Deutschland : Stuttgart 21 doppelt so teuer als geplant
Die Kosten für das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 steigen nach Angaben aus Kreisen der Deutschen Bahn immer weiter. Das Projekt verteure sich um eine weitere Milliarde auf nun über 9 Mrd. Euro, sagten mit den Zahlen Vertraute der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. Das zeichne sich in einer neuen Kostenschätzung ab. Damit hätte sich der Preis für das Mammutprojekt gegenüber der Kalkulation zu Baubeginn 2010 mehr als verdoppelt.
Zuletzt hatte die Deutsche Bahn 2018 ihre Schätzung auf 8,2 Mrd. Euro inklusive eines Puffers von knapp 500 Mio. Euro erhöht. Dieser ist bereits aufgebraucht. Als Grund der neuen Mehrkosten führe das Management vor allem die allgemeine Steigerung von Baukosten gerade in den letzten Jahren an, sagte ein Insider. Das Bahn-Management wolle dabei möglichst am bisherigen Termin für eine Eröffnung bis Ende 2025 festhalten.
Die Deutsche Bahn erklärte auf Anfrage: "Derzeit läuft eine Kostenüberprüfung des Projektes, die nicht abgeschlossen ist und deren Ergebnis abgewartet werden muss." Der Bahn-Experte der Grünen im Bundestag, Matthias Gastel, zeigte sich verärgert: "Wenn schon Zahlen über eine weitere drastische Preissteigerung kursieren, dann wird es allerhöchste Zeit, dass die Deutsche Bahn endlich klar Stellung bezieht und für Transparenz sorgt, statt sich noch länger mit der Wahrheit zu verstecken". Noch im Dezember habe die Bahn ihm gesagt, dass der Finanzierungsrahmen nicht überschritten werde. "Nun könnte zudem auch einmal mehr der Zeitplan wackeln. Auch dazu braucht es jetzt eine klare Aussage", sagte er Reuters.
Das Bahnhofsprojekt sieht im Kern eine Verlegung des Stuttgarter Kopfbahnhofs unter die Erde und eine Anbindung an Hochgeschwindigkeitsstrecken durch Tunnel vor. Auch der Stuttgarter Flughafen bekommt so eine Verbindung. Am Standort der bisherigen Station sollen die Flächen im Stuttgarter Talkessel unter anderem für Wohnungen genutzt werden. Das Vorhaben war schon in der Planungsphase heftig umstritten. Die Kosten lägen in keinem Verhältnis zum Nutzen für den Verkehr, wandten Kritiker ein. Nach Baubeginn stießen immer wieder Demonstranten und Polizei zusammen, es gab viele Verletzte. Die Proteste mit teils weit über 50.000 Menschen führten letztlich zu einer Volksabstimmung im Jahr 2011 in ganz Baden-Württemberg. Etwa 60 Prozent sprachen sich damals für den Weiterbau aus.
Der deutsche Bundesrechnungshof übte wiederholt an Kostenschätzungen und Kontrolle des Projekts Kritik. Das Verkehrsministerium kontrolliere zu lasch, die finanziellen Risiken würden unterschätzt. Der Bund müsse im Zweifel haften. Ursprünglich wollten sich Bahn, Bund, das Land Baden-Württemberg mit Partnern sowie der Flughafen Stuttgart sich die Kosten teilen - basierend auf einer Vereinbarung und Berechnungen vor Baubeginn.
Eine Beteiligung an den Mehrkosten, die sich stetig erhöhten, lehnten die Partner der Deutschen Bahn ab. So muss der inzwischen mit über 30 Milliarden Euro verschuldete Staatskonzern die zusätzlichen Milliarden zunächst selbst aufbringen. Auch der Eröffnungstermin hat sich immer weiter verschoben. Kurz nach Baubeginn war von 2019 die Rede. 2018 wurde dann der Startpunkt mit Dezember 2025 genannt.