Baurecht : Garantie versus Gewährleistung
Gewährleistung und Garantie – ist das dasselbe?
Gewährleistungsthemen spielen praktisch in jedem Bauvertrag, aber auch in Werklieferverträgen und reinen Kaufverträgen eine wesentliche Rolle. In der Praxis finden sich in Vertragsdokumenten häufig auch allerlei Garantien. Umgangssprachlich werden die Begriffe Gewährleistung und Garantie überhaupt oft synonym verwendet. In diesem Beitrag sollen die Unterschiede dieser beiden rechtlichen Begrifflichkeiten prägnant aufgezeigt und häufige Missverständnisse ausgeräumt werden. Darüber hinaus soll ein Überblick darüber gegeben werden, in welchen Ausprägungen diesbezügliche vertragliche Bestimmungen auftreten und wie damit in der Praxis umzugehen ist.
Grundsätzlich bestehen auf den ersten Blick durchaus nicht unwesentliche Ähnlichkeiten zwischen der (gesetzlichen) Gewährleistung und einer Garantie: Beide stellen dem Anspruchsberechtigten, also dem Auftraggeber, dem Besteller oder dem Käufer, Möglichkeiten zur Verfügung, eine mängelfreie Herstellung oder Lieferung durchzusetzen oder Ersatz dafür zu erlangen. Mit dem Wort "mängelfrei" zeichnet sich bereits eine weitere Parallele zwischen den beiden Rechtsinstituten ab: Beide knüpfen an eine mangelhafte Leistung an, wobei ein Mangel hierbei weit auszulegen ist. Ein Mangel liegt vor, wenn das tatsächlich Geleistete vom vertraglich Geschuldeten (zum Nachteil) des Auftraggebers/Bestellers/Käufers abweicht.
Gesetzliches Recht und Vertragsrecht
Damit sind aber bereits die beiden wesentlichen Gemeinsamkeiten dargestellt. Bedeutsamer ist die Bedachtnahme auf den maßgeblichen Unterschied der beiden Anspruchsgrundlagen.
Bei der Gewährleistung handelt es sich um ein gesetzliches Recht, während die Garantie (bis auf wenige Ausnahmefälle) ausdrücklich vertraglich vereinbart werden muss.Daran knüpft ein weiteres relevantes Unterscheidungsmerkmal an: Die Rechte aus Gewährleistung (geregelt in den §§ 932ff ABGB) sind gesetzlich vordefiniert. Der Gewährleistungsberechtigte kann bei Geltendmachung eines Mangels primär zwischen Verbesserung und Austausch wählen (sogenannte primäre Gewährleistungsbehelfe). Wenn dies unmöglich oder untunlich ist oder der Übergeber die Behebung / den Austausch verweigert, kann der Übernehmer entweder Preisminderung verlangen oder bei nicht geringfügigen Mängeln die Rückabwicklung des Vertrags fordern (sogenannte sekundäre Gewährleistungsbehelfe). Bei beweglichen Sachen sieht das Gesetz eine zwei-, bei unbeweglichen Sachen eine dreijährige Frist zur Geltendmachung vor.
Derartige gesetzliche Vorgaben existieren bei der Garantie nicht. Sie ist vertraglich zu vereinbaren und auch auszugestalten, weshalb die wohl überwiegende Anzahl an Verträgen ohne Garantiezusagen abgeschlossen wird. Der (gänzliche) Ausschluss der gesetzlichen Gewährleistung ist gegenüber Konsumenten de facto nicht möglich, aber auch zwischen Unternehmern ist ein gänzlicher Ausschluss bei fabrikneuen Waren in der Regel sittenwidrig und damit unwirksam. Die gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen gelangen daher fast in jedem Vertragsverhältnis – wenn auch zum Teil modifiziert – zur Anwendung.Nicht möglich ist es außerdem, durch eine gleichzeitig abgegebene Garantie die gesetzliche Gewährleistung in unzulässiger Weise zu beschränken – insofern kann die Gewährleistung nicht einfach durch eine vertragliche Garantie "ersetzt" werden.
Wie sieht dann so eine Garantie aus?
Aufgrund der Tatsache, dass eine Garantie gesetzlich nicht definiert ist, gibt es freilich die unterschiedlichsten Ausgestaltungsformen, die hinsichtlich des Wortlautes nahezu endlos erscheinen. Spannend und in diesem Zusammenhang auch die häufigste Streitfrage bei Garantien ist, ob die Garantie dem Berechtigten eine direkte Anspruchsgrundlage bietet, oder in Wirklichkeit "nur" die gesetzliche Gewährleistung modifiziert oder erweitert. In zweiterem Fall spricht man von einer sogenannten bloßen "Garantiezusage" oder einer "unechten" Garantie.
Geregelt werden mit solchen Garantiezusagen in der Praxis sehr häufig verlängerte Gewährleistungsfristen oder modifizierte Anforderungen an die Geltendmachung – etwa, dass das Bestehen eines Mangels schon bei Übergabe nicht nachgewiesen werden muss, was bei der gesetzlichen Gewährleistung schon der Fall ist. Relevant für die Unterscheidung zur echten Garantie ist daher, ob der zugesagte Erfolg über die bloß vertragsgemäße Verpflichtung hinausgeht. Bei der Beurteilung dieser Frage ist auch zu berücksichtigen, welche gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften die Vertragsleistung mit sich bringt. Wird etwa die Witterungsbeständigkeit einer Fassade für fünf Jahre garantiert, ist in der Regel davon auszugehen, dass nur die Frist zur Geltendmachung von Mängeln auf fünf Jahre verlängert wurde, da es sich bei der Witterungsbeständigkeit um eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft einer Fassade handelt. Dadurch werden aber lediglich gesetzliche Gewährleistungsfristen modifiziert und es liegt daher eine bloße Garantiezusage vor.
