Hochhausbau | Report : Fassadenkonstruktion auf höchstem Niveau

Die Skyline von Wien wächst weiter in die Höhe: Mit dem Bauvorhaben Vienna Twentytwo, genauer gesagt dem höchsten Turm des Ensembles, entsteht im 22. Bezirk eines der höchsten Gebäude Österreichs. Das rund 155 Meter hohe Gebäude kombiniert moderne Büroflächen mit hochwertigem Wohnraum und steht für urbane Verdichtung und smarte Mehrfachnutzung.
Besonders bemerkenswert ist die hochkomplexe Fassadenkonstruktion, bei der die Thomas Lorenz ZT GmbH mit der Fassadenstatik und der Detailstatik für einige Stahlkonstruktionen betraut war. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Einblick in die planerischen, statischen und logistischen Herausforderungen, welche dieses Projekt zu einem Paradebeispiel für innovative Fassadentechnik machen.
Ein Projekt mit beeindruckenden Kennzahlen
Vienna Twentytwo, eine Entwicklung der ARE Austrian Real Estate (ARE), ist ein Ensemble aus insgesamt sechs Gebäuden nach den Plänen von Delugan Meissl Associated Architects. Während die erste Bauphase bereits fertiggestellt ist, befinden sich zwei Gebäude noch in Bau. Darunter der höchste Turm des Projektes: Mit einer Nutzfläche von insgesamt rd. 38.500 Quadratmetern und einer Höhe von 155 Metern bietet er Raum für moderne Büros (Tower Offices), Mietwohnungen und Infrastrukturflächen.
Die von Thomas Lorenz bearbeitete Hüllenfläche beläuft sich auf insgesamt etwa 7.250 m² Elementfassade, ergänzt durch 2.200 m² Pfosten-Riegel-Fassaden im Sockelbereich, 21.500 m² Lisenenfassade sowie 5.000 m² Glasgeländer in den Wohngeschoßen.
Der Baustart für den Turm erfolgte Ende 2022, die Fertigstellung ist für Ende 2025 geplant. Der aktuelle Baufortschritt zeigt eine zügige Montage der Fassadenelemente, die unter anderem durch den hohen Vorfertigungsgrad ermöglicht wird. Mit den Baumeisterarbeiten ist die ARGE V22 Habau – Dywidag beauftragt, geplant und errichtet werden vorgenannte Fassadenbereiche von der Strabag AG Hoch- und Tiefbau, UB 3C, Direktion AO Metallica. Die Rolle des Generalplaner hat die ARGE GP – NZK / DMAA & V+P bestehend aus Vasko+Partner Ingenieur ZT GmbH und Delugan Meissl Associated Architects über.

Fassadentechnik im Detail: zweischalige Elementfassade mit hoher Funktionalität
Die Hauptfassade des gemischt genutzten Turms folgt einem durchgängigen Konzept, nämlich einer zweischaligen Elementfassade mit Profilen von Alukönigstahl/Schüco. Die außenliegende Schale wird von vorgesetzten Aluminium-Lisenen gegliedert, die nicht nur zur architektonischen Gestaltung beitragen, sondern auch funktionale Aufgaben erfüllen.
Sie bilden die Grundlage für Wartungsstege oder Balkone, die sich zwischen Gebäudehülle und den Lisenen erstrecken. Dieses System kommt von Ebene 02 bis Ebene 15 zum Einsatz. In den beiden ersten Sockelgeschossen wird die Fassade als klassische Pfosten-Riegel-Konstruktion ausgeführt. Auf Ebene 17, in der sich ein Kleinkinderspielplatz befindet, wurde am Balkon ein zwei Meter hohes Nurglasgeländer verbaut, das als Windschutz- und Absturzsicherung fungiert.
Besondere Aufmerksamkeit galt auch den zweigeschossigen Lisenen in den Ebenen 16 und 17, die dazwischenliegende Glasgeländer tragen. In den Wohngeschossen (Ebenen 18 bis 43) besteht die Fassadenkonstruktion aus klassischen Lochfenstern und einem vorgesetzten Glasgeländer inklusive durchgehende Lisenen.
Statisch-konstruktive Herausforderungen in luftiger Höhe
Die Fassadenstatik dieses Projekts stellte die Planer vor erhebliche Herausforderungen. Eine besondere Schwierigkeit ergab sich aus der geringen Konstruktionshöhe im Bereich der Geschossdecken. Diese ließ nur begrenzten Raum für tragende Profile, was die Ableitung der Eigenlasten, der Nutzlasten aus den Wartungsstegen sowie der hohen Windkräfte erschwerte. Letztere erreichen Spitzenwerte von über 400 kg/m².
Um die Konstruktion dennoch dauerhaft standsicher und verformungsarm zu gestalten, wurden die Lisenen biegesteif in die Fassadentragkonstruktion integriert. Die Lastabtragung aus der vorgesetzten Schale erfolgt über Aluminium-Vollblöcke, die neben den Fassadenpfosten untergebracht sind.
Zur Sicherstellung der Tragfähigkeit und zur Kontrolle des Verformungsverhaltens wurden von der Metallica Stahl- und Fassadentechnik GmbH zusätzlich Bauteilversuche an 1:1-Modellen durchgeführt – ein klarer Beleg für den hohen Anspruch an Qualitätssicherung.
Ein weiteres Highlight in der Konstruktion sind die Lamellenvordächer in rund 70 Meter Höhe, die mit einer enormen Auskragung von bis zu 8,5 Metern geplant wurden. Diese filigranen, aber hochbelasteten verkleideten Stahlfachwerke mussten über massive Einbauteile direkt an den Massivbau angekoppelt werden.
Gekrönt wird die Konstruktion von einer großflächigen Stahl-Pergola über der Dachterrasse in etwa 155 Metern Höhe – ein spektakuläres Element, das sowohl als architektonisches Statement als auch als funktionaler Sonnenschutz dient.

Vorfertigung und Logistik als Erfolgsfaktoren
Ein Schlüsselelement für den reibungslosen Bauablauf war der hohe Vorfertigungsgrad der Fassadenelemente. Diese wurden inklusive aller Lisenen, Stege und Glasfelder vorproduziert, auf speziell angefertigten Transportgestellen zur Baustelle geliefert und innerhalb kürzester Zeit montiert. Pro Tag konnten – mit einem Montageteam von lediglich sechs Personen – zwölf Elemente eingebaut werden. Die Montagezeit pro Element betrug dabei gerade einmal zwölf Minuten.
Dieser hohe Automatisierungs- und Vorfertigungsgrad gewährleistete nicht nur eine hervorragende Ausführungsqualität, sondern auch eine exakte Einhaltung der Bauzeit. Besonders die frühzeitige Herstellung der Gebäudedichtheit und der Absturzsicherung war ein wesentlicher Vorteil dieser Bauweise.
Stolz auf „eine außergewöhnliche Leistung“
„Wir sind stolz, mit unserer Expertise im Bereich Fassadenstatik und Stahlbau einen wesentlichen Beitrag zur Realisierung dieses außergewöhnlichen Hochhausprojekts geleistet zu haben. Der höchste Turm von Vienna Twentytwo zeigt eindrucksvoll, wie moderne Fassadentechnik innovative Architektur ermöglicht und dabei höchste technische Anforderungen erfüllt. Projekte dieser Art sind nicht nur ein Aushängeschild für die Leistungsfähigkeit des österreichischen Fassadenbaus, sondern auch ein inspirierendes Beispiel für die gelungene Symbiose von Gestaltung, Funktion und Statik“, so Thomas Lorenz, Geschäftsführer der Thomas Lorenz ZT GmbH.