Stahlbau : Quantensprung in der Stahlproduktion
Inhalt
- Grüner Deal für grünen Stahl
- Viel ist geschafft ... Verminderung der CO2-Emmissionen im Stahlbau
- ... vieles bleibt zu tun - grundlegender Technologiewandel
- Strenge Rechnung
- Ein Stahlerzeuger als Stromproduzent
- Eine Frage von Preis und Strominfrastruktur
- Wasserstoff als Game-Changer
- Das erste Null-Emissionen-Stahlwerk
- CO2-Reduktion und Recycling
- Energie-Manifest
Grüner Deal für grünen Stahl
„Grüner Deal für grünen Stahl“ – so betitelt die europäische Strategieberatung Roland Berger eine Ende 2021 erstellte Studie zur bevorstehenden grünen Transformation der Stahlindustrie. Vorgezeichnet ist dieser Weg durch die Klimaschutzziele der Europäischen Union.
Der sogenannte Green Deal, der unter dem Einfluss des UN-Klimaabkommens von Paris entworfen wurde, setzt sich zum Ziel, die Europäische Union bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. In der Folge einigten sich EU-Rat, EU-Kommission und Europaparlament auf einen Aktionsplan mit Etappenzielen. Bis 2030 ist so eine Treibhausgasminderung um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 angepeilt. Nachdruck erhält diese Zielsetzung durch ein europäisches „Fit for 55“-Gesetzespaket.
Was bedeutet dies nun für die Stahlproduzenten, die bereits in der Vergangenheit große CO2-Einsparungen realisieren konnten? Um bis 2030 auf 55 Prozent gegenüber 1990 zu kommen, braucht es in den kommenden Jahren eine Emissionsreduktion um weitere 30 Prozent, rechnet der europäische Wirtschaftsverband Eurofer vor.
Gegenwärtig hat die Stahlindustrie einen Anteil von 5,7 Prozent an den gesamten Treibhausgas-Emissionen in der Europäischen Union. Das sind knapp 220 Millionen Tonnen. „Diese stammen größtenteils aus rund 25 integrierten Stahlwerken, die über die sogenannte Hochofenroute Stahl aus Eisenerz gewinnen“, so die Autoren der Roland-Berger-Studie. Einen besonders hohen Energie- und Kohlenstoffbedarf verursachen Produktionsprozesse der Flüssigphase wie Koks- und Eisenerzeugung.
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"Der Markt für grünen Stahl entwickelt sich gerade."
voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner
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„70 Prozent des Stroms für die Stahlherstellung in Linz erzeugen wir selbst durch die Nutzung von Gasen, die bei der Produktion entstehen.“
Hubert Zajicek, Leiter der Steel Division bei der voestalpine
Viel ist geschafft ... Verminderung der CO2-Emmissionen im Stahlbau
Nicht unerwähnt seien die bisherigen, durchaus erfolgreichen Bemühungen der Hersteller: „Die Berechnung der CO2-Emissionen der EU-28-Stahlindustrie zwischen 1990 und 2015 ergibt eine Verminderung um insgesamt 28 Prozent von 298 Millionen auf 216 Millionen Tonnen.“
Vorgenommen wurde diese Berechnung von den Metallurgen und RWTH-Aachen-Professoren Hans Bodo Lüngen und Peter Schmöle. Näheres dazu führten die beiden bei der Mitgliederversammlung des Stahlinstituts VDEh im Juni dieses Jahres in Düsseldorf aus. Die Verminderung geht gut zur Hälfte auf die Kappe des Rückgangs der Stahlerzeugung im selben Zeitraum von 197 auf 166 Millionen Tonnen. Aber auch die spezifischen CO2-Emissionen je Tonne Rohstahl konnten um 14 Prozent von 1,5 auf 1,3 Tonnen reduziert werden.
