Digitalisierung I Nachhaltigkeit : Digitale Kooperationen helfen bei Durchblick in der Flut

Digitalisierung Flut Übersicht

Gemeinsam mit der Zukunftsagentur Bau (Bundesinnung Baugewerbe) und dem Betreiber des Industriedatenpools, Bmstr. Handle (inndata), initiiert ecoplus von Niederösterreichs Wirtschaftsagentur GmbH ein Kooperationsprojekt zur Unterstützung der Baubranche bei der Digitalisierung der Nachhaltigkeits-Berichtserstattung.

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Unterstützung der Baubranche

Die Herausforderungen verschiedener Berichterstattungs- und Nachweispflichten sowie Wohnbauförderungs- und Bauvorschriften können nur durch digitale Kooperation der projektbeteiligten Unternehmen effizient bewältigt werden. Gemeinsam mit der Zukunftsagentur Bau (Bundesinnung Baugewerbe) und dem Betreiber des Industriedatenpools, Bmstr. Handle (inndata), initiiert ecoplus von Niederösterreichs Wirtschaftsagentur GmbH ein Kooperationsprojekt zur Unterstützung der Baubranche bei der Digitalisierung der Nachhaltigkeits-Berichtserstattung.

Erfreuliche Meldungen wie die kürzliche Bekanntgabe einer erneuten signifikanten Reduktion des CO2-Ausstoßes in Österreich um knapp 7 % im Vorjahr zeigen, dass die Nachhaltigkeitsbemühungen der österreichischen und europäischen Behörden langsam Früchte tragen.

Unternehmen und Bauherrschaften stöhnen jedoch zunehmend unter der Flut an Zertifizierungen und Nachweispflichten, welche für Baugenehmigungen, Finanzierungen und Nachhaltigkeitsberichterstattungen erforderlich sind.

Trotz der Vielfalt verschiedener angewandter und geforderter Berechnungsmethoden sind die grundlegenden Datenanforderungen stets dieselben. Es müssen die Mengen verschiedener Materialien mit den jeweiligen Umwelteinflussparametern verknüpft und über das gesamte Gebäude oder Bauprojekt aufsummiert werden.

Berechnungsmethoden der Programme

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Berechnungsmethoden

Es werden derzeit einige verschiedene Berechnungs- und Bewertungsmethoden für unterschiedliche Anwendungen verwendet. Beispielsweise verlangen die Wohnbauförderungsstellen in Österreich vielfach eine Gebäudebilanz nach OI3-Systematik, während Gebäudebilanzen in Deutschland nach DGNB berechnet werden. Von letzterer abgeleitet ist die österreichische ÖGNI-Zertifizierung, welche sich wiederum von der klimaaktiv-Deklaration unterscheidet.

Standardisiert über die EN ISO 14040 und 14044 werden Ökobilanzen als sogenanntes „Life Cycle Assessement“, kurz LCA, berechnet. Hierbei werden die Umweltauswirkungen basierend auf Stoff- und Energieströmen beurteilt. Ziel ist vor allem, Vergleichbarkeit herzustellen.

Neben der Sachbilanz aus Stoff- und Energieströmen kommen hier auch die Umwelteinflüsse der jeweiligen Materialien in der Wirkungsabschätzung zum Tragen. Dies wird dann nach definierten Bilanzgrenzen (z.B. nur für die Gebäudehülle,oder inklusive Tragwerk oder sogar über das gesamte Haustechnik-System) und entsprechendem Phasenbezug ausgewertet.

  • „Die Bundesinnung Bau unterstützt das Baugewerbe beim Thema ökologische Nachweisführung und erarbeitet mit diesem Projekt Lösungswege, um im praktischen Alltag nicht im „PDF-Nachweis-Chaos“ zu versinken. Gemeinsam mit den Baustoffherstellern und den Baustoffhändlern arbeiten wir unter Federführung der von uns geründeten Zukunftsagentur Bau daran, eine durchgängige Datenbasis der ökologischen Kennwerte aufzubauen, um diese dann möglichst einfach nachweisen zu können.“

    Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister Baugewerbe

Softwareunterstützung

Die genannten Berechnungen sind zwar nicht außerordentlich kompliziert, aber ausgesprochen umfangreich – deshalb stehen eine Vielzahl geeigneter Programme für die Durchführung zur Verfügung. Teilweise werden diese, wie das deutsche „eLCA“, auch von der öffentlichen Hand finanziert und kostenfrei bereitgestellt.

Die Programme sind auf umfangreiche Berechnungsdaten angewiesen, gegliedert nach Materialmengen und Bewertungsinformationen.

Datenquellen für Umwelteinflussfaktoren

Derzeit ist die wichtigste Datenquelle für die Bewertung der Umwelteinflussfaktoren von Baumaterialien die sogenannte „Environmental Product Declaration“ – kurz EPD. Die Erstellung dieser EPD wird in der europäischen Norm EN 15804-A2 geregelt.

Warum „derzeit“? Die in Kürze in Kraft tretende Neufassung der europäischen Bauproduktenverordnung verweist auf die bereits seit Frühjahr 2024 gültige neue Europäische Ökodesignverordnung, welche als zentrales Datenbereitstellungsinstrument für alle Nachhaltigkeits-, Reparatur- und Kreislaufinformationen von fast allen Produktsektoren den „digitalen Produktpass“ voraussetzt. Im Bauwesen ab 2028.

