Windkraft | Investition : Strabag klagt Deutschland auf 335 Millionen

Zwei Tochterunternehmen der Strabag hatten in Offshore-Windkraftprojekte in der Nordsee investiert und werfen der Bundesrepublik Deutschland vor, durch abrupte Änderungen ab dem Jahr 2012 die wirtschaftliche Grundlage für die Projekte entzogen zu haben.
- © FotoliaDer größte österreichische Baukonzern Strabag lässt seine Schadensersatzforderungen gegen Deutschland im Zusammenhang mit gescheiterten Offshore-Windkraftprojekten vor einem US-Gericht verhandeln. Über das Bezirksgericht in Washington D.C. sollen rund 335 Millionen Euro inklusive Zinsen geltend gemacht werden. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf den umstrittenen Energiecharta-Vertrag (ECT) und die Rolle von Investitionsschutzklauseln.
Hintergrund: Offshore-Investitionen gescheitert
Konkret klagen zwei Strabag-Tochtergesellschaften – die Erste Nordsee-Offshore-Holding GmbH und die Zweite Nordsee-Offshore-Holding GmbH – wegen regulatorischer Änderungen im deutschen Energierecht. Die Unternehmen hatten in Offshore-Windkraftprojekte in der Nordsee investiert und werfen der Bundesrepublik Deutschland vor, durch abrupte Änderungen ab dem Jahr 2012 die wirtschaftliche Grundlage für die Projekte entzogen zu haben. Die Vorhaben wurden laut Strabag im Jänner 2017 endgültig eingestellt, wobei ein Großteil der getätigten Investitionen verloren gegangen sei.
Ein Schiedsgericht des International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) hatte der Klage im Dezember 2023 in erster Instanz Recht gegeben und Deutschland zu einer Zahlung von rund 240 Millionen Euro Schadensersatz plus Zinsen verurteilt. Die Klage beim US-Gericht dient nun offenbar der Vollstreckung des Schiedsspruchs auf internationaler Ebene.
Energiecharta-Vertrag: Schutz für Investoren – und Kritikpunkt für Staaten
Rechtsgrundlage der Forderung ist der Energiecharta-Vertrag (ECT), ein multilaterales Abkommen, das 1998 in Kraft trat. Ziel des Vertrags war es ursprünglich, Investitionen im Energiesektor zwischen Ost- und Westeuropa zu fördern. Der ECT erlaubt es Investoren, Staaten bei regulatorischen Änderungen oder Enteignungen vor internationalen Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie sich in ihren Rechten verletzt sehen.
Kritiker bemängeln seit Jahren, dass der Vertrag Investoren umfassenden Schutz einräume, während Staaten in ihrer Gesetzgebungshoheit eingeschränkt würden – insbesondere bei der Energiewende. So hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits 2021 geurteilt, dass der ECT im Verhältnis zwischen EU-Mitgliedstaaten nicht mit EU-Recht vereinbar sei. Deutschland ist im Dezember 2022 aus dem Vertrag ausgetreten. Die EU beschloss im Mai 2024 den kollektiven Austritt – Österreich gehört bislang nicht zu den ausgetretenen Staaten.