„Diese Zahlen ergeben sich aus den spezifischen Emissionen der integrierten Route und der Elektroofenroute sowie aus deren Anteil an der Gesamtstahlerzeugung der jeweiligen Jahre“, so Lüngen und Schmöle. Wobei die Emissionen der integrierten Hochofen-Konverter-Route in den 25 untersuchten Jahren nur um fünf Prozent zurückging. „Ein Indiz dafür, dass diese Route am verfahrenstechnischen und wirtschaftlichen Optimum betrieben wird.“
Der Anteil der Elektrostahlerzeugung an der Gesamtproduktion stieg hingegen von 28 Prozent im Jahr 1990 bis 2015 auf 39 Prozent. Die CO2-Last der aus dem öffentlichen Netz bezogenen elektrischen Energie sank im genannten Zeitraum von 585 auf 300 Gramm je Kilowattstunde – „ein wesentlicher Beitrag zur Verringerung der CO2-Emissionen der schrottbasierten Elektroofen-Route um 39 Prozent“.
Hochofen, Elektroofen – die Begrifflichkeiten zeigen schon: Es geht nicht mehr um Optimierungen bestehender Prozesse, sondern um einen technologischen Transformationsprozess. Eine Einschätzung, die vom voestalpine-Vorstandsvorsitzenden Herbert Eibensteiner uneingeschränkt geteilt wird: „In den vergangenen Jahrzehnten haben wir Luftemissionen und Energieverbrauch auf das technologische Minimum gesenkt.“ Durch konsequente Prozess- und Anlagenoptimierungen wurde der CO2-Ausstoß binnen drei Jahrzehnten um ein Fünftel verringert.
... vieles bleibt zu tun - grundlegender Technologiewandel
Eibensteiner: „Eine weitere signifikante Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen ist nur auf Basis eines grundlegenden Technologiewandels möglich.“ Dazu plant der Konzern in einem ersten Schritt ab 2027 den sukzessiven Umstieg von der kohlebasierten Hochofentechnologie auf grünstrombetriebene Elektrolichtbogenofen-Technologie – Stichwort „greentec steel“.
Kurz gefasst gibt es in Europa zurzeit zwei Arten der Stahlerzeugung. Mit rund 60 Prozent hat dabei die sogenannte Hochofenroute den größeren Anteil an der Gesamtproduktion. Roheisen wird bei diesem Verfahren aus Eisenerz in Sinter- oder Pelletsform sowie Koks oder Erdgas als Reduktionsmittel im Hochofen hergestellt.
Die Umwandlung des Roheisens und des beigemengten Schrotts in Stahl erfolgt beim „Frischen“, bei dem Kohlenstoff und andere unerwünschte Begleitelemente wie Silizium, Mangan oder Phosphor mittels Oxidation ausgelöst werden. Dazu wird der flüssige Stahl mit Sauerstoff behandelt, der oxidierte Kohlenstoff entweicht als Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid. Über die Hochofenroute werden etwa Flachstahlprodukte erzeugt, die beispielsweise in der Bau- oder der Automobilindustrie zum Einsatz kommen.
Bei der Elektrostahlroute (Produktionsanteil: 40 Prozent) wird die zum Schmelzen erforderliche Wärme mit Hilfe elektrischer Energie erzeugt, was eine Energieersparnis von bis zu 55 Prozent gegenüber der Hochofenroute ermöglicht. Ein Elektrolichtbogenofen (Electric Arc Furnace oder EAF) erzeugt Temperaturen von bis zu 3.500 Grad Celsius direkt im Schmelzgut.
Neben Stahlschrott kann auch Eisenschwamm (auch als Direct Reduced Iron oder DRI bezeichnet) eingeschmolzen und zu Rohstahl verarbeitet werden. Die vorangegangene Reduktion des Eisenerzes mit Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff ergibt ein schwammartiges Produkt mit großem Porenvolumen, den Eisenschwamm. Die Elektrostahlroute eignet sich besonders für den im Bausektor verwendeten Langstahl.
Das Gros der durch die Stahlerzeugung verursachten CO2-Emissionen entsteht bei der Reduktion der Eisenerze. Um den Sauerstoff aus dem Eisenerz auszulösen, braucht es ein gasförmiges Reduktionsmittel – konkret: Kohlenmonoxid oder Wasserstoff. Bei der Reduktion mit Ersterem entsteht das Treibhausgas Kohlendioxid, bei der Reduktion mit Wasserstoff entsteht Wasser in Form von Dampf.
