Regierungsprogramm und Immobilienbranche : Heiß umfehdet, wild umstritten - ziemlich

Dass die Mietpreisbremse im regulierten Wohnungsmarkt angezogen bleibt, sorgt für Kritik.
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Dass die Mietpreisbremse im regulierten Wohnungsmarkt angezogen bleibt, sorgt für Kritik.
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Als die innerhalb der Immobilienwirtschaft umstrittenste Maßnahme des Regierungsprogramms gilt der den regulierten Wohnungsmarkt betreffende Mietendeckel. Isabella Stickler, Obfrau der ARGE Eigenheim, begründet: „Mietpreisobergrenzen mögen kurzfristig als eine Lösung erscheinen, um Mieter zu entlasten, aber langfristig können sie zu einem Rückgang der Investitionen in den Neubau und die Instandhaltung und Sanierung von Wohnraum führen. Wenn Vermieter nicht die Möglichkeit haben, angemessene, im Sinne von kostendeckende, Renditen zu erzielen, könnte dies zu einem Mangel an verfügbaren Mietwohnungen und einer Verschlechterung der Wohnqualität führen.“
Ins selbe Horn stößt Wolfgang Amann. „Unverständlich ist mir der Mietenstopp für preisregulierte Wohnungen. Denn er begünstigt die Falschen, während freie Mieten munter weiter angehoben werden dürfen. Das Geld wird bei der dringend nötigen Dekarbonisierung fehlen“, sagt der IIBW-Geschäftsführer (siehe Interview).
Kampf gegen Teuerung
Dabei herrscht allgemeine Erleichterung, dass sich nach der Nationalratswahl am 29. September 2024 schließlich doch noch eine Koalition formierte und diese am 27. Februar 2025 ihr Regierungsprogramm präsentierte. Es trägt den Titel „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich.“, zählt 211 Seiten und soll bis 2029 die gesetzgebende Richtung vorgeben – selbstverständlich auch für die Immobilienbranche.
So beginnt auf der Seite 58 das Kapitel Inflationsbekämpfung & Wohnen mit: „Das Leben in Österreich muss für die Menschen leistbar sein (…) Die Bekämpfung der Teuerung mit wirksamen Instrumenten und klaren Maßnahmen bleibt eine politische Priorität der Bundesregierung. Neben dem Kampf gegen die Teuerung wird die österreichische Bundesregierung ebenso Vorkehrungen treffen, um in Krisenzeiten die Inflation in Österreich möglichst gering halten zu können. Leistbare und faire Preise u.a. bei Mieten sowie Eigentumserwerb, Lebensmitteln und Energie sind für die Menschen und Unternehmen in unserem Land von zentraler Bedeutung.“
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"Um Stabilität in den Wohnungsmarkt zu bringen, braucht es ein Bündel an Maßnahmen von Bau-Bodenpolitik, Rechtssicherheit und stabile Rahmenbedingungen statt einseitiger staatlicher Eingriffe.“
Isabella Stickler, Obfrau der ARGE Eigenheim
Beratendes Gremium
Den Hauptteil des Kapitels bildet das Thema leistbares Wohnen. Baukonjunktur, Sanierung & Dekarbonisierung, Bodenpolitik, Förderungen, Eigentumserwerb, Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG), leistbare Mieten lauten die Bereiche, in die sich die Maßnahmen hier gliedern. Bei den leistbaren Mieten wird der erwähnte Mietendeckel angeführt. Diesen musste der Nationalrat, damit er vor dem nächsten Termin der Wertsicherung der Richtwerte am 1. April 2025 greift, zügig beschließen. Geschehen am 7. März 2025.
Eine der ersten Branchenplayer, die sich nach der Präsentation des Regierungsprogramms zu Wort meldete, war die Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE). Als erfreulich wertet sie, dass durch die geplante Schaffung eines beratenden ehrenamtlichen Gremiums eine Allianz von Fachexperten entsteht. Begrüßt wird darüber hinaus die Novellierung des Bauträgervertragsgesetzes, die Vereinfachung und die Beschleunigung von Bauverfahren, der Vorrang von Flächenrecycling vor Neuwidmung sowie der Vorrang von Sanierung vor Neuerrichtung. Zudem, dass Förderungen im Bereich Wohnen auf allen Ebenen besser koordinieret und treffsicherer ausgestaltet werden sollen. Planbarkeit und Sicherheit seien laut VÖPE jedenfalls das Wichtigste für die Baubranche.
Zweckbindung der Wohnbaufördermittel
Auch Stickler gesteht dem neuen Regierungsprogramm gute Ansätze zu. „Maßnahmen, die wir grundsätzlich positiv bewerten, sind die Zweckbindung der Wohnbaufödermittel und Initiativen, die die Errichtung von leistbaren Wohnungen begünstigen, insbesondere durch die Unterstützung von geförderten Wohnbauprojekten und Förderungen für nachhaltiges Bauen. Wenn es gelingt, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen, der gleichzeitig nachhaltig und effizient ist, könnte dies dazu beitragen, das Angebot auf dem Markt zu erhöhen“, so die Obfrau der ARGE Eigenheim.
