Digitalisierung & BIM : Scrum beim Öko-BIM
Ohne BIM viel Arbeit
Das Thema ist brandaktuell, keine Spielerei für Freaks und man wird es über kurz oder lang brauchen: die Rede ist von einer verlässlichen Öko-Bilanzierung von Bauwerken, die im Gegensatz zur heute weitgehend üblichen Praxis der erst nach der Fertigstellung erfolgenden Berechnung schon in der Planungsphase beginnt. Aktuell ohne BIM ist es in der Regel viel Arbeit, die Daten zu sammeln. Oft werden heute das Leistungsverzeichnis LV und Produktinformationen als Grundlage verwendet. In einem früheren Stadium sind hingegen noch Alternativen möglich und es geht zunehmend auch um das Thema Finanzierung; denn je schneller der Zug der EU-Taxonomie fährt, desto mehr werden auch Investitionssummen und -bedingungen von frühzeitig erstellten und glaubhaften Öko-Bilanzen von noch zu bauenden Bauwerken abhängen.
Was Finanzvorstände großer Branchenunternehmen zur EU-Taxonomie sagen, finden Sie HIER!
Wir treffen Peter Spreitzer, den Geschäftsführer des „Entwicklungspartners für Innovation im Bauwesen“ Acht Engineering, und seinen Sohn und Digital-Spezialisten Lukas Röder in deren Büro. Spreitzer sieht die Zeit für die Verknüpfung von BIM mit Ökobilanz-Daten gekommen. „Man kommt dazu immer leichter ins Gespräch und es ist ein Anwendungsfall von BIM, der immer wichtiger werden wird.“ Lukas Röder assistiert: „Die Argumentation für das Thema BIM wird dadurch generell sehr gestärkt.“
„Ringtram“ – Kreislaufwirtschaft und BIM
Das Modell von Acht Engineering trägt den für Nicht-Wiener nicht unmittelbar zu verstehenden Arbeitstitel „Ringtram“. „Ring“ steht dabei für Kreislaufwirtschaft und ist auch die um die Innenstadt führende und von der Straßenbahn = Tramway = Bim (so der Wiener Spitzname) prominent befahrene Straße. Aus dem Namen lässt sich schon erkennen, dass das Modell noch in Arbeit ist, aber, so Spreitzer und Röder: es funktioniert schon und in den nächsten Wochen und Monaten wird sich entscheiden, wohin der Weg damit genau führt.
Nie mehr wichtige News aus der Baubranche verpassen? Abonnieren Sie unseren Newsletter - hier geht’s zur Anmeldung!
Man fühlt sich dabei an die aus der Software-Entwicklung bekannte Scrum-Methode erinnert. Dabei geht es im Unterschied zu einem fertig ausentwickelten Programm, das vorher nicht freigegeben wird, um eine Stück für Stück wachsende Software, die aber in jedem Stadium schon funktionsfähig ist.
„Es gibt jetzt viele Möglichkeiten, das weiter auszubauen. Wir könnten ein eigenes Tool daraus machen oder in eine Kooperation gehen, es mit Dienstleistungen verbinden oder für eine Firma spezifisch anpassen“, sagt Spreitzer. „Ein Thema, mit dem wir uns da grundsätzlich beschäftigt haben, ist das Greifbarmachen von Materialänderungen, bei dem man mit einer gewissen Genauigkeit Aussagen treffen kann. Man könnte das einem aktiven und am Thema interessierten Bauherrn durchaus ermöglichen, selbst damit zu arbeiten und dann eventuell wieder ins Planer-Team zurückzugehen. Dort würde dann das Modell mit dem anderen Material und allenfalls anderer Statik neu erstellt. Also keine Ersetzung einer Fachplanung, sondern ein Tool, um sich mit der Planung leichter beschäftigen zu können.“
Eine Möglichkeit, das Tool anzuwenden, wären also etwa Architekturwettbewerbe, bei denen die Abgabe eines BIM-Modells die Vorgabe ist. Davon könnte man relativ schnell Ökobilanzen erstellen und das in die Vergabe einbeziehen.