Strenge Rechnung
Die RWTH-Forscher Lüngen und Schmöle beziffern die Emissionen einer Hochofen-Produktion mit 1.880 Kilo CO2 pro Tonne Rohstahl. Diese fallen in Summe in Kokerei, Sinteranlage, Hochofen und Konverter sowie in den nachfolgenden Prozessen – Gießen und Umformen – und bei einer etwaigen Verwertung der Prozessgase in nachgeschalteten Kraftwerken an.
Den wesentlichen Anteil an den Emissionen hat der Hochofenprozess selbst. Allerdings wird die dabei anfallende Schlacke in der Regel zu Hüttensand granuliert. Diese wird bei der Zementherstellung als Ersatz für Portlandklinker eingesetzt und führt dort zu erheblichen CO2-Einsparungen.
Die Direktreduktion von Eisenerz ist keine ganz neue Entwicklung. „In der betrieblichen Praxis wird schon seit Anfang der 1970er-Jahre wasserstoffreiches Erdgas zur Reduktion der Eisenerze verwendet“, schildern die RWTH-Forscher. Die Weiterverarbeitung des entstandenen Eisenschwamms zu Rohstahl mit Schmelzen und Schlackenmetallurgie erfolgt im nachgeschalteten Elektrolichtbogenofen. „Die CO2-Emissionen dieser Route liegt beim Einsatz von Erdgas bei 993 Kilo je Tonne Rohstahl.
Bei der schrottbasierten Elektroofenroute entstehen kaum Emissionen durch den Produktionsprozess selbst. Der Großteil der CO2-Last ist der fremd bezogenen elektrischen Energie für den Schmelzprozess im Elektrolichtbogenofen und für die nachfolgenden Prozessstufen zuzurechnen. Geht man von einer CO2-Last dieser elektrischen Energie von 300 Gramm pro Kilowattstunde aus, kommt man rechnerisch auf 410 Kilo CO2 für jede Tonne Rohstahl. Je mehr Ökostrom künftig zur Verfügung steht, desto sauberer wird also auch die Produktion insgesamt.
Ein Stahlerzeuger als Stromproduzent
Eine Maßnahme von vielen bei der voestalpine ist folgerichtig die konzernweite Errichtung von Photovoltaik-Anlagen. Insgesamt summieren sich diese auf eine Fläche von rund 310.000 Quadratmeter und auf eine Leistung von gut 60 Megawatt peak. Damit man sich darunter etwas vorstellen kann: Mit dieser Ökostrom-Menge könnte ein Konvoi von 10.000 Elektroautos einmal im Jahr rund um die Erde fahren. Der Stahl für die Unterkonstruktionen der Anlagen stammt im Übrigen vom Technologiekonzern selbst.
Wichtiger noch ist der erwähnte Umstieg von der kohlebasierten Hochofentechnologie auf Elektrolichtbogenofen-Technologie. Eine erste wichtige Entscheidung wurde bei einer Aufsichtsratssitzung im März dieses Jahres getroffen, nach der die notwendigen Baufelder an den Standorten Linz und Donawitz freigemacht und infrastrukturelle Umbauarbeiten begonnen wurden.
Im nächsten Jahr entscheidet der Aufsichtsrat dann final über die Investition in zwei Lichtbogenöfen, deren Bau aus jetziger Sicht 2024 starten soll. 2027 sollen die beiden Öfen in Betrieb gehen. Die dafür veranschlagten Investitionen belaufen sich in der ersten Phase auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag, in Summe auf rund eine Milliarde Euro.
Durch die Technologieumstellung können die CO2-Emissionen signifikant um voraussichtlich 30 Prozent gesenkt werden. Die resultierende Einsparung von 3 bis 4 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich entspricht immerhin fast fünf Prozent des österreichischen CO2-Ausstoßes.