Grundsätzlich ist sie übrigens der Meinung, dass die undifferenzierte Aussage, dass Wohnen in Österreich nicht leistbar ist, nicht stimmt. Vor der Umsetzung von weiteren Maßnahmen wäre eine differenzierte Betrachtung dieses Themas mehr als ratsam. Stickler: „Die gefühlte Wohnkostenbelastung und die tatsächliche gehen stark auseinander. Um Stabilität in den Wohnungsmarkt zu bringen, braucht es ein Bündel an Maßnahmen von Bau- und Bodenpolitik, Rechtssicherheit und stabile Rahmenbedingungen statt einseitiger staatlicher Eingriffe.“
Geduldiges Papier
Resümierend lässt sich festhalten, dass „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich.“ eine Vielzahl den Immobilienbereich betreffende Neuerungen vorsieht. Die Maßnahmen zielen darauf ab, den Markt weiter zu regulieren, die Dekarbonisierung voranzutreiben sowie Steuerlücken zu schließen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Umsetzung im Detail gestaltet. Denn (Regierungsprogramm-)Papier ist geduldig.
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"Positiv überraschte mich die Fülle an Vorhaben. Einige konkrete Vorhaben haben es mir besonders angetan."
Wolfgang Amann ist Geschäftsführer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW)
„Positiv ist die Fülle an Vorhaben“
Nicht positiv am Regierungsprogramm ist laut Wolfgang Amann, Geschäftsführer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW), hingegen der Mietenstopp für preisregulierte Wohnungen.
SOLID: Das Regierungsprogramm liegt vor. Was überraschte Sie beim erstmaligen Lesen in Bezug auf Wohnen, Bauen, Dekarbonisierung, Bodenverbrauch am meisten? Im Positiven wie im Negativen.
Wolfgang Amann: Positiv überraschte mich die Fülle an Vorhaben. Einige konkrete Vorhaben haben es mir besonders angetan: Das Beibehalten des 2,5-Hektar-Ziels bei der Bodenversiegelung, das Bekenntnis zur Weiterführung von Bundesförderungen für die Wohnhaussanierung, die bessere Inanspruchnahme ausfinanzierter gemeinnütziger Wohnungen für bedürftige Haushalte und die Weiterentwicklung des AWS zu einer Förderbank für leistbares Wohnen.
Unverständlich ist mir der Mietenstopp für preisregulierte Wohnungen. Denn er begünstigt die Falschen, während freie Mieten munter weiter angehoben werden dürfen. Das Geld wird bei der dringend nötigen Dekarbonisierung fehlen. Die Folge sind mehr Förderungen in diesem Bereich. Der Mietenstopp wird also der Staat und somit wir alle zahlen.
Kritisch anzumerken ist das Fehlen von ein paar dringenden Vorhaben, allen voran die Grundsteuer, der Einbezug des Gebäudesektors in das Emissionshandelssystem und die Reaktion auf die neuen Kreditbelehnungsregeln mit „Basel IV“.
Die Sanierungsquote von Bestandsimmobilien hierzulande ist traditionell niedrig. Wird sich das nun ändern?
Amann: Die Datenbasis für internationale Vergleiche ist schwach. Soweit ich es sehe, stehen wir in Österreich nicht so schlecht da – freilich mit viel Luft nach oben. Als Berufsoptimist sehe ich gute Chancen, bisher erfolgreiche Strategien weiter zu auszubauen.
Auch bei der Eindämmung des Bodenverbrauchs herrscht hierzulande Stillstand. Wie könnte es diesbezüglich in dieser Legislaturperiode weitergehen?
Amann: Einerseits beinhaltet das Regierungsprogramm wie schon erwähnt erfreulicherweise das 2,5-Hektar-Ziel bei der Bodenversiegelung. Andererseits fehlen Vorhaben zu einer Reform der Grundsteuer. Vielversprechend wäre eine progressive Steuer auf gewidmetes, aber unbebautes Bauland.
Wie steht es um die Lichtung des Förderdschungels?
Amann: Viele unserer Förderungen sind sehr wirksam. Aber ja, es gab in der Kumulation von Bundes- und Länderförderungen Wirrnis und auch Überförderungen. Damit aber nicht genug: neben der Abstimmung zwischen unterschiedlichen Förderungen wird es nötig sein, diese mit wohnrechtlichen Reformen abzustimmen. Wenn wohnrechtlich mehr durchsetzbar ist, braucht es weniger Förderungen.
Unterm Strich die Frage aller Fragen: Wird Wohnen in Österreich (wieder) leistbarer werden?
Amann: Bei dieser Gretchenfrage muss auf die Daten verwiesen werden: Österreich liegt bei der Wohnkostenbelastung der Haushalte unter dem EU-Durchschnitt und weit unter den Werten von Deutschland und der Schweiz. Nicht ganz so gut liegen wir bei den armutsbetroffenen Haushalten. Der Mietenstopp der Bundesregierung bei den ohnehin billigsten Mietwohnungen ist jedenfalls der falsche Weg.