Tatsächlich macht dies aber keinen großen Unterschied, die Daten nach EN 15804 werden dann zwar quasi neu verpackt, sind aber dieselben. Da der DPP ab Anfang 2026 als europäischer Standard definiert sein wird, ist davon auszugehen, dass die Softwaresysteme mit dieser Änderung zeitgerecht umgehen können.

EPD-Daten liegen nur teilweise unmittelbar produktbezogen mit entsprechenden Zertifizierungen vor. Deshalb kann bei Bedarf auch mit generischen EPD-Daten gerechnet werden. Diese entsprechen den branchen- oder produktgruppenspezifisch ungünstigsten realistischerweise zu erwartenden Bewertungen.

Strukturierte Daten von Umwelteinflussfaktoren

EPD sind üblicherweise als PDF-Dateien publiziert. Leider lassen sich die wenigsten Softwaresysteme mit unstrukturierten Informationen aus PDF- Files befüllen.

Deshalb kooperieren verschiedene Organisationen wie BAUBOOK, der INDUSTRIEDATENPOOL und die international agierende ECOPLATFORM erfolgreich mit dem Ziel, die notwendigen Daten artikelbezogen und maschinenlesbar bereit zu stellen.

Damit können diese Bewertungsdaten unmittelbar und ohne weiteren händischen Eingriff in den Softwaresystemen verwendet werden.

  • „Eine digitale Prozessgestaltung auf Basis vorhandener Daten ist eine Chance für KMU, die erforderlichen Nachweispflichten umzusetzen. Das gemeinsame Vorgehen in kooperativen Innovationsprojekten ermöglicht den Betrieben ein ressourceneffizientes Umsetzen und Lernen voneinander. Innovationen zu den Unternehmen zu bringen und solche pilothaften Vorhaben auf- und umzusetzen – dafür stehen die Cluster der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur ecoplus.“

    Martin Huber, Projektmanager im ecoplus Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich

Datenquellen für Materialmengen

Der hohe Arbeitsaufwand für die Massenermittlung von Gebäuden ist vielen Bauprofis aus den AVA-Prozessen bekannt. Bei Nachhaltigkeitsberechnungen kommt erschwerend hinzu, dass hier nicht nur bauteilbezogen, sondern tatsächlich materialbezogen gearbeitet werden muss.

Realistischerweise lassen sich die konkreten Materialmengen des fertigen Gebäudes deshalb nur aus zwei Quellen effizient ermitteln. Einerseits kommt dafür ein dreidimensionales objektorientiertes Gebäudemodell in Frage („BIM“) – soferne es in allen Projektänderungen vollständig angepasst wurde („as built“) und von der Modellqualität ausreichend für die detaillierte Auswertung ist.

Die tatsächlich zuverlässigere Quelle für konkrete Materialmengen ist jedoch die Beschaffung. Vollständige digitale Lieferscheine beinhalten die tatsächlich angelieferten Materialien auf Artikelebene. Kombiniert mit den ebenfalls digital abgewickelten Rücklieferungen können hiermit die exakten tatsächlich verwendeten Materialmengen auf Artikelebene errechnet und für die Nachhaltigkeitsberechnungen mit den Umwelteinflussfaktoren verknüpft werden.

Damit wird eine zeitsparende und genaue Durchführung der Nachhaltigkeitsnachweise möglich!

Kooperative Umsetzung

Gemeinsam mit dem Industriedatenpool der Baustoffwirtschaft hat die Zukunftsagentur Bau mit Sitz in Salzburg und Linz im Vorjahr ein Projekt ins Leben gerufen, welches genau die vorgenannten Prozessinnovationen für die Integration der nötigen Daten der Baustoffe und ihrer Umwelteinflussfaktoren mit den Materialmengen aus den digitalen Lieferscheinen in den Softwaresystemen der Ausführenden zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsberechnungen zum Ziel hat.

Die notwendigen Vorarbeiten sowie der Aufbau konkreter Projektkooperationen sind inzwischen weit fortgeschritten. Die technische Basis ist definiert und mit einigen der wichtigsten Marktteilnehmenden abgestimmt worden. Eine – weiterwachsende – Vielzahl von Bauprodukten steht inzwischen als digitaler, maschinenlesbarer EPD-Datensatz zur Verfügung. Und durch die umfangreiche Mitarbeit in der europäischen JTC 24 ist auch der Bezug zum künftigen digitalen Produktpass vorbereitet.

Anwendungsüberleitung in einem Kooperationsprojekt

Als nächsten Schritt organisiert der ecoplus. Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich gemeinsam mit inndata und der Zukunftsagentur Bau für Pilotpartner aus den Bereichen Baustoffindustrie, Baustoffhandel und Baugewerbe ein Kooperationsprojekt für die erste praktische Umsetzung. Durch gemeinsame Qualifizierung und Implementierung dieser Prozessinnovation erhalten alle beteiligten Unternehmen rasch und effizient eine zukunftssichere Anwendungsumgebung für die bauprojektbezogene digitale Nachweisführung der Umweltauswirkungen der eingesetzten Baustoffe. Geplant ist für dieses Pilotprojekt eine Förderung aus dem NÖ Wirtschafts- und Tourismusfonds für die Beteiligten zu erwirken.

Webinar Ökologische Nachweispflichten fürs Baugewerbe verstehen und erfüllen

Wie die digitale Nachweisführung funktioniert und welchen Nutzen die Teilnahme am Kooperationsprojekt für Unternehmen der Baubranche bringt, wird in einem kostenfreien Webinar am 6. November 2024 von 14:00 bis 16:00 von ecoplus . Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich, inndata und der Zukunftsagentur Bau präsentiert.

>> Details zum Webinar und zur Anmeldung gibt es hier.