Österreich : Strenge Vergabe von Immobilienkrediten steht unter heftiger Kritik
Die seit diesem Sommer restriktivere Wohnkreditvergabe angesichts hoher Inflation und steigender Zinsen lässt die Wogen hochgehen. Die Banken- und die Immobilienbranche fordern Lockerungen. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) schlägt zur besseren Finanzierbarkeit von Wohnraum eine Streichung der Grunderwerbsteuer bzw. den Entfall der Grundbucheintragungsgebühr vor. Die Nationalbank sammelt indes noch Daten aus der Vergabepraxis, um 2023 gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.
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Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) hatte die umstrittenen neuen Vergabekriterien für Immobilienkredite, die seit 1. August gelten, erst kürzlich bei der Präsentation des aktuellen Finanzmarktstabilitätsberichts verteidigt, aber auch eine mögliche Adaptierung im kommenden Jahr signalisiert. Bis März 2023 würden noch Erfahrungswerte der Kreditinstitute gesammelt - vor allem über die Ausnützung des Ausnahmekontingents. Die Banken haben für 20 Prozent der Kredite einen eigenen Ermessensspielraum bei der Vergabe. Danach wird die Verordnung nochmals evaluiert. "Dann kann man schauen, wo man Veränderungen vornehmen kann", hatte OeNB-Vizegouverneur Gottfried Haber Ende November vor Journalisten in Wien gesagt. Als Beispiel waren Zwischenfinanzierungen genannt worden.
Die neue KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmenverordnung) sei notwendig geworden, um systemische Risiken aus einer Verschlechterung der Kreditqualität entgegenzuwirken, betont die OeNB. Die seither rückläufige Kreditvergabe sei überwiegend auf die hohe Inflation und die steigenden Zinsen zurückzuführen und nur zu einem geringeren Teil auf die restriktiveren Kriterien. Der hierzulande hohe Anteil an variabel verzinsten Krediten sei mit 47 Prozent im europaweiten Vergleich überdurchschnittlich groß.
Die sich verschlechternden wirtschaftlichen Aussichten gepaart mit hoher Inflation und steigenden Zinsen hätten viele Österreicher bei einem geplanten Immobilienerwerb oder Hausbau zunehmend vorsichtig werden lassen, erklärte auch die Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) am Donnerstag in einer Aussendung. Die von der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) eingeführten Regeln zur Vergabe von Wohnbaukrediten verstärkten diesen Effekt und führten zusätzlich zu einem massiven Rückgang des Neugeschäftes.
Die Transaktionen von Wohnraum hätten sich heuer im Zeitraum August bis Oktober im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 21.000 auf nur noch 9.000 mehr als halbiert, verdeutlichen Zahlen, die der WKÖ-Obmann der Fachgruppe Immobilien- und Vermögenstreuhänder, Michael Pisecky, am Donnerstag bekanntgab.
Die Immobilien-Wirtschaft drängt darauf, die Schuldendienstquote von 40 Prozent auf 60 Prozent anzuheben, wie das in Deutschland die Regel sei. Weiters sollten Zwischenfinanzierungen nicht in das Ausnahmekontingent zählen und nur mit dem Zinsendienst in die Schuldendienstquote. Die Kapitaltilgung erfolge durch den Verkauf der derzeitig noch bewohnten Immobilie. Beim Ersterwerb einer Immobilien sollten zudem die Grunderwerbssteuer und die Grundbucheintragungsgebühr erlassen werden, ebenso die Eintragungsgebühr von Hypothekardarlehen ins Grundbuch. Diese Änderungen würden es wieder verstärkt möglich machen, Wohnungskredite zu erhalten, so die Immo-Treuhänder.
"Wir unterstützen die grundsätzlichen Ziele der Verordnung. Tatsache ist aber auch, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen massiv verändert haben. Daher sollte man rasch auf das neue Umfeld reagieren und die notwendigen Anpassungen vornehmen", betonte der WKÖ-Bundesobmann der Bankensparte, Willi Cernko. Für Jungfamilien und Kreditnehmer unter 36 Jahren würde bereits eine geringe Anpassung, in Form einer Anhebung der Schuldendienstquote (von 40 auf 45 Prozent) und der Beleihungsquote (von 90 auf 95 Prozent) "eine deutliche Besserung bringen und das Ausnahmekontingent massiv entlasten", schlug er vor.
Das Ausnahmekontingent werde derzeit bereits zu einem großen Teil von der in der Praxis für Kreditnehmer essenziellen Finanzierungsform, der Zwischenfinanzierung, belastet. "Mehr als ein Drittel des den Banken zur Verfügung stehenden Ausnahmekontingentes muss allein für Zwischenfinanzierungen verwendet werden." Denn zur Besicherung des Neukaufs, dürfe eine noch bewohnte Immobilie nicht als Sicherheit herangezogen werden, auch wenn diese zeitnah wieder verkauft werden soll und in diesem Ausmaß den Kredit mindert. Die kurzfristige Zwischenfinanzierung bis zum Verkauf der bestehenden Wohnung "rechnet undifferenziert in die Kennzahlen". Banken müssten aktuell den vollen Kreditbetrag für die neue Immobilie - ohne Abzug des Werts der aktuellen Wohnung - in ihr Ausnahmekontingent nehmen, so die Kritik seitens der Banken.
"Die Anschaffung eines Eigenheims soll leistbar sein und es jungen Menschen ermöglichen, Eigentum zu begründen. Dazu bekennt sich auch die Bundesregierung in ihrem Programm klar. Die verschärften Bedingungen bei der Kreditvergabe stehen dem allerdings entgegen", kritisierte ÖVP-Nationalratsabgeordneter Nico Marchetti am Donnerstag in einer Aussendung.
Der stellvertretende Landesobmann der Freiheitlichen Wirtschaft Niederösterreich, Michael Sommer, forderte "die rasche Aussetzung der FMA-Richtlinie". Gerade in Zeiten der steigenden Zinsen und damit steigenden Kreditraten sei eine starre Grenze mit 40 Prozent fehl am Platz. "Mit steigenden Zinsen werden die Kredite teurer und für immer mehr Menschen unmöglich zu bekommen." Die 40-Prozent-Grenze muss temporär ausgesetzt werden, "damit Österreicher wieder Kredite erhalten und die Einnahmen der Bauunternehmen gesichert sind".