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„Bis 2030 wird der Ökostrombedarf der Stahlindustrie auf mehr als 150 Terawattstunden ansteigen.“
Eurofer-Generaldirektor Axel Eggert
Eine Frage von Preis und Strominfrastruktur
„Wir haben mit greentec steel einen klaren Plan zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion entwickelt. Damit der Zeitplan hält, bedarf es jedoch entsprechender Rahmenbedingungen, also ausreichend erneuerbare Energie zu wirtschaftlich darstellbaren Preisen und leistungsfähige Netze“, mahnt voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner. Das Interesse am Produkt sei gegeben: „Derzeit bildet sich ein Markt für grünen Stahl.“
Bis die neuen Anlagen fertig sind, dauert es also noch einige Jahre. Erste Coils in der greentec-steel-Edition verließen jedoch bereits im Juni das Werk in Linz. Alle Flachstahlprodukte der voestalpine werden nämlich bereits heute mit reduziertem CO2-Fußabdruck angeboten. Dazu wird beispielsweise Koks zum Teil durch wasserstoffhaltige Reduktionsmittel ersetzt.
Der Strom dafür kommt keineswegs nur vom Netz bzw. von Photovoltaik-Anlagen. „Rund 70 Prozent der elektrischen Energie, die bei der Stahlherstellung in Linz gebraucht wird, erzeugen wir selbst durch die Nutzung von Gasen, die bei der Produktion entstehen“, erläutert Hubert Zajicek, Vorstandsmitglied der voestalpine und Leiter der Steel Division.
Zur Validierung der Klimaschutzmaßnahmen ist der Konzern kürzlich der Science Based Targets initiative (SBTi) beigetreten. Dabei handelt es sich um eine Partnerschaft von Climate Disclosure Project (CDP), UN Global Compact, World Resources Institute und WWF mit dem Ziel, einen wissenschaftsbasierten Nachweis für die Ausrichtung von Unternehmen an den Pariser Klimaschutzzeile zu erbringen.
Die Erreichung der im Weltklimaabkommen von Paris vereinbarten Ziele steht zunehmend im Fokus bei Kunden- und Lieferantenbeziehungen sowie bei Bewertungen des Kapitalmarkts. Neben direkten Treibhausgas-Emissionen aus der Produktion (Scope 1) setzt sich der Konzern auch Ziele zur Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes bei Energiebezug (Scope 2) sowie Rohstoffen und Transport (Scope 3).
Konkret ist bis 2029 eine Reduktion von Scope-1- und Scope-2-Emissionen um 30 Prozent sowie um 25 Prozent bei Scope-3-Emissionen geplant – jeweils gegenüber dem Referenzjahr 2019. „Die komplexe Betrachtung und Zielsetzung über die gesamte Prozesskette belegt unser Bekenntnis zu nachhaltiger Klimaneutralität“, unterstreicht Eibensteiner.
Wasserstoff als Game-Changer
Langfristig strebt die voestalpine eine klimaneutrale Stahlproduktion auf Basis grünen Wasserstoffs an, an entsprechenden Breakthrough-Technologien wird bereits intensiv geforscht. In einer Versuchsanlage in Donawitz, die im Vorjahr in Betrieb ging, wird die CO2-freie Herstellung von Rohstahl in einem Prozessschritt mit Hilfe von Wasserstoffplasma erprobt.
Im Rahmen des Projekts „Sustainable Steelmaking“ (SuSteel) erfolgt in einem speziellen Gleichstrom-Elektrolichtbogenofen zeitgleich die Reduktion von Eisenerz und der Schmelzprozess zu Rohstahl. Durch die Verwendung von Ökostrom und Wasserstoff als Reduktionsmittel, wobei lediglich Wasserdampf als Endprodukt entsteht, können CO2-Emissionen vollständig vermieden werden.
Als Projektpartner bei diesem Grundlagenforschungsprojekt fungieren neben der voestalpine das Metallurgische Kompetenzzentrum K1-MET und die Montanuniversität Leoben. An der Montanuni stand auch eine erste SuSteel-Laboranlage zur Erschmelzung von rund 100 Gramm Eisenerz. Die Donawitz-Pilotanlage ist mit einer Schmelzleistung von 90 Kilogramm wesentlich größer dimensioniert.
H2Future, die zum damaligen Zeitpunkt weltgrößte Anlage zur CO2-freien Herstellung von Wasserstoff, nahm bereits 2019 am voestalpine-Standort in Linz ihren Betrieb auf. Die Partner des Projekts nebst dem Stahlhersteller: Verbund, Siemens, Austrian Power Grid, K1-MET und TNO. Die Elektrolyse-Anlage verfügt über sechs Megawatt Anschlussleistung. Getestet werden soll unter anderem, ob die eingesetzte Technologie für eine großindustrielle Produktion geeignet ist.