Was beim BIM-Modell nötig ist
Ist das für eine verlässliche Öko-Bilanzierung notwendige BIM-Modell komplizierter als ein „normales“, fragen wir? „ Im Allgemeinen nicht“, sagt Lukas Röder. „Wenn man das von vornherein ansetzt und in den AIA (Auftraggeber Informationsanforderungen, Anm.) entsprechend definiert, können die Modelle auch so aufbereitet werden, dass man das relativ automatisiert machen kann.“ Der meiste Aufwand derzeit entstehe dadurch, dass die BIM-Modelle noch nicht die Qualität haben, damit der Automatismus funktioniert
Röder: „Wichtig ist, dass die Materialien richtig definiert sind und die Bauteile die Informationen haben, die wir brauchen, es muss feingliedrig genug modelliert sein. Ein zu lösendes Thema ist zum Beispiel, dass der Bewehrungsgehalt oft nicht in frühen Phasen noch nicht vorhanden ist. Diesen müssen wir dann oft manuell definieren und hinzufügen.“
Daher habe man sich im derzeitigen Stadium dafür entschieden, bewusst ein semi-automatisches Tool anzubieten. „Der Anwender kann und muss noch individuell nacharbeiten und das braucht auch ein gewisses Expertenfachwissen, das sich nicht automatisieren lässt.“
Und wie gut muss das IFC-Modell sein? „Die Geometrie muss passen. Es ist ein großer Vorteil, wenn das Modell schichtweise modelliert ist. Dadurch dass die Materialien den Schichten zugewiesen sind, kann man das auch sehr genau auswerten. Wenn Schichten fehlen wie zB eine Folie, weil das für das Modell nicht so wichtig ist, ist das in der Ökobilanzierung zu berücksichtigen.. Man muss dann das Wissen haben, wie man das in die Berechnung miteinbezieht. Dasselbe gilt zum Beispiel auch für Verbindungsmittel.
Wie es funktioniert
Die grundlegende Funktionsweise von „Ringtram“ ist leicht erklärt: das BIM-Modell wird in seinen Mengen und dazugehörigen Materialbezeichnungen mit einer Öko-Datenbank gematcht und daraus ergeben sich dann die Ökobilanz-Kennzahlen.
In einem Fenster der Software sieht man auf der linken Seite eine Liste mit den Begriffen und Materialien aus dem BIM-Modell links und rechts die Vorschläge aus der deutschen Ökobaudat-Datenbank (diese stellt im Gegensatz zum österreichischen Baubook auf alle relevanten Phasen des Bauprojekts ab, Baubook derzeit nur auf die Baustoffherstellung). Spreitzer über den Teufel im Detail: „Ein Material kann im BIM-Modell z.B. Beton C 3037 heißen, aber in der Ökobilanzdatenbank findet sich diese Bezeichnung nicht 1:1. Wir haben daher eine Mechanik eingebaut, bei der eine Vorauswahl getroffen wird, die dem Ziel möglichst nahekommt, aber die Referenzierung muss definitiv gecheckt werden.“
Auch die Delta arbeitet mit BIM4eco an einem ähnlichen Modell, allerdings mit etwas anderer Stoßrichtung - HIER alle Informationen dazu!
Dieses Mapping kann dann in einem gewünschten Format exportiert und weiterverarbeitet werden. Spreitzer: „Man könnte die Werte auch ins IFC-Modell zurückschreiben, aber da muss man aufpassen, weil es da zu Schwierigkeiten mit der Modellverantwortung kommen kann.“
In der Regel erstellt man dann eher ein csv-File und kann daraus die Ergebnisse für die Öko-Bilanzierung ableiten.
Fetisch Baubeginn und was statt dessen denkbar wäre
Irgendwann stößt man bei solchen Überlegungen immer wieder auf die Notwendigkeit, der Planung mehr Zeit, Raum und damit Bedeutung zu geben. Peter Spreitzer: „Das Denken in der Baubranche ist allerdings noch sehr davon getrieben, dass sich viele Beteiligte wohlfühlen, wenn es heißt: es wird zu bauen begonnen.“ Die Politik könne dann Baubeginne vorweisen, die ausführende Firma sitze fest im Sattel und man sieht etwas. „Diese Denke verhindert natürlich oft, dass man im Vorfeld manche Themen etwas genauer ansieht und auch Variantenbetrachtungen macht.“
Lukas Röder: „Ich glaube, dass es in diesem Zusammenhang ein großes Potenzial für KI gibt – also trainierte Modelle, die realistische Baukosten schätzen können.“
Und wodurch könnte man diesen Fetisch Baubeginn ersetzen, fragen wir?
„Eigentlich wäre das ein fertig geplantes BIM-Modell. Man könnte ja eine Feier oder Präsentation zu diesem Zeitpunkt machen und nicht zum Spatenstich.“
Pilotprojekt mit der Asfinag
Die Asfinag hat im Rahmen eines konkreten Brückenbauprojektes verschiedene Tools zur Ökobilanzierung von Infrastrukturprojekten getestet. Im Rahmen eines internen Forschungsprojekts entwickelte Acht Engineering einen Prototypen, welcher auf Basis von BIM-Modellen und Verknüpfung mit Ökobilanzierungsdatenbanken eine quantitative Bewertung des ökologischen Fußabdruckes von Bauwerken ermöglicht.
Nach Abschluss des Pilotprojektes wurde durch Acht Engineering ein Anwendungsfall für die BIM-basierte Ökobilanzierung ausformuliert, sodass die Asfinag ein entsprechendes Leistungsbild im Rahmen von BIM-Projekten ausschreiben kann. Das Ergebnis kann sowohl für Hochbau- als auch für Infrastrukturprojekte verwendet werden und ist ein wichtiger Schritt für die Nachhaltigkeit und das Umweltbewusstsein bei Bauprojekten.