Die für diesen Artikel relevante Frage im Zusammenhang mit Abschlagszahlungen ist jedoch, ob ein Auftragnehmer, der vertragsgemäß Abschlagsrechnungen gelegt hat, berechtigt ist, seine Leistungserbringung einzustellen, wenn der Auftraggeber mit der Bezahlung dieser Abschlagsrechnungen in Verzug gerät.
Betrachtet man zu dieser Frage ausschließlich die im letzten Jahr dazu ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 124/23b), so macht es den Anschein, als wäre diese klar mit "Ja" zu beantworten. Im dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall stellte ein Auftragnehmer, der mit der Durchführung von Bohrarbeiten beauftragt war, seine Leistungen ein, nachdem der Auftraggeber mit der Bezahlung von drei gelegten und fälligen Abschlagsrechnungen in Verzug war. Der OGH führte dazu zunächst aus, dass den Werkunternehmer aufgrund des einleitend zitierten § 1170 ABGB eine Vorleistungspflicht trifft, die das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 ABGB ausschließt. Wird allerdings die Verrechnung von Abschlagszahlungen vereinbart, so hat sich der Werkbesteller zu Vorschusszahlungen verpflichtet, die nach Ansicht des OGH im Umkehrschluss dazu führen, dass der Werkbesteller selbst im Fall einer mangelhaften Leistung die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags nach § 1052 ABGB verwehrt ist. Daraus schließt der OGH, dass die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach ein Werkunternehmer die Arbeiten einstellen darf, wenn der Werkbesteller mit Abschlagszahlungen in Verzug ist, in der bisherigen Rechtsprechung Deckung findet.
Stöbert man allerdings in älteren Entscheidungen des OGH, so überrascht das Ergebnis oder zumindest die Kürze und Deutlichkeit, mit der der OGH zu diesem Ergebnis gelangt: In seiner Entscheidung 7 Ob 183/08z führte der OGH nämlich ebenso deutlich das Gegenteil aus. Danach könne eine allfällige Säumnis des Werkbestellers bei der Leistung von Vorschüssen dem Werkunternehmer KEIN Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 ABGB geben. Dies stelle eine zwingende Schlussfolgerung aus der oberstgerichtlichen Judikatur zur Rechtsnatur von Vorschüssen dar.