Die elektrische Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen unterliegt starken Schwankungen. Je mehr Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen installiert werden, umso größer sind diese Schwankungen. Durch die Energiewende fallen große Mengen an Überschussstrom um. Die Wasserstoffherstellung mittels Elektrolyse ist eine Möglichkeit, überschüssige Energie speicher- bzw. nutzbar zu machen. Zugleich werden dadurch Schwankungen im Stromnetz ausgeglichen, um die Netzstabilität zu erhöhen.
Anlässlich der Präsentation des REPowerEU-Plans der Europäischen Kommission, die die vollständige Energieunabhängigkeit von Russland bis 2030 zum Ziel hat, wandte sich der Eurofer-Verband mit einem „Energie-Manifest“ an die Öffentlichkeit. „Ein rascher Zugang der Stahlindustrie zu grünem Wasserstoff wird den Wasserstoffmarkt in Europa pushen“, erklärte dazu Axel Eggert, der Generaldirektor des europäischen Stahlverbands. „Alternative Erdgasquellen abseits Russlands werden dennoch unverzichtbar bleiben, solange keine Wasserstoff-Infrastruktur zu leistbaren Kosten existiert.“
Nicht zuletzt aufgrund der energieintensiven Wasserstoffproduktion werde der Ökostrombedarf der Stahlindustrie bis 2030 auf mehr als 150 Terawattstunden ansteigen. „Die Hälfte davon, um Wasserstoff für die insgesamt 60 ,Low Carbon‘-Projekte innerhalb der EU betreiben zu können“, so Eggert. Ein Gesamtbedarf, der dem Doppelten des belgischen Energieverbrauchs entspricht.
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„Die größten CO2-Einsparungen wird der Technologiewechsel bringen – Direktreduktionsanlagen mit grünem Wasserstoff und Elektrolichtbogenöfen, die mit Ökostrom betrieben werden.“
Marc May, Senior Engineer bei ArcelorMittal
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„Klimaneutraler Stahl ermöglicht es Kunden, ihre Verpflichtung zu CO2-Reduktionen zu erfüllen.“
ArcelorMittal-CEO Aditya Mittal
Das erste Null-Emissionen-Stahlwerk
Auch bei den Dekarbonisierungsbestrebungen von ArcelorMittal spielt elektrischer Strom aus erneuerbaren Quellen eine zentrale Rolle. Um bis 2050 CO2-Neutralität zu erreichen, hat der weltgrößte Stahlproduzent ein Etappenziel für 2030 einer Verringerung der Emissionen um 25 Prozent weltweit definiert (Scope 1 und Scope 2). Ein Ziel, in das aus jetziger Sicht bis dahin 10 Milliarden Euro investiert werden.
In Europa soll der Kohlendioxid-Ausstoß bis dahin sogar um 35 Prozent sinken. Bis 2025 wird im spanischen Sestao das weltweit erste Null-Emissionen-Stahlwerk errichtet.
Im Rahmen seiner XCarb-Strategie setzt ArcelorMittal auf die Kombination aus Elektrolichtbogenofen und Eisenschwamm. Das im Prozess verwendete Erdgas soll nach und nach minimiert werden, für die Reduktion soll dafür in steigendem Maße grüner Wasserstoff zum Einsatz kommen.
„Bei der Produktion unseres ,XCarb-Recycelt und erneuerbar hergestellt‘-Stahls fallen 333 Kilogramm CO2 – ein kleiner Bruchteil der Emissionen von herkömmlich im Hochofen produziertem Stahl“, erzählt Marc May. May ist Senior Engineer der Abteilung Steligence im Konzern, in dieser Funktion berät er Architektur- und Ingenieurbüros sowie Stahlbauer und Bauherren.
