die Grenze von 5.000 Euro oder, wenn der Leistungsempfänger ausschließlich umsatzsteuerbefreite Vermietungsumsätze erwirtschaftet, 15.000 Euro.
* Der Leistungsempfänger vermietet nicht mehr als zwei Wohnungen.
Für ausländische Leistende hat die Entlastung im Wege der Freistellungsbescheinigung in der Praxis eine sehr hohe Bedeutung. Österreichische Leistende können diese beim Finanzamt München beantragen. Der Antrag ist grundsätzlich formlos. Auf der Webseite des Finanzamtes München findet sich allerdings eine entsprechende Vorlage und ein „Fragebogen zur Freistellung beim Steuerabzug bei Bauleistungen“. Für eine effiziente Erledigung des Antrags empfiehlt es sich den Fragebogen bereits ausgefüllt mit dem Antrag zu übermitteln. Zusätzlich sollte der relevante Werkvertrag übermittelt werden.
Die Freistellungsbescheinigung soll dann erteilt werden, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit kein zu sichernder Steueranspruch besteht, etwa wenn aufgrund der kurzzeitigen Tätigkeit eines leistenden österreichischen Unternehmens in Deutschland keine Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht besteht. Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung kann hingegen ua dann versagt werden, wenn der zu sichernde Steueranspruch gefährdet ist (zB Rückfragen des Finanzamtes im Rahmen der Beantragung werden nicht beantwortet, wiederholte nicht rechtzeige Abgabe von Steueranmeldungen oder -Erklärungen).
Ausgestellt werden Freistellungsbescheinigung längstens für einen Zeitraum von drei Jahren, oder bezogen auf die Laufzeit eines Auftrages. Liegt eine gültige Freistellungsbescheinigung vor, fordert das Finanzamt München üblicherweise die quartalsweise Einreichung einer Baustellenübersicht. Eine Verlängerung bestehender Freistellungsbescheinigung ist frühestens sechs Monate vor Ablauf der gültigen Bescheinigung möglich. Im entsprechenden Antrag muss der Hinweis auf den Wunsch einer Folgebescheinigung enthalten sein, ansonsten können Zeiträume ohne gültiger Freistellungsbescheinigung resultieren.
Anrechnung und Erstattung der Bauabzugsteuer
Einbehaltene und angemeldete Steuerabzugsbeträge werden vom Finanzamt auf bestimmte zu entrichtende Steuern angerechnet. Dafür kann die Vorlage der vom Leistungsempfänger ausgestellten Abrechnungsbelege gefordert werden. Nach der Anrechnung verbleibende Guthaben können erstattet werden, wenn keine zu sichernden Steueransprüche bestehen. Der Antrag muss spätestens bis zum Ablauf des vierten Kalenderjahres, das auf das Jahr der Anmeldung des Steuerabzugs folgt, eingereicht werden.
Besonderheiten bei ARGEN
Schließen ARGEN Verträge über Bauleistungen ab, so wird einerseits die ARGE zum Leistenden und andererseits jeder ARGE-Partner, der Bauleistungen gegenüber der ARGE erbringt. Im Fall einer ARGE, für die keine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt und die nicht Arbeitgeber der eingesetzten Arbeitnehmer ist, müssen sämtliche ARGE-Partner eine gültige Freistellungsbescheinigung haben.
Die Ausstellung von Freistellungsbescheinigungen für solche ARGEN erfolgt durch das Finanzamt München längstens bis zum Ablauf der ersten Freistellungsbescheinigung eines ARGE-Partners.
Tipps & Tricks
* Wie bei allen Steuerabzügen gilt auch bei der Bauabzugsteuer: informieren Sie sich rechtzeitig – als Leistungsempfänger über die Abzugsverpflichtung, als Leistender über die Möglichkeiten zur Vermeidung des Abzugs.
* Als Leistungsempfänger und Abzugsverpflichteter sollten Sie nur auf den Abzug verzichten, wenn eine gültige Freistellungsbescheinigung vorgelegt wurde, oder einer der anderen beiden genannten Entlastungsgründe vorliegt.
* Auch österreichische Unternehmen, die in Deutschland Bauleistungen empfangen (zB von Subunternehmern) können zum Abzug verpflichtet sein!
* Der Leistungsempfänger ist verpflichtet einen Abrechnungsbeleg über den Abzug der Bauabzugsteuer auszustellen. Fordern Sie diesen unbedingt an, er wird vom Finanzamt bei Anträgen auf Anrechnung oder Erstattung regelmäßig angefordert.
* Bei Vorlage einer Baustellenübersicht an das deutsche Finanzamt sollten unbedingt die steuerlichen Konsequenzen der in der Liste enthaltenen Projekte bedacht werden und ob dementsprechende Anmeldungen bzw Erklärungen durchgeführt wurden. Anderenfalls wird es sehr wahrscheinlich zu einer entsprechenden Prüfung durch das deutsche Finanzamt kommen.
* Wurde der Steuerabzug zu Unrecht vorgenommen, kann nur der Leistungsempfänger eine Rückerstattung bewirken. Der Leistende muss die zu Unrecht einbehaltene Steuer vom einbehaltenden Leistungsempfänger zurückfordern.
* Nützliche Vorlagen und Formulare finden Sie auf der Seite des Finanzamtes München in der Rubrik Formulare / Weitere Themen A bis Z / Bauleistungen.