Flächenversiegelung : Bodenschutzstrategie ohne 2,5-Hektar-Ziel
In der neuen Bodenstrategie wird die im Regierungsprogramm festgelegte Begrenzung der Flächenneuinanspruchnahme auf maximal 2,5 Hektar pro Tag (für ganz Österreich) nicht berücksichtigt. Das ist für das Beraternetzwerk auch gut so: "Denn die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Folgen einer derart restriktiven Begrenzung wurden bisher ausgeblendet."
In ihrer Studie wurden die Folgen einer Reduktion des Flächenverbrauchs auf 2,5 Hektar pro Tag detailliert untersucht. Demnach wären die negativen Auswirkungen in den Bereichen Industrie und Logistik sowie im kommunalen, Gesundheits- und Bildungsbereich am größten. In den vergangenen Jahren entfiel mehr als die Hälfte der Flächenneuinanspruchnahme auf Nicht-Wohnbau und unbebaute Betriebsflächen. Um das Ziel von 2,5 Hektar pro Tag zu erreichen, müssten die Flächen für Betriebsansiedlungen oder -erweiterungen, für Kindergärten, Schulen, Altenheime oder kommunale Einrichtungen um 85 bis 95 Prozent reduziert werden. Damit würde nicht nur das Wachstum der heimischen Wirtschaft, sondern auch der Ausbau der sozialen Infrastruktur massiv behindert.
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70.000 Jobs wären in Bauwirtschaft bedroht
Allein in der Bauwirtschaft würde die Umsetzung des 2,5 ha-Ziels über 70.000 Arbeitsplätze kosten. Durch die Abwanderung von Industriebetrieben wären es in anderen Wirtschaftsbereichen mittelfristig gut dreimal so viele. Dabei gibt es keinen Grund, den Flächenverbrauch so drastisch zu reduzieren.
In den vergangenen Jahren lag die jährliche Flächeninanspruchnahme im Durchschnitt bei knapp 42 km². Etwa die Hälfte davon wurde versiegelt. Das entspricht etwa 0,02 Prozent der Landesfläche. Insgesamt waren 2022 rund 3,5 Prozent von Österreich überbaut, asphaltiert oder betoniert. Damit ist der Versiegelungsgrad in Österreich geringer als in anderen europäischen Industrieländern wie den Niederlanden, der Schweiz, Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien oder Großbritannien. Selbst bei einem konstanten Flächenverbrauch (42 km²/Jahr) bis zum Jahr 2200 - den niemand fordert - wäre der Anteil der versiegelten Fläche in Österreich im Jahr 2018 noch geringer als in den Niederlanden und Belgien.
Nur mehr 1.000 Einfamilienhäuser wären möglich
Leidtragende wären auch die Häuslbauer. Bei Umsetzung des 2,5-Hektar-Ziels könnten bundesweit nur mehr rund 1.000 neue Einfamilienhäuser pro Jahr errichtet werden. Im Durchschnitt der vergangenen zwei Jahrzehnte waren es rund 16.500 Gebäude pro Jahr. Langfristig könnte dies die Spaltung der Gesellschaft zementieren. Auf der einen Seite stehen die Besitzenden. Das sind diejenigen, die Wohneigentum durch Erbschaft erlangt oder mit hohem finanziellen Aufwand auf dem Zweitmarkt erworben haben. Auf der anderen Seite steht der Rest der Gesellschaft, dem der Zugang zu Wohneigentum verwehrt bleibt, obwohl es gerade für die Mittelschicht das wohl letzte mächtige physische Zeichen von Erfolg und Wohlstand ist.
Im Gegenzug müssten mehr Mehrfamilienhäuser gebaut und diese um drei bis vier Stockwerke erhöht werden, da der Wohnraumbedarf aufgrund des Bevölkerungswachstums weiter steigen wird.
Beanspruchte Fläche wuchs stärker als Bevölkerung
Zwischen 2015 und 2022 wuchs die jährlich beanspruchte Fläche in Österreich um 5,3 Prozent und damit etwas stärker als die Bevölkerung (+4,9 Prozent). Allerdings: Die reale Wirtschaftsleistung wuchs doppelt so schnell. Und da Wirtschaftswachstum in Industrieländern ohne entsprechende Produktionskapazitäten nicht möglich ist, sollte der Flächenverbrauch laut Kreutzer Fischer & Partner - seriöserweise - im Zusammenhang mit der volkswirtschaftlichen Entwicklung interpretiert werden.
Auch um den Selbstversorgungsgrad mit landwirtschaftlichen Produkten muss man sich keine Sorgen machen. Zwar ist die Ackerfläche in Österreich zwischen 2012 und 2022 um 2,5 % zurückgegangen, im gleichen Zeitraum ist aber der Hektarertrag im Ackerbau um 15,4 % gestiegen.
Gemeinden aus der Entscheidungspflicht genommen
Schließlich hätte sich die Frage gestellt, wie ein auf Bundesebene festgelegtes Ziel (2,5 ha/Tag) auf Gemeindeebene umgesetzt werden soll. Rund 60 Prozent aller österreichischen Gemeinden haben nicht mehr als 2.000 Einwohner. In knapp 90 Prozent aller Gemeinden leben weniger als 5.000 Menschen. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl stehen in den Flächenbundesländern (ohne Wien) zwischen 1,0 und 1,3 Quadratmeter pro Einwohner und Jahr zur Verfügung. In einer Mediangemeinde sind das somit weniger als 2.000 Quadratmeter pro Jahr.
Auf dieser Fläche konkurrieren Einfamilienhäuser mit Mehrfamilienhäusern, kommunalen Gebäuden (z.B. Kindergarten), Spielplätzen oder Gewerbebauten. Die Gemeinde hätte also die Wahl gehabt, ob sie drei bis vier Einfamilienhäuser oder ein Mehrfamilienhaus genehmigt. Ob sie stattdessen lieber einen Kindergarten baut oder einen Spielplatz anlegt. Oder ob sie sich für die Ansiedlung eines Gewerbebetriebes entscheidet. Alles gleichzeitig wäre nicht möglich gewesen. Vielmehr hätte man Wartelisten für Baugenehmigungen anlegen müssen.