Gerade im Bausektor testet ArcelorMittal zurzeit auch die Marktakzeptanz von Produkten mit dem Label „XCarb-Recycelt und erneuerbar hergestellt“. „Beim Flachstahl verkaufen wir Green-Steel-Zertifikate. Der Kunde kauft damit Zertifikate über CO2-Einsparungen, die der Konzern europaweit durch Verbesserungen in den Herstellungsprozessen erreicht hat.“ 2020 wurden die ersten zertifizierten Tonnen verkauft, 2021 erhöhte sich die Verfügbarkeit von Stahl mit dem genannten Label auf 120.000 Tonnen. Bis Ende 2022 sollen es rund 600.000 Tonnen werden.
Gerechnet werde damit, dass sich der Markt für grünen Stahl im Baubereich in den kommenden Jahren stark entwickelt – „vor allem, sobald die entsprechenden legislativen Rahmenbedingungen gegeben sind“, so May. Von letzterem Punkt hänge auch ab, wie schnell sich der Marktanteil von Low-Carbon-Produkten erhöht bzw. ob Auftraggeber und Planer kohlenstoffneutralen Stahl aktiven einfordern.
CO2-Reduktion und Recycling
Niedriger CO2-Fußabdruck und unbegrenzte Wiederverwertbarkeit – das ist die Formel, die ArcelorMittal-CEO Aditya Mittal ausgibt: „Klimaneutraler Stahl hat das Potenzial, in Zukunft das Rückgrat von Gebäuden zu bilden. Das wird es Kunden ermöglichen, ihre Verpflichtung zu CO2-Reduktionen zu erfüllen.“
Freilich war ArcelorMittal auch in der Vergangenheit nicht untätig: Bereits 2006 setzte man sich eine CO2-Reduktion bis 2020 von acht Prozent pro Tonne Stahl zum Ziel (Scope 1, 2 und 3). Ein Ziel, das mit einem Emissionsrückgang von 7,9 Prozent bis Ende 2020 nahezu erfüllt werden konnte. In absoluten Zahlen lag der CO2-Fußabdruck des Bereichs Stahl und Bergbau bei 160,3, jener des Bereichs Stahl bei 148,5 Millionen Tonnen. Vor allem letzterer Bereich entwickelte sich mit minus 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr besonders deutlich nach unten – freilich ist dies auch auf Covid-bedingte Produktionsrückgänge zurückzuführen.
Neben der XCarb-Strategie treibt der Stahlkonzern unter dem Schlagwort „Smart Carbon“ auch Projekte zur CO2-Abscheidung voran. Marc May: „Mit Hilfe der sogenannten Carbalyst-Technologie wird Kohlendioxid abgeschieden und durch Mikroben in Bioethanol umgewandelt.“ Letzteres wird zu Erzeugung von chemischen Vorprodukten oder von Treibstoffen verwendet. Bereits im kommenden Jahr wird eine Pilotanlage in Dünkirchen in Betrieb gehen, bei der mit Carbon-Capture-Technologien rund 500 Kilo Kohlendioxid pro Stunde aus Industrieabgasen gefiltert werden können.
Zwei Bausteine unter vielen, die die großen Stahlkonzerne zum Zukunftsgebäude einer Klimawende beitragen. Ohne einen umfassenden Transformationsprozess wird es jedenfalls nicht gehen. May: „Die größten CO2-Einsparungen wird der Technologiewechsel bringen – Direktreduktionsanlagen mit grünem Wasserstoff und Elektrolichtbogenöfen, die mit Ökostrom betrieben werden.“
Energie-Manifest
Aus Anlass der Präsentation des REPowerEU-Plans wandte sich der Eurofer-Verband mit einem „Energie-Manifest“ an die Öffentlichkeit. Die darin enthaltenen Forderungen haben die strategische Autonomie und wirtschaftliche Resilienz von Schlüsselsektoren wie der Stahlindustrie zum Ziel.
• bevorzugter Zugang zu Wasserstoff-Ressourcen und bestehenden Sromnetzen für Sektoren mit dem größten Potenzial einer CO2-Reduktion
• Erleichterung von Infrastrukturinvestitionen im Wasserstoff-Bereich
• rasche Genehmigung von Projekten zur Erzeugung von „Low Carbon“-Stahl
• keine administrativen Hürden für Projekte im Bereich erneuerbarer Energien und Wasserstoff