Anders sieht es aus, wenn ein Dritter, der nicht Vertragspartei ist, einen bestimmten Erfolg garantiert. In diesem Fall liegt selbst dann eine echte Garantie vor, wenn der garantierte Erfolg nicht über die vertragsgemäße Leistung hinausgeht. Was auf den ersten Blick sehr abstrakt wirkt, ist praktisch ganz relevant: So stellen etwa Herstellergarantien in der Regel echte Garantien dar.
Ist kein Dritter im Spiel, kommt es bei einer Garantievereinbarung zwischen den Vertragspartnern darauf an, ob einer eben vertraglich eine Haftung übernimmt, die in ihrem Wesen über die gesetzlichen Gewährleistungspflichten oder Schadenersatzpflichten hinausgeht. Garantiert etwa der Werkunternehmer die Dichtheit des Daches für 10 Jahre und das Einstehen für jegliche Nachteile eines Mangels, geht dies in der Regel über das Wesen der gesetzlichen Ansprüche hinaus. Schadenersatzansprüche würden nämlich ein Verschulden des Werkunternehmers voraussetzen, während diese echte Garantie eine verschuldensunabhängige Haftung für sämtliche Nachteile begründet.
Komplexe Unterscheidungen – aber was bringt eine solche Garantie überhaupt
Klar ist, dass die unzähligen Ausprägungen von Garantieerklärungen natürlich ebenso viele Rechtsfolgen im Einzelfall mit sich bringen können. Bei unechten Garantien liegen die Folgen möglicherweise augenscheinlicher auf der Hand: Gewährleistungsfristen werden verlängert, das Vorliegen eines Mangels bereits bei Übergabe wird länger vermutet oder Gewährleistungsbehelfe wie Austausch und Verbesserung werden modifiziert.
Für den Übernehmer interessanter ist eine echte Garantie. Diese hängt nicht mit der Gewährleistung zusammen, sondern bildet vielmehr eine eigene Anspruchsgrundlage. Derartige Garantieansprüche können auch nicht durch eine unterlassene Mängelrüge verfristen.
Echte Garantie am Beispiel der Bankgarantie
Vor allem am Bau spielen Bankgarantien regelmäßig eine bedeutende Rolle. Dies vor allem deshalb, da sie Bargeldfunktion erfüllen und dadurch etwa Haftrücklässe abgelöst werden können. Diese Bargeldfunktion beschreibt die Funktionsweise einer echten Garantie sehr gut:
Die Bank (also ein Dritter) garantiert die Auszahlung eines vorab definierten Betrags an den Begünstigen, bei der Haftrücklassgarantie etwa den Auftraggeber oder den Bauherrn.
Bei der Haftrücklassgarantie ist dies zumeist die Behauptung von Mängeln innerhalb der Gewährleistungsfrist. Der Garantiebegünstigte muss lediglich behaupten, dass Mängel vorliegen und schon dadurch realisiert sich die Zahlungsverpflichtung der Bank (diese hat freilich einen Rückzahlungsanspruch gegen den Garantieauftraggeber, also den Auftragnehmer). Was die Bank gegen ihre Zahlungsverpflichtung nicht einwenden kann ist, dass tatsächlich gar kein Mangel vorliege, also Einwände aus dem "Grundverhältnis". Dieser Umstand wird als Abstraktheit einer echten Garantie bezeichnet. Dadurch wird klar, dass für Einwände wie Verfristung, unterlassene Mängelrüge etc. bei einer echten Garantie kein Anwendungsraum bleibt.
Da diese Handhabung natürlich ein erhebliches Risiko in sich birgt, wird versucht, dies durch die formelle Garantiestrenge (wie sie bei Bankgarantien vorgesehen ist) abzufedern. Der Abruf der Garantie durch den Begünstigten muss nämlich exakt den in der Garantieerklärung vorgesehenen Voraussetzungen entsprechen. Wenn definiert ist, dass eine schriftliche Beschreibung samt Bilddokumentation des Mangels vorgelegt werden muss, so ist die Bank nur dann zur Auszahlung verpflichtet, wenn diese Unterlagen auch tatsächlich gemeinsam mit dem Abruf vorgelegt werden.
Praxistipps
* Bei Vertragsgestaltung und -prüfung auf die wesentlichen Unterschiede zwischen Garantie und Gewährleistung achten.
* Genaue Prüfung des Wortlautes einer Garantie – Achtung: auch eine Formulierung ohne das Wort "garantiert" kann eine (echte) Garantie und damit eine eigene Anspruchsgrundlage darstellen.
* Auch bei unechter Garantie ist rechtzeitig eine Mängelrüge zu erheben.
* Zu beachten ist, dass eine echte (Bank-)Garantie abstrakt wirkt.
* Bei Abruf einer Bankgarantie auf pedantische Erfüllung der Garantievoraussetzungen, insbesondere darauf, wann der Garantiefall eintritt, achten.