Baurecht : VerzugsZinsen – ein nicht zu unterschätzender Faktor
Das Thema Verzugszinsen
Jahrelang gab es keine bis wenig Zinsen. Der Basiszinssatz ist vor vielen Jahren sogar ins Negative gerutscht. Spareinlagen warfen keine nennenswerten Zinsen ab, Kredite wurden zu günstigen Konditionen vergeben.
Eines gab es aber dennoch immer (und das stets in durchaus beträchtlicher Höhe, wie tiefer stehend im Detail erläutert wird): Verzugszinsen, und zwar für den Fall, dass Geldforderungen nicht pünktlich beglichen wurden. Sowohl das Unternehmensgesetzbuch (UGB) und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) im Allgemeinen als auch die ÖNORM B 2110 im Speziellen regeln das Thema Verzugszinsen.
Was sind Verzugszinsen?
Wird eine Geldforderung nicht rechtzeitig bezahlt, fallen Verzugszinsen an. Das bedeutet, wenn die Zahlung nicht zum Fälligkeitszeitpunkt am Gläubigerkonto gutgeschrieben ist, tritt Verzug ein und fallen ab diesem Zeitpunkt Verzugszinsen an.
Die Fälligkeit bestimmt sich wiederum primär nach der Parteienvereinbarung. Pkt. 8.4.1.1 und 8.4.1.2 der ÖNORM B 2110 treffen hier eine Regelung. Rechnungen werden 30 (Abschlags- und Regierechnungen) oder 60 (Schluss- oder Teilschlussrechnungen über EUR 100.000,00) Tage nach deren Eingang fällig. Gibt es keine derartige Vereinbarung, sind Rechnungen ohne unnötigen Aufschub zu bezahlen. Hierbei handelt es sich in der Regel um einen Zeitraum von einigen wenigen Tagen.
Wie hoch sind Verzugszinsen?
Die jährlichen Verzugszinsen betragen (vorbehaltlich einer abweichenden einzelvertraglichen Regelung, siehe dazu im Detail unten) für Verträge, die seit dem 16.3.2013 geschlossen wurden, im unternehmensbezogenen Bereich 9,2 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Das ergibt sich aus § 456 UGB. Für die Anwender der ÖNORM B 2110 wiederholt sich diese Regelung inhaltlich in Pkt. 8.4.1.6.
Der Basiszinssatz ist somit im Bereich der unternehmerischen Verzugszinsen von erheblicher Bedeutung. Dabei ist für die Berechnung der Verzugszinsen jeweils jener Basiszinssatz, der am ersten Kalendertag eines Halbjahres gilt, für das jeweilige Halbjahr maßgebend.
Der Basiszinssatz wird von der EZB festgelegt und kann aktuell unter www.oenb.at/Service/Zins--und-Wechselkurse.htmleingesehen werden. Von 1.7.2016 bis 31.12.2022 war der Basiszinssatz in der Höhe von -0,62% maßgeblich. Zu diesem wurden daher die 9,2 Prozentpunkte addiert, sodass der Standard-Verzugszinssatz unter Unternehmern über mehrere Jahre hinweg bei 8,58% pro Jahr lag.
Seit 1.1.2023 liegt der Basiszinssatz bei 1,88%, das heißt seit diesem Zeitpunkt betragen die jährlichen Verzugszinsen 11,08%. Diese Änderung bedeutet also, dass nunmehr beispielsweise bei einer Kapitalforderung von EUR 100.000 jährlich Zinsen in Höhe von EUR 11.080,00 anfallen, statt wie bisher EUR 8.580,00. Eine Differenz von EUR 2.500,00!
Mit Wirkung vom 22.3.2023 wurde der Basiszinssatz sogar noch weiter auf 2,88% erhöht. Wenn dieser Zinssatz noch am 1.7.2023 gilt, so betragen die jährlichen Verzugszinsen ab diesem Zeitpunkt – und zumindest für das nächste Halbjahr, also bis zum 31.12.2023 – 12,08%.
Ist der Schuldner nicht für die Verzögerung verantwortlich, so gilt ein Zinssatz von 4% (§ 456 UGB letzter Satz, der auf § 1000 Abs 1 ABGB verweist, bzw. Pkt. 8.4.1.6 ÖNORM B 2110). Dieser Bestimmung wird erfahrungsgemäß in der Praxis wenig Bedeutung beigemessen. Spätestens im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist aber zumindest eine Verantwortlichkeit für die Verzögerung zu behaupten.
