SOLID 05/2018 : Was wirklich wichtig ist am neuen Vergaberecht
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Bestbieterprinzip: Wie bereits in den vorhergehenden Entwürfen für das neue Gesetz soll das Bestbieterprinzip, also die Bewertung auch der Qualität neben dem Preis, gestärkt werden. Der Katalog an Fällen, in denen zwingend das Bestbieterprinzip anzuwenden ist, wurde zwar gegenüber den alten Entwürfen etwas verschlankt. Die für die Bauwirtschaft wesentlichste Bestimmung ist aber geblieben: Bauaufträge ab einem geschätzten Auftragswert von 1 Million Euro sind zwingend nach Bestbieterprinzip zu vergeben. Bloße "Feigenblattkriterien", die neben dem Preis keine echte Auswirkung auf die Bewertung haben, sind unzulässig und anfechtbar.
Keine Zusammenrechnung von Konsulenten- und Bauleistungen: Die Architektenkammer hat kürzlich medial Alarm geschlagen, dass aufgrund des neuen BVergG 2018 Konsulentenleistungen (Architekt/Planer, PS, ÖBA etc) mit den Bauleistungen desselben Bauvorhabens zusammenzurechnen seien und daher in diesem Zusammenhang verstärkt komplizierte EU-weite Oberschwellenvergaben zu befürchten seien. Hier hat der Verfassungsausschuss des Nationalrates klargestellt, dass (weiterhin) nur funktionell zusammengehörige (Dienst-)Leistungen desselben Fachgebiets zusammenzurechnen sind; nicht aber Dienstleistungen und Bauleistungen.
Einschränkungen bei Berufung auf Subunternehmer-Kapazitäten: Im BVergG 2018 wird eine wesentliche Einschränkung in Hinblick auf die Berufung auf Kapazitäten von Subunternehmern gesetzlich verankert, die zwar in der Judikatur bereits geklärt war, in der Praxis aber noch nicht voll angekommen ist: § 86 BVergG 2018 legt nunmehr klar fest, dass sich der Bieter "nur auf die Kapazitäten jener Unternehmer stützen [kann], die die Leistung tatsächlich erbringen werden, für die diese Kapazitäten benötigt werden". Beruft sich daher etwa ein Unternehmer zum Nachweis der Leistungsfähigkeit auf eine Referenz eines Subunternehmers, so muss sichergestellt werden, dass dieser Subunternehmer die relevanten Leistungen in der Folge auch bei der Auftragserbringung tatsächlich selbst ausführt. Dem sog. "Referenz-Shopping", also der bloß formalen Berufung auf Referenzen eines Dritten, ohne dass dieser tatsächlich selbst Leistungen erbringt, soll auf diese Weise – der Rechtsprechung folgend – ein Riegel vorgeschoben werden.
Ausschluss und Selbstreinigung neu: Bei bestimmten Verurteilungen oder beruflichen Verfehlungen sind Unternehmen von Vergabeverfahren auszuschließen (zB strafgerichtliche Verurteilungen, Verurteilungen wegen Verstößen gegen das AuslBG etc). Mit dem BVergG 2018 werden zum einen (vier) neue Ausschlussgründe festgelegt (vgl § 78 Abs 1 BVergG 2018). Besonders relevant für Bauunternehmen ist der neue Ausschlussgrund der "erheblichen oder dauerhaften Mängel" bei früheren Aufträgen, welche die Vertragsbeendigung, Schadenersatz oder vergleichbare Sanktionen nach sich gezogen haben. Auch wurde die Ausschlussmöglichkeit bei möglichen nachteiligen Abreden strenger ausgestaltet: Nunmehr können Auftraggeber schon dann mit Ausschluss vorgehen, wenn bloß "hinreichend plausible Anhaltspunkte" für eine nachteilige Abrede vorliegen. Neu ist auch ein Ausschluss bei Interessenkonflikten oder der Ausschluss bei dem Versuch einer unzulässigen Beeinflussung der Entscheidungsfindung beim Auftraggeber (Vorsicht beim Kontakt mit Auftraggebern während des Vergabeverfahrens!). Nicht nur der Versuch einer Beeinflussung kann nunmehr zum Ausschluss führen; gleiches gilt auch für die (bloß) fahrlässige Übermittlung unrichtiger eignungs- oder zuschlagsrelevanter Informationen.
Nunmehr neu im Gesetz geregelt ist auch die "einheitliche europäische Eigenerklärung" (kurz "EEE"). Im Oberschwellenbereich dürfen "klassische" öffentliche Auftraggeber nur noch die EEE akzeptieren. Die bisher bekannten, vom Bieter oder vom Auftraggeber selbst verfassten, Eigenerklärungen sind nur noch im Unterschwellenbereich sowie im Sektorenbereich (unter- und oberhalb der Schwelle) zulässig. Die EEE ist durchaus komplex. Unternehmer sind gut beraten, sich mit der EEE rechtzeitig auseinanderzusetzen. Auch (fahrlässig) falsch ausgefüllte EEE können zum Ausschluss führen (siehe bereits zuvor).
