Reportage Niederösterreich : Der Wein-Bau
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Die wahre Dimension des Weinguts Gruber in Röschitz nahe Eggenburg erschließt sich vor allem aus der Luft. Da sieht man, wie groß der Bau ist und wie stark er zur unmittelbar angrenzenden Kellergasse und den übrigen Häusern des Dorfes in Kontrast steht. Ist man aber auf Augenhöhe mit dem Bau oder sitzt drinnen in den Verkostungs- und Verkaufsräumlichkeiten, macht sich Harmonie breit. „Besondersstolz sind wir auf Details“, sagt etwa Ewald Gruber, eines von drei Geschwistern(dazu kommen Bruder Christian Gruber und Schwester Maria Wegscheider), die das international renommierte Bio-Weingut von den Eltern übernommen haben und es jetzt in eine neue Zeit führen.
Eines der angesprochenen Details: das ohne obere Führung aus aneinander gereihten Rundbögen geformte und so bewusst keinen durchgehenden Abschluss bildende Geländer der Terrasse, von der aus man auf den Weinberg blickt – die vertikal geführten Elemente lassen dazwischen Platz und gleichen sich so optischden Weinstöcken an.
Der Bedarf, den bestehenden Weinkeller zeitgemäßen Standards zuzuführen, war schon länger gegeben gewesen, sagt Gruber. Und eigentlich hat das Projekt schon 2016 gestartet. Acht Jahre, das ist schon bald der Bauzeitraum für ein größeresInfrastrukturprojekt, staunen wir und notieren uns die Frage für ein späteresGespräch mit Patrick Herold, dem Verantwortlichen von Architects Collective.„2016 war der Erstkontakt mit dem Bau-herrn“, sagt dieser. Anfänglich wäre es in den Gesprächen zwischen den Grubers und den Architekten (die mit an die 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den größeren Büros in Österreich zählen) um andere Grundstücke des Weinguts gegangen. „Den richtigen Anruf, jetzt mit der Planungs- und Bauphase zu beginnen, haben wir 2021 bekommen“, sagt Herold.
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Patrick Herold von Architects Collective
""Dass wir im selben Team mit den Fachplanern weiterarbeiten wollen, zeigt, dass alle happy sind."
Ohne BIM nicht möglich
Architects Collective hatten bereits Erfahrung mit Weingütern (einer der Partner ist selber Sommelier), vor allem aber über Krankenhausprojekte in Deutschland und Österreich viel Know-how in der Verbindung von Hightech, logistischem Denken und genuiner Bautätigkeit – etwas, das sich bei einer zeitgemäßen Kellerei als sehr wertvoll erwiesen hat; so wird etwa im Pressbereich selber sehr viel mit der Schwerkraft und wenig mit zusätzlich nötiger Energie gearbeitet.
Den enormen Planungsaufwand und die vielen notwendigen Alternativszenarien, bis man schließlich bei der entstandenen Variante angelangt war, hat man, so Herold, nur durch die moderne und eingespielte Arbeitsweise des Büros mit BIM und Revit-Darstellungen samt Begehung mit 3D-Brille bewältigen können.
„Wir machen immer sehr viele Varianten und Optionen, damit wir dem Bauherrn auch einige Türen öffnen, an die er vielleicht nicht gedacht hat. Bei den ca. 85 Varianten, die hier ungefähr durchgespielt worden sind, ist auch sehr viel Wissen vom Bauherrn mitgekommen. Wir brauchen ja Informationen und darum war eine sehr starke Zusammenarbeit mit dem Bauherrn auch wichtig.“
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CO2-neutraler Aushub und die Rolle der Harmonie
Stichwort gute Zusammenarbeit mit dem Bauherrn und überhaupt dem gesamten Team: Für den Erdbau auf der Röschitzer Baustelle war die ebenfalls aus Niederösterreich stammende Firma Gnant verantwortlich. Auch deren Eigentümer und Geschäftsführer Josef Gnant schwärmt vom konstruktiven Klima auf der Baustelle. „Oft genug streitet man ja oder versucht von Anfang an, seinen eigenen Vorteil zu suchen. Bei den Grubers war das ganz anders. Wir haben natürlich auch die Möglichkeit einer Standardplanung oder die, uns Gedanken über bessere Varianten zu machen – und das war hier möglich.“
Durch die Tiefe des Kellers ist die Familie Gruber nämlich zwar in der Lage, die Temperatur des Bodens zu nutzen, um dem Wein ideale klimatische Reifebedingungen zu bieten. Für den anfallenden Aushub musste jedoch eine Lösung gefunden werden, die dem Prinzip der Nachhaltigkeit entspricht.
In Zusammenarbeit mit Gnant und der Firma Energie-Direkt gelang es, durch den Einsatz von HVO100-Diesel für die Baufahrzeuge den gesamten Aushub CO2-neutral durchzuführen. Das Erdreich selbst konnte zum Ausgleich eines stark abfallenden Hanges verwendet werden, der nun – entsprechend abgeflacht – als Weingarten genutzt werden kann.
Synthetischer Dieselkraftstoff
Bei HVO100 handelt es sich um einen synthetischen Dieselkraftstoff aus pflanzlichen und tierischen Reststoffen, der herkömmlichen Diesel vollständig ersetzen kann. Der Preis von HVO100 liegt zwar noch deutlich über dem „normalen“ Dieselpreis, ist aber im vergangenen Jahr bereits um ein Drittel gefallen, bei entsprechender Menge sollte da noch eine größere Angleichung zu erwarten sein.
„Es sagt schon auch einiges“, sagt Architekt Herold, „dass wir jetzt in Folgeprojekten im gleichen Team mit den Fachplanern weiterarbeiten wollen, weil jeder eigentlich sehr happy war. Wenn dauernd neue Teams zusammengestellt werden, ergibt das ja wahnsinnige Reibungsverluste und schon davor einfach irrsinnige Zeitaufwände, um sich immer neu zu erfinden.“
Beton, Holz und Lehm
Auch sonst kam es zu einer Verschränkung einiger Welten, die sonst oft in Konkurrenz miteinander stehen. Für den Produktionsbereich und somit den eigentlichen Keller wurde Beton gewählt, welcher gut mit der Erde kommuniziert und selbst bei intensiver Nutzung stabil und einfach in der Wartung ist.
Darüber befinden sich Büros und der Besucherbereich. Hierfür wurde auf Holzbau (ebenfalls aus Niederösterreich von der Firma Graf Holztechnik) gesetzt und auf ein Energiesparkonzept, das gleich mehrere bauliche und gestalterische Elemente wie z. B. Lehmputz umfasst, im Winter steht eine Niedrigtemperatur-Bodenheizung zur Verfügung.