Steuerrecht : Steuerpflicht für Taggelder bei ständiger Montagetätigkeit
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hatte sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Frage zu befassen, ob Taggelder anlässlich einer ständig im Werk des Auftraggebers ausgeübten Montagetätigkeit lohnsteuerfrei ausbezahlt werden können.
Der Ausgangssachverhalt
Eine dem Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe unterliegende GmbH wurde von verschiedenen Industriebetrieben mit Montage-, Installations-, Reparatur- und Wartungsarbeiten an Industrieanlagen beauftragt. Am Firmensitz verfügte die GmbH über eine große Werkhalle zur Vorfertigung von in den Industriebetrieben zu montierenden Bauteilen und Stahlbauten verschiedenster Art.
Die GmbH setzte bei ihren Auftraggebern, von denen kontinuierlich Aufträge erteilt wurden, Teams von drei bis vier Mitarbeitern ein, die dauerhaft in den Industriebetrieben der Auftraggeber tätig wurden. Deren Tätigkeit bei den Auftraggebern bestand im Aufstellen neuer Maschinen, der Demontage ausgedienter Maschinen, dem Umstellen vorhandener Maschinen, Wartungsarbeiten, dem Einbau von Rohrleitungen, Zentralheizungen, Heizungskomponenten, Arbeiten an sanitären Anlagen, dem Umbau von Anlagen zur Verbesserung von Fertigungsabläufen, der Behebung von Störungen, der Errichtung von Flugdächern und Einhausungen und dem Bau von Verschalungen.
Die GmbH gewährte diesen Mitarbeitern auf Basis einer Betriebsvereinbarung dauerhaft Taggelder, die gemäß § 3 Abs 1 Z 16 lit b EStG – bis zur maximal zulässigen Höchstgrenze von 26,40 EUR pro Tag – lohnsteuerfrei abgerechnet wurden. Das Finanzamt führte bei der X-GmbH eine Lohnabgabenprüfung durch und versagte in dessen Folge die Lohnsteuerfreiheit für diese Taggelder.
Der Verwaltungsgerichtshof beschäftigte sich in der Entscheidung Ro 2022/15/0019 vom 29. Mai 2024 damit, ob die Lohnsteuerbegünstigung des § 3 Abs 1 Z 16 lit b EStG für diese Konstellation anwendbar ist oder nicht.
Die steuerliche Begünstigung des § 3 Abs 1 Z 16 lit b EStG im Überblick
Gemäß § 3 Abs 1 Z 16 lit b EStG können Taggelder – grundsätzlich zeitlich unbegrenzt – lohnsteuerfrei ausbezahlt werden, wenn diese uA für eine „Baustellen- und Montagetätigkeit außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers“ gewährt werden und soweit der Arbeitgeber aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift (zB. Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung) zur Zahlung verpflichtet ist.
Die Steuerfreiheit ist dabei mit einem Betrag von 26,40 EUR pro (ganzem) Dienstreisetag begrenzt. Keine Steuerfreiheit besteht für Taggelder, die anstelle des bisher gezahlten Arbeitslohns oder üblicher Lohnerhöhungen geleistet werden (Bezugsumwandlungsverbot).
Entscheidung des VwGH
Der VwGH hatte sich im Verfahren daher insbesondere mit der Frage zu beschäftigen, ob eine dauernde Montagetätigkeit im Werk des Auftraggebers den Begriff der „Baustellen- und Montagetätigkeit“ des § 3 Abs 1 Z 16 lit b EStG erfüllt. Der VwGH führte aus, dass die Steuerbegünstigung vor allem mit der Tätigkeit verbundene Reiseerschwernisse bzw. Mobilitätsanreize berücksichtigen soll. Mit dieser Befreiungsbestimmung sollen damit Aufwendungen und Belastungen verschiedenster Art abgedeckt werden, die bei der ständigen Dienstverrichtung an einem festen Arbeitsplatz eben nicht anfallen.
Aus Sicht des VwGH macht es dabei aber keinen Unterschied, ob sich dieser feste Arbeitsplatz am Werksgelände des Arbeitgebers oder – wie eben im zu beurteilenden Fall – am Werksgelände eines Auftraggebers des Arbeitgebers befindet. Die mit Tätigkeiten an wechselnden Arbeitsplätzen typischerweise verbundene Reiseerschwernis liegt in beiden Fällen nicht vor. Letztlich folgte der VwGH daher der Auffassung des Finanzamtes und versagte die Lohnsteuerbegünstigung für die von der GmbH steuerfrei ausbezahlten Taggelder.
Praktische Auswirkungen
Für im Projektgeschäft tätige Unternehmen bedeutet dies, dass bei der Lohnabrechnung von Taggeldern nunmehr jene Fälle identifiziert werden müssen, bei denen ein ständiger Arbeitseinsatz im Werk des Auftraggebers erfolgt. Für diese Fälle ist § 3 Abs 1 Z 16 lit b EStG nicht anwendbar und daher eine lohnsteuerfreie Auszahlung der Taggelder nicht mehr möglich. Zugleich entfällt dann auch die Begünstigung im Bereich der Lohnnebenkosten (Dienstbegerbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds, Zuschlag zum DB und Kommunalsteuer) und der Sozialversicherungsbeiträge.
Nicht eindeutig geklärt ist bislang die Frage, ob auch bei diesen ständigen Einsätzen im Werk des Auftraggebers zumindest für den „Anlaufzeitraum“ von zB. 6 Monaten die Steuerbegünstigung des § 3 Abs 1 Z 16 lit b EStG greift – es sprechen allerdings viele Argumente dafür. Es ist zudem davon auszugehen, dass die Konstellation der ständigen Tätigkeit im Auftraggeberwerk verstärkt auch Gegenstand von Lohnsteuerprüfungen sein wird.
Festzuhalten ist, dass die angeführte VwGH-Rechtsprechung keine Auswirkungen auf „klassische“ Baustellen- und Montagetätigkeiten, dh. zeitlich eindeutig abgrenzbare Projekte außerhalb einer ortsfesten Betriebstätte, zeitigt. Hier kann bei Erfüllung aller Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs 1 Z 16 lit b EStG die Abgabenbegünstigung weiterhin angewandt werden.