Zum anderen werden die Anforderungen an sog. "Selbstreinigungsmaßnahmen" erhöht. Das sind Maßnahmen, die ein Unternehmen trifft, nachdem es einen Ausschlussgrund gesetzt hat und in der Folge mit diesen Maßnahmen versucht, seine Zuverlässigkeit "wiederherzustellen". Nunmehr wird in diesem Zusammenhang etwa umfassende Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und ein Schadensausgleich bzw zumindest ein Anerkenntnis der Schadenersatzverpflichtung durch das Unternehmen gefordert. Inwieweit im Einzelfall ein "Anerkenntnis dem Grunde nach" ausreicht (und man sich nicht ohne entsprechendes Urteil des Zivilgerichts auch gleich der Höhe nach zu einem bestimmten Schadenersatz verpflichten muss), werden die Verwaltungsgerichte zu klären haben.
Bei solchen "Blockbustern" entgeht einem beinahe eine weitere sehr relevante Festlegung in diesem Zusammenhang und zwar der Ausschluss infolge eines "Blacklistings" im EWR-Raum (§ 83 Abs 4 BVergG 2018). Mitgliedstaaten können bei Verurteilungen von Unternehmen "Auftragssperren" gegen diese für einen bestimmten Zeitraum vorsehen (sog. "Blacklisting"); Österreich selbst hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Ergeht aber in einem anderen EWR-Staat ein solches Blacklisting gegen ein Unternehmen, so ist es diesem Unternehmen für die Dauer des Bestehens der Auftragssperre verwehrt, in Österreich seine Selbstreinigung darzulegen. Zur Veranschaulichung: Ein österreichisches Bauunternehmen, das in der Slowakei aufgrund einer Verurteilung "geblacklistet" wird, ist damit zwingend auch in Österreich von Vergabeverfahren auszuschließen (sofern der Auftraggeber von dem Blacklisting Kenntnis hat); dies selbst dann, wenn das Unternehmen etwa den inkriminierten Projektleiter "freistellt", die interne Revision auf den Fall ansetzt, ein Compliance-Managementsystem installiert usw. Besonders irritierend an dieser Bestimmung ist der Umstand, dass es sich hierbei nach Sicht der Autoren um sog. Gold-Plating handelt, also eine "übereifrige" Umsetzung von EU-Recht, die dieses gar nicht fordert. Dabei wollte die neue Regierung eigentlich genau solchem Gold-Plating den Kampf ansagen.
Vertragsänderungen und Zusatzaufträge: Eine willkommene Klarstellung enthält das BVergG 2018 in Hinblick auf Vertragsänderungen nach Zuschlagserteilung, die nunmehr erstmals ausdrücklich im Gesetz geregelt werden (basierend auf der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH). Änderungen bis zu 15% des Auftragswertes erlaubt das Gesetz bei Bauaufträgen nunmehr jedenfalls (sofern nicht die Schwellenwerte überschritten werden und sich durch die Änderung auch nicht der Gesamtcharakter des Auftrags ändert). Auch Änderungen aufgrund von bereits im Vertrag vorgesehenen, klar und präzise formulierten Änderungsklauseln werden für zulässig erklärt (ob die "Änderungsklausel" nach ÖNORM B2110 hier alle Fälle abdecken kann, ist aber juristisch nicht unumstritten). Ausdrücklich zugelassen werden nunmehr auch Wechsel des Auftragnehmers, etwa im Zuge einer Insolvenz, einer Übernahme oÄ, und auch Änderungen in der Zusammensetzung einer Bieter-/Arbeitsgemeinschaft (zB Ausscheiden eines Mitglieds).
Daneben gibt es noch eine Vielzahl kleinerer Änderungen mit Relevanz für die Baubranche, deren Beleuchtung allerdings den Rahmen des gegenständlichen Artikels sprengen würde (Meldepflichten für Auftraggeber bei Bauaufträgen über 100.000 Euro, neue Kündigungsrechte für Auftraggeber etc).
Zusammenfassung
Das Bundesvergabegesetz 2018 wird gerade im Nationalrat behandelt und wird aller Voraussicht nach in wenigen Wochen in Kraft treten. Mit dem Gesetz wird das EU-Richtlinienpaket aus dem Jahr 2014 – mit einiger Verspätung – nun im österreichischen Recht umgesetzt.
Im neuen BVergG 2018 findet sich eine Vielzahl von für die Baubranche relevanten Änderungen etwa hinsichtlich Subunternehmern, Bestbieterprinzip, Ausschluss und Selbstreinigung, Vertragsänderungen uvm.
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