Gilt das auch für Verbraucher?
Die soeben dargestellte Regelung ist eine Sonderregel für Rechtsgeschäfte zwischen Unternehmern sowie für Rechtsgeschäfte zwischen einem Unternehmer und einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Sie gilt daher nicht für Verbraucher.
Für Verbraucher gilt die allgemeine Regelung des ABGB, das in § 1000 Abs 1 für Zinsen, mangels abweichender Vereinbarung, einen Zinssatz von 4% vorsieht. Da auch zwischen Bauunternehmern und Verbrauchern abgeschlossenen Bauverträgen regelmäßig die ÖNORM B 2110 zugrunde gelegt wird, findet der in Pkt. 8.4.1.6 der ÖNORM B 2110 geregelte Verzugszinssatz auch auf diese Verträge Anwendung. In diesem Rahmen hat der Verbraucher dann ebenfalls den Verzugszinssatz von 9,2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen.
Was den Zeitpunkt der Fälligkeit und damit den Verzugseintritt angeht, ist es ausreichend, wenn der Verbraucher den Überweisungsauftrag am Tag der Fälligkeit erteilt (§ 6a Abs 2 KSchG; es kommt also nicht auf das Einlangen beim Gläubiger an).
Sind abweichende Vereinbarungen möglich?
Grundsätzlich kann § 456 UGB, der den Zinssatz von 9,2 % Punkten über dem Basiszinssatz festlegt, durch Vereinbarung auch abgeändert werden. Dabei sind die Vertragsparteien allerdings nicht frei, denn § 459 UGB erklärt ausdrücklich, dass eine Vertragsbestimmung betreffend den Verzugszinssatz nichtig ist, wenn sie für den Gläubiger grob nachteilig ist. Dies gilt im Übrigen nicht nur für den Zinssatz, sondern auch für den Zahlungstermin, die Zahlungsfrist und die Entschädigung für Betreibungskosten.
Ob etwas grob nachteilig ist, bestimmt sich an der Abweichung von der Übung des redlichen Verkehrs, ob es einen sachlichen Grund für diese Abweichung gibt und um welche Vertragsleistung es sich handelt. Im konkreten Fall sollte daher jedenfalls darauf geachtet werden, allfällige (Hinter-)Gründe für eine abweichende Zinsvereinbarung auch im Vertrag zu dokumentieren.
Grob nachteilig ist aber jedenfalls der Ausschluss von Verzugszinsen. Höhere Zinsen werden am allgemeinen Standard der Sittenwidrigkeit und des Wuchers gemessen.
Zinseszinsen
Als Draufgabe zu den mittlerweile hohen Verzugszinsen gibt es noch Zinseszinsen iHv 4% pro Jahr ab Streitanhängigkeit eines Gerichtsverfahrens. Diese können im Laufe eines Gerichtsverfahrens auch noch einen erheblichen Betrag ausmachen, weshalb man sie unbedingt in einer Klage berücksichtigen sollte.
Praxistipps zu Zinsen
In Anbetracht der beachtlich hohen Verzugszinsen, lohnt sich eine Überprüfung der folgenden Punkte im Unternehmen:
* Welche Verzugszinsen verlangt Ihr Unternehmen derzeit von Schuldnern
* Im Falle von Gerichtsverfahren, in denen Ihr Unternehmen Kläger ist: Verlangen Sie hier 8,58% Zinsen oder den abstrakten Zinssatz von 9,2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz? Wenn ersteres der Fall ist, sollte das Klagebegehren rechtzeitig geändert werden – sonst könnte die Differenz an nunmehr höheren Zinsen trotz laufender Klage verjähren!
* Als Kläger dürfen Sie auch Zinseszinsen verlangen – falls nicht daran gedacht wurde, sollte das rechtzeitig geändert werden, damit es zu keiner Verjährung kommt.
* Der hohe Verzugszinssatz fällt nur bei Verantwortlichkeit an – dazu sollten Sie spätestens im Gerichtsverfahren etwas ausführen (sei es als Kläger oder als Beklagter).